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Zwischen Anspruch und Realität:
Warum Schwerins geplantes Fahrradparkhaus Streit entfacht

Ein geplantes Fahrradparkhaus am Schweriner Hauptbahnhof sorgt für Diskussionen: Der Steuerzahlerbund kritisiert Kosten, Lage und Konzept – der Radentscheid Schwerin verteidigt das Projekt als wichtigen Beitrag zur Verkehrswende.

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  • Veröffentlicht Oktober 6, 2025
Fahrradparkhaus Schwerin
So soll der Ein­gangs­bere­ich der Mobil­itätssta­tion (links) und die Fahrradreparatur- und Ver­leih­sta­tion ein­mal ausse­hen.
Foto: Rimpel Leifels Architek­ten

 

Schw­erin hat ein großes Parkprob­lem: Dabei geht es nicht um Autos, son­dern um Fahrräder, die am und rund um den Haupt­bahn­hof abgestellt wer­den. Seit Jahren herrscht dort Platznot. Fahrräder ste­hen hier dicht an dicht. Wer in den Stoßzeit­en mit dem Rad kommt, find­et oft keinen freien Bügel mehr. Lat­er­nen­mas­ten, Schilder und Gelän­der dienen längst als Notlö­sun­gen.

Die Stadt sieht sich unter Hand­lungs­druck. In ihrem Verkehrskonzept aus dem Jahr 1998 war bere­its ein Fahrrad­parkhaus vorge­se­hen – damals eine Zukun­ft­sidee, heute Teil der Kli­maschutzs­trate­gie. Nun soll sie endlich umge­set­zt wer­den.

Finanziell wäre das Parkhaus ohne Zuschüsse kaum mach­bar. Ins­ge­samt 3,2 Mil­lio­nen Euro net­to sollen Bau und Ausstat­tung kosten. Der Löwenan­teil stammt aus EU-Töpfen und Mit­teln der Metropol­re­gion Ham­burg. Für die Stadt bleibt ein ver­gle­ich­sweise klein­er Eigenan­teil von 240.000 Euro.

Steuerzahlerbund bemängelt Lage, Konzept und Wirtschaftlichkeit

Doch im aktuellen „Schwarzbuch” des Bun­des der Steuerzahler (BdSt) wird das Pro­jekt kri­tisch gese­hen. Der Steuerzahler­bund kri­tisiert das Pro­jekt scharf und ver­weist auf eine ganze Rei­he von Schwach­stellen.

Zwar liege der Stan­dort nur rund hun­dert Meter Luftlin­ie vom Schw­er­iner Haupt­bahn­hof ent­fer­nt, doch in der Prax­is sei die Erre­ich­barkeit stark eingeschränkt. Das geplante Gebäude befinde sich in ein­er engen Seit­en­straße, die als Ein­bahn­straße geführt und teil­weise mit grobem Kopf­steinpflaster verse­hen sei – für den Rad­verkehr aus der Gegen­rich­tung also kaum geeignet.

Aus Sicht des Steuerzahler­bun­des fehle zudem die Ein­bindung des Parkhaus­es in ein schlüs­siges Gesamtkonzept für den Rad­verkehr rund um den Bahn­hof. Ger­ade dort sei die Sit­u­a­tion für Rad­fahrer prob­lema­tisch: Es gebe keine durchge­hen­den Rad­wege, viele Streck­en ver­liefen par­al­lel zu Straßen­bahn­schienen, und immer wieder komme es zu Unfällen.

Auch die finanziellen Dimen­sio­nen sieht der Ver­band kri­tisch. Mit einem Net­to­preis von 3,2 Mil­lio­nen Euro bewege sich das Pro­jekt in ein­er Größenord­nung, die son­st eher für Autoparkhäuser üblich sei – diese ließen sich allerd­ings deut­lich wirtschaftlich­er betreiben. Selb­st in klas­sis­chen Fahrrad­städten wie Greif­swald seien ähn­liche Anla­gen nach Angaben des BdSt kaum kos­ten­deck­end, die Aus­las­tung bleibe weit hin­ter den Erwartun­gen.

