Fr, 19. April 2024
Close

Sozial und Kollektiv: die Zukunft der Online-Communities

Menschen sind soziale Wesen, das ist allgemein bekannt. Wir tun uns besonders gern mit Gleichgesinnten zusammen, die unsere Leidenschaften und Vorlieben teilen. Doch auch der Blick über den Tellerrand gehört

  • Veröffentlicht April 1, 2021

Menschen sind soziale Wesen, das ist allgemein bekannt. Wir tun uns besonders gern mit Gleichgesinnten zusammen, die unsere Leidenschaften und Vorlieben teilen. Doch auch der Blick über den Tellerrand gehört für viele zum Leben dazu: die Fühler in eine andere Richtung ausstrecken, neues Terrain für sich erobern. Beides ist nicht nur analog, sondern auch virtuell möglich – die Möglichkeiten sind vielfältig wie nie. Wer früher beispielsweise einen Austausch mit anderen Hobby-Fotografen pflegen wollte, musste zuerst eine entsprechende Zeitungsanzeige aufgeben oder Aushänge an einschlägigen schwarzen Brettern erstellen. Danach telefonierte man miteinander, vereinbarte persönliche Treffen, etablierte eine Art Stammtisch und zog vielleicht auch gemeinsam los, um die Welt aus Fotografenaugen zu sehen. Dieser Weg steht zwar weiterhin offen, gilt jedoch als derart antiquiert und kompliziert, dass ihn (fast) niemand mehr einschlägt.

Die Fotocommunity als Beispiel für digitale Interessensgruppen

Die Abkürzung führt über das Internet: Seit nunmehr 20 Jahren existiert nun schon das bekannte Webportal fotocommunity.de, das Hobby-Knipser und erfahrene Fotografen, Künstler und Fotomodelle auf einer Plattform zusammenbringt. Etwa 30 Millionen Fotos sind in der Community zu bewundern, hinzukommen ungefähr 220 Millionen Bildkommentare. Der Austausch ist rege, die fotografische Vielfalt unübersehbar. Die User geben sich Tipps für Verbesserungen und inspirieren sich gegenseitig. Die Fotocommunity lässt sich problemlos auch als Einstieg in die Welt der Fotografie nutzen, um erste handwerkliche Regeln zu erlernen und vielleicht sogar den einen oder anderen persönlichen Mentor für sich zu gewinnen. Ebenso können alte Hasen im Verbund mit anderen geübten Fotografen weiter an ihrem Talent feilen und es zur Perfektion bringen. So sieht eine vielfältige, lebendige Community unserer Zeit aus, mit immer neuen Kontakt- und Inspirationsmöglichkeiten.

Thematische Gruppenbildung auch in sozialen Netzwerken möglich

Weniger spezifisch erscheinen zunächst die bekannten sozialen Netzwerke wie Facebook und Instagram. Dort tummelt sich wirklich „alles und jeder“, um seine individuellen Neigungen auszuleben, im Versuch, Aufmerksamkeit zu erhaschen. Bei näherem Hinsehen jedoch werden besonders auf Facebook geschlossene Interessensgruppen, enge Communitys mit thematischen Schwerpunkten sichtbar.

Auf FB treffen sich Gleichgesinnte in Gruppen, dazu gehört beispielsweise die private „Bücherwürmer“-Gruppe mit ihrem fast 45.000 Mitgliedern. Die Sucht nach Lesestoff steht hier ganz klar im Mittelpunkt, bei den meisten Mitgliedern türmen sich die Bücher in den Regalen und es kommen immer wieder neue hinzu. Fast jeder besitzt einen sogenannten „SUB“, einen Stapel ungelesener Bücher, der sich tendenziell eher vergrößert als verkleinert. An diesem Beispiel ist abzulesen, dass sich innerhalb der verschiedenen Communitys teilweise sogar eigener „Fachjargon“ entwickelt, mit dem man sich nach außen abgrenzt und inneren Zusammenhalt schafft. Viele Mitglieder zählen sich schon seit vielen Jahren zu den FB-Bücherwürmern, innerhalb der Community kommt es zu Cliquenbildung und manchmal ergeben sich sogar Freundschaften im realen Leben.

Themenspektrum im Netz spiegelt menschliche Vielfalt wieder

Die Interessensgebiete der Menschheit sind so breitgestreut, dass niemand sie vollständig überblicken kann. Neben Fotos und Büchern ist es zum Beispiel auch die Welt der Spiele, die zahlreiche Fans anlockt und zu einschlägiger Gruppenbildung führt. Das Online-Spieleangebot wiederum gliedert sich in viele verschiedene Bereiche, von denen keiner wie der andere ist. Gamer jedoch tummeln sich normalerweise nicht allein in einer einzigen Sparte, sondern sie betreiben oftmals ein gewisses Themen-Hopping. Dabei gerät auch immer wieder die Faszination für Sportwetten ins Blickfeld, die heute normalerweise digital getätigt werden. Dazu passend halten virtuelle Portale zahlreiche Gruppen und Foren bereit, die es den Teilnehmern ermöglichen, Tipps auszutauschen, Strategien zu diskutieren und verschiedene Plattformen zum Online Wetten zu vergleichen. Das Ergebnis ist eine Subkultur, die sich ohne Weiteres auch in einem dedizierten Netzwerk zusammenschließen könnte.

