Zwischen Anspruch und Realität:
Warum Schwerins geplantes Fahrradparkhaus Streit entfacht
Ein geplantes Fahrradparkhaus am Schweriner Hauptbahnhof sorgt für Diskussionen: Der Steuerzahlerbund kritisiert Kosten, Lage und Konzept – der Radentscheid Schwerin verteidigt das Projekt als wichtigen Beitrag zur Verkehrswende.

Foto: Rimpel Leifels Architekten
Schwerin hat ein großes Parkproblem: Dabei geht es nicht um Autos, sondern um Fahrräder, die am und rund um den Hauptbahnhof abgestellt werden. Seit Jahren herrscht dort Platznot. Fahrräder stehen hier dicht an dicht. Wer in den Stoßzeiten mit dem Rad kommt, findet oft keinen freien Bügel mehr. Laternenmasten, Schilder und Geländer dienen längst als Notlösungen.
Die Stadt sieht sich unter Handlungsdruck. In ihrem Verkehrskonzept aus dem Jahr 1998 war bereits ein Fahrradparkhaus vorgesehen – damals eine Zukunftsidee, heute Teil der Klimaschutzstrategie. Nun soll sie endlich umgesetzt werden.
Finanziell wäre das Parkhaus ohne Zuschüsse kaum machbar. Insgesamt 3,2 Millionen Euro netto sollen Bau und Ausstattung kosten. Der Löwenanteil stammt aus EU-Töpfen und Mitteln der Metropolregion Hamburg. Für die Stadt bleibt ein vergleichsweise kleiner Eigenanteil von 240.000 Euro.
Steuerzahlerbund bemängelt Lage, Konzept und Wirtschaftlichkeit
Doch im aktuellen „Schwarzbuch” des Bundes der Steuerzahler (BdSt) wird das Projekt kritisch gesehen. Der Steuerzahlerbund kritisiert das Projekt scharf und verweist auf eine ganze Reihe von Schwachstellen.
Zwar liege der Standort nur rund hundert Meter Luftlinie vom Schweriner Hauptbahnhof entfernt, doch in der Praxis sei die Erreichbarkeit stark eingeschränkt. Das geplante Gebäude befinde sich in einer engen Seitenstraße, die als Einbahnstraße geführt und teilweise mit grobem Kopfsteinpflaster versehen sei – für den Radverkehr aus der Gegenrichtung also kaum geeignet.
Aus Sicht des Steuerzahlerbundes fehle zudem die Einbindung des Parkhauses in ein schlüssiges Gesamtkonzept für den Radverkehr rund um den Bahnhof. Gerade dort sei die Situation für Radfahrer problematisch: Es gebe keine durchgehenden Radwege, viele Strecken verliefen parallel zu Straßenbahnschienen, und immer wieder komme es zu Unfällen.
Auch die finanziellen Dimensionen sieht der Verband kritisch. Mit einem Nettopreis von 3,2 Millionen Euro bewege sich das Projekt in einer Größenordnung, die sonst eher für Autoparkhäuser üblich sei – diese ließen sich allerdings deutlich wirtschaftlicher betreiben. Selbst in klassischen Fahrradstädten wie Greifswald seien ähnliche Anlagen nach Angaben des BdSt kaum kostendeckend, die Auslastung bleibe weit hinter den Erwartungen.
Zwar verweise die Stadt auf den öffentlichen Auftrag zur Bereitstellung von Infrastruktur und auf die gesetzliche Pflicht zum Klimaschutz, doch nach Auffassung des Steuerzahlerbundes dürften auch solche Ziele nicht jeden Mitteleinsatz rechtfertigen. Günstigere Alternativen – etwa zusätzliche Fahrradbügel in direkter Bahnhofsnähe – seien nicht geprüft worden.
Nach Erfahrung des BdSt bevorzugten Radfahrende jedoch kurze Wege und spontane Abstellmöglichkeiten; die Zahl derjenigen, die bereit seien, ihr Fahrrad in einem kostenpflichtigen Parkhaus unterzubringen, sei vergleichsweise gering. Selbst die geplante Verleihstation ändere daran wenig: Für Bahnreisende könne sie zwar interessant sein, doch Touristen, die vom Auto aufs Leihrad umsteigen möchten, müssten künftig längere Wege in Kauf nehmen – zumal auch die Parkplatzsituation für Autos rund um den Bahnhof bereits heute angespannt sei.
Ein weiteres Problem: den Betrieb will niemand übernehmen. Auf eine Ausschreibung meldete sich kein externer Anbieter. Nun soll das städtische Verkehrsunternehmen NVS das Parkhaus bewirtschaften. Der NVS betreibt Busse, Bahnen und bereits einen kleinen Fahrradverleih. Dessen Station wird künftig in das neue Gebäude umziehen.
Doch der Businessplan des Unternehmens fällt ernüchternd aus: Allein durch Mieteinnahmen sei ein kostendeckender Betrieb nicht möglich. Auch in Kombination mit dem Verleih bleibe das Haus ein Zuschussgeschäft. Trotzdem will die Stadt an dem Konzept festhalten. Mobilität sei Teil der Daseinsvorsorge, ist immer wieder zu hören. Man dürfe solche Projekte nicht rein betriebswirtschaftlich betrachten.
Radentscheid Schwerin attestiert Steuerzahlerbund „Ahnungslosigkeit”
Das sieht auch der Radentscheid Schwerin so. In einer Pressemitteilung attestiert die parteiübergreifende Bürgerinitiative dem Steuerzahlerbund eine „gewisse Ahnungslosigkeit”. Wer sein Rad tagsüber oder sogar über Nacht unbeaufsichtigt am Bahnhof lassen soll, entscheide sich meistens dagegen. Für immer „teurere Räder” werde eine abschließbare Möglichkeit dringend gebraucht.
In vielen Städten, auch kleineren, so das Argument des Radentscheids, seien abschließbare Möglichkeiten längst ein „selbstverständliches Angebot”. Das geplante Parkhaus für Fahrräder ist für die Bürgerinitiative das „Bindeglied zwischen ÖPNV und dem Fahrrad”. Die Initiative beruft sich dabei auf eine Studie der Technischen Universität München. Jeder Euro, so die Studie, die in den öffentlichen Nahverkehr investiert werde, bringe der Volkswirtschaft das Dreifache zurück. Damit, so schlussfolgert der Radentscheid Schwerin, sei das Fahrradparkhaus „per se wirtschaftlich”.
Offensichtlich würde in der Frage mit „zweierlei Maß” gemessen. Die Bürgerinitiative beruft ich hier auf die Diskussion rund um die „Nordumgehung Schwerin”. Hier seien am Anfang 33 Millionen Euro für den Bau veranschlagt worden. Inzwischen liege die Schätzung bei 80 Millionen Euro. „Die Aufregung um ein vergleichsweise kleines Fahrradparkhaus für 3,2 Millionen Euro wirkt verglichen mit dem teuren Straßenbauprojekt überzogen”. Es entstehe der Eindruck, dass gezielt ein „klimafreundliches Projekt skandalisiert wird”.



