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Schwerin: Behinderte im Sommermuseum ausgegrenzt

Am ver­gan­genen Son­ntag eröffnete im Säu­lenge­bäude auf dem Schw­er­iner Mark­t­platz eine Som­mer­ausstel­lung. Nach­dem eine dort bis Mai ansäs­sige Gas­tronomie schließen musste, wur­den in kürzester Zeit eine Ausstel­lung zur Stadt­geschichte real­isiert.

  • Veröffentlicht August 22, 2019
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Besucheran­drang zur Eröff­nung des Som­mer­mu­se­ums Schw­erin – Behin­derte fühl(t)en sich aus­ge­gren­zt (Foto: LHS | Mareike Dies­tel)

Am ver­gan­genen Son­ntag eröffnete im Säu­lenge­bäude auf dem Schw­er­iner Mark­t­platz eine Som­mer­ausstel­lung. Nach­dem eine dort bis Mai ansäs­sige Gas­tronomie schließen musste, wur­den in kürzester Zeit eine Ausstel­lung zur Stadt­geschichte real­isiert. (schw­erin-lokal berichtete über die Ausstel­lung)

Vize-Oberbürgermeister begeistert

Die Stadtver­wal­tung hat­te zur Eröff­nung ein­ge­laden – und bere­its am ersten Tag kamen ca. 450 Besucherin­nen und Besuch­er in die für sechs Wochen geplante Som­mer­ausstel­lung.  Vize-Ober­bürg­er­meis­ter Bernd Not­te­baum zeigte sich run­dum begeis­tert: „Ich bin  über­wältigt von der großen Res­o­nanz der Schw­er­iner­in­nen und Schw­er­iner. Das Inter­esse an Stadt­geschichte ist in unser­er Stadt unge­brochen. Das zeigt die  sehr erfol­gre­ichen Stadt­geschicht­sausstel­lung in den Schw­er­iner Höfen. Und das zeigt  jet­zt auch das Som­mer­mu­se­um im Säu­lenge­bäude. Neben der Idee für diese Ausstel­lung war eine Menge Enthu­si­as­mus nötig, um das Pro­jekt in Reko­rdzeit umzuset­zen. Ich danke den 60 Ehre­namtlichen, die daran beteiligt sind“, so Not­te­baum.

Barrierefreier Zugang nicht möglich

Allerd­ings kon­nte sich die Begeis­terung nicht auf alle extra gekomme­nen Per­so­n­en über­tra­gen. Denn in die Freude über das enorme ehre­namtliche Engage­ment und die gelun­gene Ausstel­lung mit über 150 Exponat­en mis­chte sich auch Unmut. Unmut vor allem darüber, dass ein bar­ri­ere­freier Zugang eben­so wenig möglich war und ist, wie ein bar­ri­ere­freier Ausstel­lungs­be­such inner­halb des Gebäudes. In einem Face­book-Post äußerte sich die noch amtierende Vor­sitzende des Behin­derte­nauss­chuss­es, Ange­li­ka Stoof entsprechend verärg­ert. „Wieder ließ man heute zur Eröff­nung des Som­mer­mu­se­ums im Säu­lenge­bäude am Markt Men­schen mit Behin­derung im wahrsten Sinne des Wortes im Regen ste­hen. Der seitliche Lift, der schon sehr lange defekt ist, wurde nicht repari­ert.”