Zwar ver­weise die Stadt auf den öffentlichen Auf­trag zur Bere­it­stel­lung von Infra­struk­tur und auf die geset­zliche Pflicht zum Kli­maschutz, doch nach Auf­fas­sung des Steuerzahler­bun­des dürften auch solche Ziele nicht jeden Mit­telein­satz recht­fer­ti­gen. Gün­stigere Alter­na­tiv­en – etwa zusät­zliche Fahrrad­bügel in direk­ter Bahn­hof­s­nähe – seien nicht geprüft wor­den.

Nach Erfahrung des BdSt bevorzugten Rad­fahrende jedoch kurze Wege und spon­tane Abstellmöglichkeit­en; die Zahl der­jeni­gen, die bere­it seien, ihr Fahrrad in einem kostenpflichti­gen Parkhaus unterzubrin­gen, sei ver­gle­ich­sweise ger­ing. Selb­st die geplante Ver­leih­sta­tion ändere daran wenig: Für Bah­n­reisende könne sie zwar inter­es­sant sein, doch Touris­ten, die vom Auto aufs Leihrad umsteigen möcht­en, müssten kün­ftig län­gere Wege in Kauf nehmen – zumal auch die Park­platzsi­t­u­a­tion für Autos rund um den Bahn­hof bere­its heute anges­pan­nt sei.

Ein weit­eres Prob­lem: den Betrieb will nie­mand übernehmen. Auf eine Auss­chrei­bung meldete sich kein extern­er Anbi­eter. Nun soll das städtis­che Verkehrsun­ternehmen NVS das Parkhaus bewirtschaften. Der NVS betreibt Busse, Bah­nen und bere­its einen kleinen Fahrrad­ver­leih. Dessen Sta­tion wird kün­ftig in das neue Gebäude umziehen.

Doch der Busi­ness­plan des Unternehmens fällt ernüchternd aus: Allein durch Mietein­nah­men sei ein kos­ten­deck­ender Betrieb nicht möglich. Auch in Kom­bi­na­tion mit dem Ver­leih bleibe das Haus ein Zuschuss­geschäft. Trotz­dem will die Stadt an dem Konzept fes­thal­ten. Mobil­ität sei Teil der Daseinsvor­sorge, ist immer wieder zu hören. Man dürfe solche Pro­jek­te nicht rein betrieb­swirtschaftlich betra­cht­en.

Radentscheid Schwerin attestiert Steuerzahlerbund „Ahnungslosigkeit”

Das sieht auch der Radentscheid Schw­erin so. In ein­er Pressemit­teilung attestiert die parteiüber­greifende Bürg­erini­tia­tive dem Steuerzahler­bund eine „gewisse Ahnungslosigkeit”. Wer sein Rad tagsüber oder sog­ar über Nacht unbeauf­sichtigt am Bahn­hof lassen soll, entschei­de sich meis­tens dage­gen. Für immer „teurere Räder” werde eine abschließbare Möglichkeit drin­gend gebraucht.

In vie­len Städten, auch kleineren, so das Argu­ment des Radentschei­ds, seien abschließbare Möglichkeit­en längst ein „selb­stver­ständlich­es Ange­bot”. Das geplante Parkhaus für Fahrräder ist für die Bürg­erini­tia­tive das „Bindeglied zwis­chen ÖPNV und dem Fahrrad”. Die Ini­tia­tive beruft sich dabei auf eine Studie der Tech­nis­chen Uni­ver­sität München. Jed­er Euro, so die Studie, die in den öffentlichen Nahverkehr investiert werde, bringe der Volk­swirtschaft das Dreifache zurück. Damit, so schlussfol­gert der Radentscheid Schw­erin, sei das Fahrrad­parkhaus „per se wirtschaftlich”.

Offen­sichtlich würde in der Frage mit „zweier­lei Maß” gemessen. Die Bürg­erini­tia­tive beruft ich hier auf die Diskus­sion rund um die „Nor­dumge­hung Schw­erin”. Hier seien am Anfang 33 Mil­lio­nen Euro für den Bau ver­an­schlagt wor­den. Inzwis­chen liege die Schätzung bei 80 Mil­lio­nen Euro. „Die Aufre­gung um ein ver­gle­ich­sweise kleines Fahrrad­parkhaus für 3,2 Mil­lio­nen Euro wirkt ver­glichen mit dem teuren Straßen­baupro­jekt über­zo­gen”. Es entste­he der Ein­druck, dass gezielt ein „kli­mafre­undlich­es Pro­jekt skan­dal­isiert wird”.