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Schwerin: WGS wehrt sich gegen anonyme Vorwürfe

Seit Kurzem kur­siert in eini­gen Büros der Schw­er­iner Stadtver­wal­tung sowie bei aus­gewählten Medi­en­vertretern ein absender­los­es Schreiben in leicht vari­ieren­der, aber grund­sät­zlich deck­ungs­gle­ich­er Form. Die zuge­hörige Mail ist mit „D. Puschke“

  • Veröffentlicht August 12, 2019
Die alten Back­steinge­bäude in der Möwen­burgstraße 35–59 in Schw­erin müssen kom­plex mod­ernisiert wer­den. (Sym­bol­bild)

Seit Kurzem kur­siert in eini­gen Büros der Schw­er­iner Stadtver­wal­tung sowie bei aus­gewählten Medi­en­vertretern ein absender­los­es Schreiben in leicht vari­ieren­der, aber grund­sät­zlich deck­ungs­gle­ich­er Form. Die zuge­hörige Mail ist mit „D. Puschke“ unterze­ich­net. Eine Miet­partei mit einem solchen Namen aber ist der kom­mu­nalen Woh­nungs­ge­sellschaft Schw­erin mbH (WGS) in den Objek­ten nicht bekan­nt. In dem Schreiben, das sich auf „Sanierungs­pla­nun­gen der WGS in der Möwen­burgstraße“ bezieht, wer­den mas­sive Vor­würfe gegenüber der kom­mu­nalen Woh­nungs­ge­sellschaft erhoben.

Konkret gemeint sind derzeit 68 Woh­nun­gen in den alten Back­steinge­bäu­den in der Möwen­burgstraße 35–59. Die WGS hat­te bekan­nt­gegeben, dass umfan­gre­iche Bau­maß­nah­men zum langfristi­gen Erhalt der Objek­te zwin­gend erforder­lich sind. Dabei müssen dann ein­er­seits natür­lich alle geset­zlich vorgeschriebe­nen Maß­nah­men real­isiert wer­den. Zudem ist auch eine Umgestal­tung der inneren Struk­turen geplant. So wer­den nach momen­tan­er Über­legung, 2‑Z­im­mer- und 3‑Z­im­mer-Woh­nun­gen sowie in den vorhan­de­nen Gebäude Rei­hen­häuser zur Miete entste­hen. Die Gesam­tan­zahl wird sich etwas ver­ringern, aber das Ange­bot wird dafür bedarf­s­gerecht aus­gerichtet.

Vorwurf: Entmietung zur Schaffung einer Nobeladresse

Die bis­lang anony­men Ver­fass­er des Schreibens sprechen nun in ihren Vorhal­tun­gen davon, dass die WGS dabei ist „alteinge­sessene Mieter aus diesem Vier­tel zu ver­drän­gen, um neues Klien­tel anzusiedeln“. Von ein­er zukün­fti­gen „Wohn-Oase für Ärzte und Angestellte des Finanzhaies Helios-Kliniken“ ist die Rede. „In den let­zten Wochen sind große Autos vorge­fahren, um sich anzuse­hen, wie sie hier dann leben wer­den.“ Es wür­den Anreize geschaf­fen, mit ein­er „Nobeladresse Ziegelsee vielle­icht benötigtes Per­son­al für einen „Finanzhai wie die Helios-Kliniken“ nach Schw­erin „zu lock­en“. Die „alten“ soll­ten dafür „in den Plat­ten­baut­en ver­schwinden.“

Die Kom­mu­nika­tion der kom­mu­nalen Woh­nungs­ge­sellschaft sei von Anfang an „auf Kon­fronta­tion aus­gelegt“ gewe­sen. Bewusst habe die Gesellschaft die jahre­lan­gen Ansprech­part­ner der Mieter durch neue erset­zt. Diese wür­den auf Wün­sche der Mieter auf Rück­kehr nach Sanierung nicht reagieren. „Nur eis­ernes Schweigen.“

WGS-Geschäftsführer: „Unterstellungen absurd” 

In ein­er am gestri­gen Mon­tag veröf­fentlicht­en Stel­lung­nahme sowie einem Tele­fonat mit unser­er Redak­tion wies WGS-Geschäfts­führer Thomas Köchig am gestri­gen Mon­tag die gegen seine Gesellschaft erhobe­nen Vor­würfe deut­lich zurück: „Die Unter­stel­lung, die WGS betreibe Ver­drän­gung von Alt­mi­etern, ist absurd und ent­behrt jeglich­er Grund­lage.“ Zudem ist „jeglich­er Zusam­men­hang mit den Helios-Kliniken frei erfun­den.” Die vorge­wor­fe­nen Auswahlkri­te­rien seien wed­er Auf­trag noch Inten­sion des Unternehmens. Man habe einen all­ge­meinen Wohn­raumver­sorgungsauf­trag und diesem komme man selb­stver­ständlich nach. Die WGS „für eine sozialverträgliche Wohn­raumver­sorgung, eine offene, trans­par­ente Kom­mu­nika­tion sowie den fairen Inter­essen­saus­gle­ich“, so der Geschäfts­führer. Außer­dem, so Köchig mit Bezug auf die ange­blichen Inter­essen­ten in den „großen Autos”, sei es doch abso­lut unl­o­gisch, dass jemand schon weit über zwei Jahre vorher vor­beikommt, nur um sich das Gebäude von außen anzuse­hen, in dem er vielle­icht eine Woh­nung mieten kön­nte.

Darüber hin­aus ging Thomas Köchig auch detail­liert­er auf die Über­legun­gen hin­sichtlich der ange­sproch­enen Back­steinge­bäude in der Möwen­burgstraße 35–59 ein. Zu diesen gab es bei seinem Amt­santritt konkrete Verkauf­sak­tiv­itäten, die durch die neue Geschäfts­führung umge­hend gestoppt wur­den. Die Objek­te soll­ten im Bestand des kom­mu­nalen Unternehmens bleiben. Schnell wurde aber auch klar, dass ein „Weit­er so“ ohne grundle­gende bauliche Ertüch­ti­gun­gen nicht möglich sein wird. Der bauliche Zus­tand zwingt zum Han­deln. „Wer­den sie nicht mod­ernisiert, bleibt in eini­gen Jahren nur der Abriss. Dies ist für alle Beteiligten die schlecht­este Lösung.“

Ohne Mod­ernisierung bleibt für jede Immo­bilie irgend­wann nur der Abriss. Den will die WGS auf jeden Fall ver­hin­dern. (Sym­bol­bild)

Modernisierung alternativlos – Mietergespräche bereits geführt

Im konkreten Fall müssen beispiel­sweise alle Steig‑, Elektro‑, Abwasser­leitun­gen sowie die Bäder voll­ständig erneuert wer­den. Auch sind die Däch­er fak­tisch ohne jede Däm­mung und der gesamte Ausstat­tungszu­s­tand der Woh­nun­gen entspricht keines­falls mehr den heuti­gen Bedürfnis­sen und Anforderun­gen. Die mit enormem Lärm und Dreck sowie langfristi­gen Ein­schränkun­gen der Ver­sorgung ver­bun­de­nen Arbeit­en kann und will Köchig keinem Mieter zumuten. Ein Umzug in Ersatz­woh­nun­gen für die min­destens zwei­jährige Bauzeit wird daher erforder­lich sein. „Die WGS strebt ein­vernehm­liche Lösun­gen für Ersatz­woh­nun­gen oder den späteren Rück­zug an“, so Köchig weit­er.

Auch zu den Vor­wür­fen der anony­men Ver­fass­er hin­sichtlich ein­er bewusst „undurch­sichti­gen, ablehnen­den und auf Kon­fronta­tion aus­gerichteten“ Kom­mu­nika­tion nimmt der Geschäfts­führer deut­lich Stel­lung: „Die WGS set­zt sehr früh auf eine gemein­same Eini­gung mit den Mietern.“ Er verdeut­licht dies daran, dass es noch eine sehr frühe Pla­nungsphase der auf­grund der baulichen Sit­u­a­tion unumgänglichen Sanierungs- und Mod­ernisierungs­maß­nah­men ist. Denn derzeit ist noch nicht ein­mal ein Bauantrag gestellt. Dafür aber fan­den bere­its mit 43 der derzeit 46 Miet­parteien per­sön­liche Gespräche statt. „Drei Miet­parteien ver­weigern bish­er kat­e­gorisch jedes Gespräch“, so Köchig.

Neun Miet­parteien haben inzwis­chen ihr Inter­esse sig­nal­isiert, nach Ende der Maß­nah­men zurück­zuziehen. „Dem wird die WGS nachkom­men“, stellt Köchig ein­deutig klar. Acht von ihnen wün­schen sich allerd­ings verän­derte Grun­drisse. Auf­grund verän­dert­er Lebenssi­t­u­a­tion meist mit gerin­ger­er Wohn­fläche. Dies will die WGS „mit hoher Pri­or­ität“ ver­suchen umzuset­zen.

34 von 46 Mietparteien an Alternativen interessiert

34 der 43 gesprächs­bere­it­en Miet­parteien haben darüber hin­aus Inter­esse an anderen Woh­nun­gen der WGS sig­nal­isiert. Bei der Auswahl der Ange­bote wurde durch die WGS der jew­eils besproch­ene Miet­preiswun­sch berück­sichtigt. Dabei waren „bish­er alle Mieter bere­it, für eine mod­erne Woh­nung mit besser­er Ausstat­tung eine höhere Miete zu zahlen.“ Dort, wo die Plan­mi­ete der WGS nicht mit den Möglichkeit­en der Mieter übere­in­stimmt, erfol­gt „im Sinne des finanziellen Spiel­raums des Mieters“ eine Anpas­sung. Das bedeutet: Die WGS akzep­tiert dann auch gerin­gere Mieten als eigentlich real­isier­bar. Zudem unter­stützt sie alle entsprechend entsch­iede­nen Mieter beim tat­säch­lichen Umzug, der Umset­zung spezieller Ausstat­tungswün­sche und bietet auch darüber hin­aus Hil­fe an.

Sowohl in der schriftlichen Erk­lärung als auch im Tele­fonat unser­er Redak­tion mit dem Geschäfts­führer der Woh­nungs­ge­sellschaft Schw­erin mbH hat dieser damit klar Posi­tion gegenüber den bis­lang anony­men Vor­wür­fen bezo­gen. Es bleibt also abzuwarten, ob die Auseinan­der­set­zun­gen in eine weit­ere Runde gehen, in der vielle­icht auch die Kläger ihre Anonymität aufgeben. Köchig stellte  klar, dass er sich auch in diesem Fall offen und mit bestem Gewis­sen vor seine Mitar­bei­t­erin­nen und Mitar­beit­er stellen und die bish­eri­gen Schritte jed­erzeit kon­se­quent vertreten wird.

  • Stephan Haring

    Stephan Har­ing ist freier Mitar­beit­er unser­er dig­i­tal­en Tageszeitung. Er hat ein Bach­e­lor-Studi­um der Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Uni­ver­sität Erfurt mit den Neben­fäch­ern Sozial­wis­senschaften & Poli­tik absolviert. Im Nach­hinein arbeit­ete er in lei­t­en­den Funk­tio­nen der Presse- & Öffentlichkeit­sar­beit, im Leitungs­bere­ich eines Unternehmens sowie als Rek­tor ein­er pri­vat geführten Hochschule. Zudem entwick­elte, organ­isierte und real­isierte er mit der durch ihn entwick­el­ten LOOK ein Fash­ion­event in Schw­erin. Heute arbeit­et er freiberu­flich als Tex­ter, Press­esprech­er und Tex­tko­r­rek­tor sowie als Berater in ver­schiede­nen Pro­jek­ten. In einem Schw­er­iner Orts­beirat ist er zudem ehre­namtlich als Vor­sitzen­der kom­mu­nalpoli­tisch aktiv.

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