Ange­li­ka Stoof, amtierende Vor­sitzende des Behin­derten­beirates Schw­erin

Behinderte fühlen sich ausgegrenzt

Unsere Redak­tion fragte bei der Press­es­telle der Stadt nach. Dort hieß es, der Hin­weis sei in der Sache berechtigt, „die Kri­tik in der Schärfe allerd­ings nicht.” Es han­dele sich um ein zeitlich begren­ztes Pro­jekt, das allein durch ehre­namtlich­es Engage­ment zus­tande kam. Ein baulich­es Bud­get gab es nicht. In einem Gespräch mit Frau Stoof sei dies auch erläutert wor­den. Auf die Ver­wal­tungsar­gu­men­ta­tion ging Ange­li­ka Stoof inzwis­chen auch erneut deut­lich ein: „Ich finde es beschä­mend, dass die Ver­wal­tung nach all den Jahren noch nicht ver­standen hat, dass Men­schen mit Behin­derun­gen ein Recht darauf haben, am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen.” „So wollen auch Men­schen mit Hand­i­cap – so wie ich selb­st auch – mal ins Muse­um gehen, was ohne bar­ri­ere­freien Zugang jedoch nicht möglich ist. Die Aus­sage der Ver­wal­tung, dass man für eine 6‑wöchige-Ausstel­lung keine Möglichkeit hat die Bar­ri­ere­frei­heit sicherzustellen, gle­icht ein­er Ohrfeige. Es kann doch nicht so schw­er sein, einen vorhan­de­nen Lift zu repari­eren oder kurzfristig und unkom­pliziert eine Rampe am Säu­lenge­bäude zu erricht­en.“ Und Ange­li­ka Stoof fragt: „Wie mögen sich wohl die Ver­ant­wortlichen fühlen, wenn sie immer und immer wieder aus­ge­gren­zt wür­den?”

Verwaltung weist Schärfe der Kritik zurück

Die Ver­wal­tung lässt über die Press­esprecherin Michaela Chris­ten weit­er erk­lären, die Ausstel­lungs­mach­er hät­ten keine Möglichkeit gehabt, in der Kürze der Zeit eine Bar­ri­ere­frei­heit herzustellen. Auch der Stadt, der WGS und der LGE, die in ver­schiede­nen Rollen mit dem Objekt betraut sind, hät­ten diese Möglichkeit nicht gehabt. Fern­er wird darauf ver­wiesen, dass bere­its  2012 fest­gestellt wurde, dass eine Reparatur ohne­hin nicht mehr möglich sei. Eine neue Anlage würde laut dama­li­gen Ange­boten ca. 18.000 EURO kosten. Seit 2018 seien Stadt, Behin­derten­beirat und Denkmalpflege dabei, bar­ri­ere­freie Zugangsmöglichkeit­en zu disku­tieren. „Zudem wäre mit einem Trep­pen­lift oder ein­er Rampe nur das Erdgeschoss und nicht das ganze Gebäude bar­ri­ere­frei erre­ich­bar”, heißt es weit­er in der städtis­chen Argu­men­ta­tion.

Kurz gesagt, wäre die gefeierte Ausstel­lung also sowieso nur kurzzeit­ig im Objekt, der Lift für das Erdgeschoss des in städtis­chem Eigen­tum befind­lichen Gebäudes ohne­hin seit sieben Jahren irrepara­bel defekt, und selb­st wenn man bar­ri­ere­frei in das Objekt käme, wäre ein Zugang zum Ausstel­lung­steil im Obergeschoss sowieso nicht bar­ri­ere­frei möglich. Zudem rede man doch seit 2018 miteinan­der über das Zugang­sprob­lem. Ob das in der Sache sin­nvolle Argu­mente sind, darf jed­er für sich entschei­den. Und auch, ob die Kri­tik nicht doch berechtigt war – im Inhalt und eben auch in der Schärfe.

 

  • Stephan Haring

    Stephan Har­ing ist freier Mitar­beit­er unser­er dig­i­tal­en Tageszeitung. Er hat ein Bach­e­lor-Studi­um der Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Uni­ver­sität Erfurt mit den Neben­fäch­ern Sozial­wis­senschaften & Poli­tik absolviert. Im Nach­hinein arbeit­ete er in lei­t­en­den Funk­tio­nen der Presse- & Öffentlichkeit­sar­beit, im Leitungs­bere­ich eines Unternehmens sowie als Rek­tor ein­er pri­vat geführten Hochschule. Zudem entwick­elte, organ­isierte und real­isierte er mit der durch ihn entwick­el­ten LOOK ein Fash­ion­event in Schw­erin. Heute arbeit­et er freiberu­flich als Tex­ter, Press­esprech­er und Tex­tko­r­rek­tor sowie als Berater in ver­schiede­nen Pro­jek­ten. In einem Schw­er­iner Orts­beirat ist er zudem ehre­namtlich als Vor­sitzen­der kom­mu­nalpoli­tisch aktiv.

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