Neben den Gruppen gibt es immer verschiedene Untergruppen

Andere Spiele-Topics wie zum Beispiel e-Sport-Turniere oder Gaming auf der Playstation sind mindestens ebenso großflächig im Internet vertreten. Während die einen ihre Karriere als Profi-Gamer planen, sich über die anstehenden Wettbewerbe informieren und schon einmal frühzeitig die Konkurrenz ins Auge fassen, erfreuen sich die anderen gemeinsam an ihrer favorisierten Spielkonsole und deren Funktionen. So ist es auf jedem einzelnen Interessensgebiet: Es gibt neben den Gruppen immer auch Untergruppen, kein Gamer ist wie der andere, ebenso, wie nicht jeder Bücherwurm an allen Büchern interessiert ist, die es auf dem Markt gibt. Eine derartige Spezifität wäre im realen Leben nur begrenzt möglich, zum Beispiel im Rahmen eines Krimi-Stammtischs oder gemeinsamen Landschafts-Shootings.

Clubhouse: die neue Art, soziale Communities zu leben?

Das neueste Social Network setzt allein auf verbalen Austausch; Bilder und Schrift fallen vollkommen weg. Auch das Teilen und Liken, das wir von so vielen Plattformen kennen, ist bei Clubhouse nicht nötig, stattdessen lauschen die Teilnehmer dem Redner auf der virtuellen Bühne und heben per Knopfdruck „die Hand“, wenn sie dem Gespräch etwas beizutragen haben. Derzeit haben ausschließlich Nutzer von iOS-Geräten Zutritt zu den geheimnisumwitterten Räumen, und das auch nicht „einfach so“. Noch immer muss eine Einladung aus den heiligen Hallen her, um sich zur Clubhouse-Community zu gesellen. Verschiedene Stars und Sternchen sind selbstverständlich bereits mit an Bord, nicht nur aus Hollywood, sondern auch aus dem deutschen Show-Geschäft. Alt-Moderator Thomas Gottschalk macht bereits als großer Wortführer von sich reden und sorgt dafür, dass die eine oder andere Diskussion über die Clubhouse-Grenzen hinaus brandet.

Gruppenbildung gehört bei Clubhouse zum Kern des Konzepts

Eines ist auch bei dieser nagelneuen App nicht nur möglich, sondern absolut erwünscht: die Gruppenbildung. Jeder kann im Clubhouse seinen eigenen Raum eröffnen, mit individuellem thematischem Schwerpunkt. Auch hier gilt wieder das Prinzip: Alles ist möglich. Wer über Bücher reden möchte, der redet über Bücher. Wer das Thema Gaming bevorzugt, der widmet sich diesem Bereich. Auch politische Diskussionen, Sportgespräche oder einfach nur Klatsch und Tratsch sind mit drin. Nach der Raumeröffnung gilt es, im nächsten Schritt Teilnehmer zu sammeln, entweder per persönlicher Einladung oder indem man jeden aufnimmt, der will. Wenn genügend Menschen beisammen sind, eröffnet der Moderator das Gespräch – und der Austausch kann beginnen.

Manche Gruppen treffen sich in derselben oder ähnlichen Zusammensetzung immer wieder, andere haben nur kurzzeitig bestand. Viele sind darauf ausgelegt, mit der Zeit zu wachsen und größere Communities zu werden, die wahrscheinlich viele Jahre überdauern. Einige Mitglieder richten bereits ihre eigenen digitalen „Radiostationen“ ein: Sie betätigen sich (fast) ausschließlich als Sender und bedienen dabei natürlich die Themen, die sie am meisten interessieren. Alles in allem zeigt sich auch im Clubhouse die große Vielfalt der Online-Communities, es handelt sich um eine akustische Fortsetzung des Altbekannten.

Wie sieht die Zukunft der digitalen Gruppenbildung aus?

Ohne Frage ist die digitale Gruppenbildung noch längst nicht am Ende aller Möglichkeiten. Bei Clubhouse erleben wir nur eine etwas andere, spezifischere Ausprägung, die sich auf den Hörsinn fokussiert. Die Zukunft jedoch spricht alle Sinne an, die Menschen tauchen immer tiefer ein ins digitale Netz. Augmented und Virtual Reality lauern schon seit Langem hinter den Kulissen, sie warten auf ihren endgültigen Durchbruch auch im Community-Bereich. Ein persönliches Treffen zwischen Menschen aus aller Welt, ohne dass irgendjemand der Teilnehmer seine Wohnung verlassen muss? Das ist jetzt schon per Videokonferenz möglich, aber mittels Augmented Reality würde daraus ein authentisches Live-Erlebnis. Personen, die als Hologramm auf der heimischen Couch erscheinen, auf dem Schoß einen Stapel neuester Bücher oder die Kamera-Ausrüstung, so sieht mit großer Wahrscheinlichkeit die Zukunft aus!

Wir werden die digitale Zweidimensionalität verlassen und statt flacher Displays ganze virtuelle Räume erobern. Hinzu kommt der Tastsinn, der auf dem Gaming-Sektor bereits über den Controller angesprochen wird. Handschuhe mit Sensoren wären der nächste Schritt, um uns auf Tausenden Kilometern Entfernung die Hand zu reichen oder digitale Gegenstände zu betasten. Ein Gruppentreffen ist spätestens dann wieder ein echtes Gruppentreffen mit lebendigen menschlichen Gesichtern, Stimmen und Gefühlen. Nur eben etwas anders als zuvor.

Digitale Communities bleiben weiter nur Ergänzung zum „echten Leben“

Wir sind uns sicher: Auch das normale analoge Leben kehrt eines Tages zu uns zurück. Wer lieber Hände aus echtem Fleisch und Blut schüttelt, der wird auch das wieder tun können, nur eben mit virtueller Zusatzoption. Treffen von Gleichgesinnten sind nicht auf eine der beiden Welten beschränkt, es wird immer ein fließendes hin und her geben. So lassen sich Reichweiten erweitern und Erfahrungen mehren, und zwar für alle, egal, wo die persönlichen Interessen liegen.

Written By
Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert