Übergewichtigkeit als Krankheit anerkennen:
Bundestagsabgeordnete im Gespräch mit der Schweriner Selbsthilfegruppe
Die Adipositas-Selbsthilfegruppe Schwerin traf sich mit der Bundestagsabgeordneten Simone Borchardt, um über die Herausforderungen von Übergewichtigen und die dringend notwendige Unterstützung durch Politik und Krankenkassen zu sprechen.
Die Adipositas-Selbsthilfegruppe Schwerin diskutierte am gestrigen Dienstag mit der Bundestagsabgeordneten Simone Borchardt (CDU) über die Herausforderungen, mit denen stark übergewichtige Menschen konfrontiert sind. Schwerpunkte des Gesprächs waren die medizinische Versorgung, die gesellschaftliche Akzeptanz und die dringend notwendige Unterstützung durch die Politik. Die Selbsthilfegruppe hatte die Bundestagsabgeordnete eingeladen. Borchardt, die viele Jahre in verschiedenen Führungspositionen bei einer Krankenkasse und zuletzt als Geschäftsbereichsleiterin Pflege bei einem sozialen Träger gearbeitet hat, nahm die Einladung zum Gespräch gerne an.
Der Gründer der Selbsthilfegruppe, Rajko Sy, schilderte anfangs der Bundestagsabgeordneten seine persönliche Geschichte. Geboren 1971 in Schwerin, ist Sy verheiratet, Vater von drei Kindern und arbeitet als Fahrer in einer Reha-Klinik. Seine Gewichtsprobleme entstanden nach einem schweren Verkehrsunfall, gefolgt von Depressionen und unkontrollierten Essattacken. Nach langjähriger Auseinandersetzung mit seinem Zustand und den damit verbundenen gesundheitlichen Folgen ließ er sich im Oktober 2020 als erster Patient in den Helios Kliniken Schwerin einer Schlauchmagen-Operation unterziehen. Der Wunsch, diesen Eingriff vorzunehmen, reifte bei ihm über acht Jahre, in denen er auch seine Depressionen behandeln ließ. „Diese Operation hat mir geholfen, ein neues Leben zu beginnen“, betonte Sy.
Die Selbsthilfegruppe bietet Betroffenen in der Region eine wichtige Plattform. Zu ihren Zielen zählen offene Gruppengespräche, der Erfahrungsaustausch, auch über chirurgische Maßnahmen, und die Unterstützung im Umgang mit Kostenträgern wie Krankenkassen. Daneben organisiert die Gruppe Vorträge von Ärzten und Therapeuten sowie gemeinsame sportliche Aktivitäten. Rajko Sy betont, dass alle Betroffenen willkommen sind, unabhängig davon, ob sie eine Therapie oder eine chirurgische Behandlung anstreben.
Übergewicht endlich als schwere Krankheit anerkennen
Im Gespräch mit Simone Borchardt machten die Gesprächspartner der Selbsthilfegruppe deutlich, dass Adipositas als schwere Krankheit anerkannt werden muss. Viele Menschen, die an krankhaftem Übergewicht leiden, haben bereits eine lange Leidensgeschichte hinter sich, geprägt von Diäten und immer wiederkehrenden Gewichtszunahmen. Sy schildert im Gespräch, dass viele Betroffene Schwierigkeiten haben, ihr Gewichtsproblem anzuerkennen, und oft das Gefühl haben, allein mit ihrer Herausforderung zu stehen. „Krankhaftes Übergewicht muss jedoch kein Schicksal sein – es gibt Möglichkeiten zur Hilfe“, so das Fazit. In den vergangenen Jahren konnten sie bereits viele Menschen auf ihrem Weg begleiten und ihnen Mut machen.
Krankenkassen sollen auch Folgebehandlungen übernehmen
Wichtig sei dabei auch die politische Unterstützung, insbesondere bei der Anerkennung und Finanzierung von Folgebehandlungen. Immer noch sei es eine große Hürde, das Wiederherstellungsoperationen, wie etwa Hautstraftungen nach einer Gewichtsabnahme, von den Krankenkassen übernommen werden. Der oft enorme Hautüberschuss nach einer Gewichtsreduktion ist für viele Betroffene nicht nur eine ästhetische Frage, sondern beeinträchtigt auch die Lebensqualität erheblich. „Viele Menschen trauen sich diesen Schritt nicht zu, weil sie wissen, dass sie danach mit den Folgekosten der Operation allein dastehen“, schildert Sy der Bundestagsabgeordneten. Der Gründer der Adipositas-Selbsthilfegruppe wünscht sich deshalb, dass Hautstraffungsoperationen nach einer Gewichtsreduktion von den Krankenkassen als medizinisch notwendig anerkannt werden. Solche Eingriffe werden derzeit oft als Schönheitsoperationen bewertet und von den Krankenkassen nicht bezahlt.
Simone Borchardt äußerte Verständnis für die Anliegen der Gruppe. „Die Krankenkassen scheuen die Kosten, aber langfristig gesehen wäre es für das Gesundheitssystem günstiger, künftig umfassende Hilfen anzubieten“, so die CDU-Bundestagsabgeordnete. „Adipositas muss als Krankheit ernst genommen werden“, betonte die CDU-Politikerin im Gespräch. „Wir müssen den Betroffenen die notwendige Unterstützung bieten, sowohl präventiv als auch im Krankheitsverlauf“, so Borchardt. Sie versprach, den Austausch fortzusetzen und sich für die Belange der Betroffenen in der Politik stark zu machen.
Nicht nur gesundheitliche Aspekte berücksichtigen
Der Austausch machte deutlich, dass es nicht nur um die gesundheitlichen Aspekte geht, sondern auch um psychologische Unterstützung. Viele Betroffene leiden unter den gesellschaftlichen Erwartungen und der Stigmatisierung. Eine Teilnehmerin berichtete von ihrer schwierigen Erfahrung mit Ärzten, die ihre Probleme lediglich auf psychische Ursachen reduzierten, ohne die körperlichen Belastungen ausreichend zu berücksichtigen.
Die Adipositas-Selbsthilfegruppe Schwerin, die seit vier Jahren besteht, setzt sich aktiv für eine bessere Unterstützung von Betroffenen ein. Ihr Ziel ist es, Betroffenen aufzuzeigen, dass sie verschiedene Wege zur Gewichtsreduktion einschlagen können, sei es durch Ernährungsumstellung, Sport oder chirurgische Eingriffe. Gemeinsam arbeiten sie daran, die Lebensqualität von Menschen mit Adipositas nachhaltig zu verbessern.
Gruppenabende der Adipositas Selbsthilfegruppe Schwerin
Die Selbsthilfegruppe trifft sich jeden ersten Freitag im Monat um 18 Uhr. Aktuelle Termine und Informationen finden Sie auf der Website https://shg-new-live.jimdosite.com/
Das nächste Treffen findet am 04.10.2024 statt.