Close

Schwerin: „Stressbremse“ beschäftigt Stadtvertretung

Es ist knapp zwei Monate her, dass wir an dieser Stelle über „Andy’s Stressbremse“ in der Friedrich-Engels-Straße berichteten. Hintergrund war ein das bevorstehende Aus für die beliebte Ein-Raum-Kneipe. Betreiber Andreas

  • Veröffentlicht August 28, 2021
Stirbt mit der „Stressbremse“ die letzte Wohngebietskneipe auf dem Dreesch in Schwerin? | Foto: privat / FB

Es ist knapp zwei Monate her, dass wir an dieser Stelle über „Andy’s Stressbremse“ in der Friedrich-Engels-Straße berichteten. Hintergrund war ein das bevorstehende Aus für die beliebte Ein-Raum-Kneipe. Betreiber Andreas Hömke hatte sich seinerzeit auch mit einem langen Schreiben an Oberbürgermeister Badenschier gewandt. Sein Ziel: Der Erhalt der Einrichtung.

In dem Schreiben führte Hömke all das ins Feld, was mit einem sozialen Treffpunkt, wie er seine „Stressbremse“ sieht, verbunden ist. So trainieren dort drei Dartmannschaften, treffen sich Damen nach dem Seniorensport und Triathleten nach dem Besuch der Schwimmhalle. Rentner feiern ihre Jubiläen und die Kleinsten die Einschulung. Natürlich nicht ganz uneigennützig fordert Hömke Badenschier auf, „für das Gemeinwohl aller auf dem Dreesch wohnenden Bürger weiter Einfluss auf die Entscheidung der WGS zu nehmen“. Zwischen der Wohnungsgesellschaft und dem OB hatte es danach auch Gespräche zu der Situation gegeben. Badenschier hatte sich dabei auch für den Erhalt stark gemacht. Allerdings erkannte er durchaus die starken Argumente, die eine Fortführung der „Stressbremse“ an diesem Ort faktisch unmöglich erscheinen lassen.

 

Bauvorhaben verhindert Fortbestand der „Stressbremse“

Hintergrund der insgesamt schwierigen Situation, in der sich die Kneipe aktuell befindet, ist nicht etwa die Corona-Pandemie, die seit Anfang 2020 die Gastronomie auch in Schwerin in teilweise schwerwiegende Probleme gestürzt hat. Diese hat die „Stressbremse“ bislang überstanden. Vielmehr geht es um eigentlich etwas Positives – was hier mit einem negativen Ergebnis verbunden ist. Denn die Wohnungsgesellschaft Schwerin (WGS) plant, den gesamten Gebäudekomplex, in dem sich auch die „Stressbremse“ befindet, von Grund auf zu sanieren und zu modernisieren. Entstehen sollen attraktive neue Wohnungen. Insgesamt investiert die WGS 26 Millionen Euro in eine grundlegende Neugestaltung, wofür alle betroffenen Einheiten leer sein müssen.

 

Ortsbeirat spricht sich für Erhalt und Übergangslösung aus

Georg-Christian Riedel, Ortsbeiratsvorsitzender Großer Dreesch (Schwerin)

Nun könnte man ja vielleicht sagen, dann sollte die „Stressbremse“ vorübergehend an einen anderen Ort ausweichen. In eine solche Richtung zielt auch ein Antrag des Ortsbeirats Großer Dreesch und des Stadtvertreters Heiko Steinmüller, der am kommenden Montag auf der Tagesordnung der Stadtvertretung steht. Darin heißt es unter Punkt 4: “ Der Geschäftsführer wird beauftragt, bis zur Fertigstellung der neuen Gewerberäume eine Übergangslösung für den aktuellen Mieter anzubieten, so dass mindestens ein Getränkeausschank mit Imbiss möglich bleibt“. Das eigentliche Ziel des Antrags, sowie auch eines eigenen Antrags von Heiko Steinmüller und eines weiteren Antrag der Stadtvertreterin Anita Gröger (ASK) ist aber der Erhalt der „Stressbremse“. Drei Anträge also, die die Stadtvertreter am kommenden Montag unter den Tagesordnungspunkten 29 bis 31 zu beraten und zu beschließen haben, die ein Ende der „Stressbremse“ in letzter Sekunde verhindern wollen.

 

Auch zwei Stadtvertreter mit Anträgen für Erhalt

„Im Laufe der Jahre sind Dutzende Gaststätten für immer geschlossen worden. Dieses Schicksal droht jetzt auch der ‚Stressbremse‘. Der Betreiber und seine Familie würden die Kneipe gern noch viele Jahre für die Bürger zur Verfügung stellen. Eine große Wohnungsgesellschaft sollte sich nicht nur für die Bereitstellung und Bewirtschaftung von günstigem Wohnraum verantwortlich fühlen, sondern sich auch deren sozialem Umfeld widmen. Kneipen und Gaststätten sind ein wichtiger Ort der Kommunikation und des sozialen Miteinanders. […] Es wäre sehr schade und ein Armutszeugnis, wenn man die letzte Kneipe, die es auf dem gesamten Dreesch noch gibt, nicht erhalten kann“, so Christian Riedel, Vorsitzender des Ortsbeirates Großer Dreesch, der inzwischen gemeinsam mit dem Betreiber 900 Unterschriften für den Erhalt der Einrichtung gesammelt hat. 

 

Keinerlei Förderung für Gewerbefläche möglich

Thomas Köchig, Geschäftsführer Wohnungsgesellschaft Schwerin | Foto: Christian Möller / MOEgrafie

Eine zweifellos emotionale Geschichte, der aber auch eine sehr rationale Situation gegenübersteht. Denn die WGS plant ja nicht, die Fläche zu veredeln. Sie steht vor einem ganz anderen Problem. Stünde nur die Frage, wie man übergangsweise mit der Situation umgehen soll – also bis die umfangreichen Arbeiten abgeschlossen sind – könnte WGS-Geschäftsführer Thomas Köchig garantiert eine Lösung finden. Denn sein Interesse liegt nicht darin, die „Stressbremse“ zu vernichten. Er steht, wie bereits im Juli berichtet, vor einem ganz anderen Problem. „Die aktuelle Realität sieht keinerlei Förderung für die Modernisierung einer solchen Gewerbefläche vor. Anders als bei den Wohnungen, für die wir die Fördermittel bekommen, um die Modernisierungen so durchführen zu können, dass wir sie letztlich wieder zu vertretbaren Konditionen vermieten können“, stellte Köchig die harte Realität dar. Heißt also: Soll an dieser Stelle eine Gastronomie erhalten bleiben, müsste die unausweichliche Baumaßnahme ohne jeden Cent an Fördermitteln geschehen. 

 

Erforderliche Investitionen verhindern wirtschaftlich tragbare Miete

Allein für die Ein-Raum-Kneipe wären dies mindestens 250.000 Euro. Vermutlich sogar deutlich mehr. Denn um eine allen Anforderungen an eine neue Gastronomie entsprechende Situation herzustellen, müsste die WGS enorm viel verändern und installieren. Eine Stellungnahme der Verwaltung Schwerin bezeichnet dies gar als faktisch nicht machbar: „Die gastronomische Einheit verfügt nicht über die aktuell geforderten technischen Vorrichtungen für das Betreiben einer Gastronomie. Die Erfüllung der technischen Mindestvorgaben wird nach intensiver Prüfung durch Architekten, Statiker und den Energieberater als nicht möglich erachtet. Und selbst wenn es ginge, wären die tatsächlichen Kosten letztlich schlichtweg zu hoch. „Genau das ist wirtschaftlich am Ende für beide Seiten nicht darstellbar“, so Köchig. Sprich, das, was die WGS dann an Miete verlangen müsste, wäre unrealistisch. 

 

Kleiner Lichtblick aus dem Aufsichtsrat

Damit scheint klar, dass der Spielraum für den Erhalt der „Stressbremse“ alles andere als groß ist. Man darf gespannt sein, wie die Debatte am Montag verläuft und wie sich die Stadtvertreterinnen und Stadtvertreter entscheiden. Ein zumindest kleiner Lichtblick ist der Stellungnahme der Verwaltung zum Antrag des Ortsbeirates zu entnehmen. Denn dort ist zu lesen, dass Aufsichtsrat und Geschäftsführung der WGS gemeinsam das Ziel verfolgen, einen Standort für eine gastronomische Einheit im Quartier zu finden. 

 

Artikel zum Thema

Schwerin: Stress um die „Stressbremse“

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert