Mi, 9. Juli 2025
Close

Fast ein Jahr Welterbe:
Welterbe-Titel als Wirtschaftsfaktor? Schwerin zieht erste Bilanz

Ein Jahr nach der Ernennung zum UNESCO-Welterbe zieht Schwerin Bilanz: Der Titel bringt Aufmerksamkeit und Potenzial – doch wirtschaftliche Effekte zeigen sich bislang nur punktuell.

Avatar-Foto
  • Veröffentlicht Juli 2, 2025
UNESCO-Welterbe Schwerin
Foto: Carsten Ste­gerEigenes Werk, CC BY-SA 4.0, Link

Seit dem 27. Juli trägt das Res­i­den­zensem­ble Schw­erin offiziell den Titel UNESCO-Weltkul­turerbe. Die Ausze­ich­nung gilt als kul­turelle Adelung und als Chance, inter­na­tion­al stärk­er wahrgenom­men zu wer­den. Doch was hat sich seit­dem in der Lan­deshaupt­stadt Meck­len­burg-Vor­pom­merns tat­säch­lich verän­dert? Die Frak­tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN/Die PARTEI wollte es genau wis­sen und stellte dem Ober­bürg­er­meis­ter Rico Baden­schi­er (SPD) eine umfassende Anfrage zu den wirtschaftlichen Auswirkun­gen des Wel­ter­beti­tels. Die Antworten zeigen: Der Titel ent­fal­tet Wirkung – aber er erset­zt keine aktive Touris­musstrate­gie.

Tourismus im Aufwind – aber nicht allein durch UNESCO-Titel

Die touris­tis­chen Kenn­zahlen für das Jahr 2024 zeigen eine pos­i­tive Entwick­lung: Laut Sta­tis­tis­chem Lan­desamt stiegen die Ankün­fte in Schw­erin um 17,8 Prozent, die Über­nach­tun­gen sog­ar um 19,4 Prozent gegenüber dem Vor­jahr. Der Anteil aus­ländis­ch­er Gäste wuchs leicht auf 7,5 Prozent. Beson­ders das Schloss­mu­se­um – Herzstück des Res­i­den­zensem­bles – verze­ich­nete ein deut­lich­es Plus: Von 205.760 Besuch­ern im Jahr 2023 klet­terte die Zahl 2024 auf 241.832. Auch bei Stadt­führun­gen war ein Zuwachs sicht­bar – hier stiegen die Teil­nehmerzahlen um über 34 Prozent.

Die Ver­wal­tung ver­weist jedoch darauf, dass diese Entwick­lung nicht auss­chließlich auf den Wel­terbesta­tus zurück­zuführen sei. Großereignisse wie die Feier­lichkeit­en zum Tag der Deutschen Ein­heit oder die Wieder­eröff­nung des ehe­ma­li­gen NH-Hotels (heute Court­yard by Mar­riott) hät­ten eben­falls maßge­blich zur Besuch­er­steigerung beige­tra­gen.

Mar­ti­na Müller, Geschäfts­führerin des Stadt­mar­ket­ings, teilt diese Ein­schätzung: „Der UNESCO-Titel ist kein Sofort-Tur­bo, son­dern eine langfristige Chance. Er schafft Aufmerk­samkeit und Inter­esse – aber er muss auch mit Inhal­ten gefüllt wer­den.“

Wirtschaftlicher Nutzen: Schwer messbar, aber vorhanden

Die Stadtver­wal­tung ver­weist darauf, dass das UNESCO-Pro­gramm primär dem Schutz des Kul­turerbes dient – nicht wirtschaftlichen Zie­len. Den­noch zeigen Berech­nun­gen, dass Tages­gäste im Schnitt rund 37,70 Euro und Über­nach­tungs­gäste bis zu 160,90 Euro pro Tag in Schw­erin aus­geben. Angesichts der gestiege­nen Gästezahlen lässt sich somit dur­chaus eine erhöhte Wertschöp­fung im Gast­gewerbe, im Einzel­han­del und im Dien­stleis­tungssek­tor fest­stellen, so die Stadtver­wal­tung.

Allerd­ings bleiben die Effek­te unein­heitlich. Während einige Gas­tronomiebe­triebe und touris­tis­che Anbi­eter von mehr inter­na­tionalen Gästen bericht­en, stellt die Mehrheit laut Stich­proben keine sig­nifikante Verän­derung fest. Zudem macht sich ein neuer Trend bemerk­bar: Reiseg­rup­pen ver­weilen kürz­er in der Stadt, kon­sum­ieren weniger, und viele Men­schen zeigen sich auf­grund der all­ge­meinen Teuerung preis­sensi­bel.

Hotelerie und Gastronomie spürt nichts

Das bestätigt auch Matthias Thein­er, der Vor­sitzende des Dehoga-Region­alver­bands Schw­erin auf Anfrage der Redak­tion. Es gebe gefühlt mehr Tages­gäste, die Gas­tronomie und die Hotelerie in Schw­erin spüre von einem Auf­schwung durch den Wel­ter­beti­tel allerd­ings nichts. „Das erste Quar­tal diesen Jahres ist schlechter gelaufen als in den Vor­jahren”, so Thein­er. Das zweite Quar­tal könne man im Ver­gle­ich zu den Quar­tal­en der Vor­jahre als „nor­males Quar­tal” beze­ich­nen. Auch mache sich bemerk­bar dass die Gäste in den let­zten Jahren auch beim Essen sparen, so der Dehoga-Region­alchef.

„Wir beobacht­en ein verän­dertes Kon­sumver­hal­ten“, erk­lärt Stadt­mar­ket­ing-Chefin Müller. „Der Titel erzeugt zwar Neugi­er, aber daraus allein entste­ht noch keine sta­bile touris­tis­che Wertschöp­fung.“

Zukünftig stärker strategisch nutzen

Für die Koor­di­na­tion und Pflege des Wel­ter­beti­tels wurde eine eigene Stab­sstelle ein­gerichtet, die mit 1,25 Per­son­al­stellen aus­ges­tat­tet ist. Die Stadt hat seit der Anerken­nung etwa 16.500 Euro für Sachkosten aus­gegeben, unter anderem für den Beitritt zum Vere­in UNESCO-Wel­terbestät­ten Deutsch­land e.V. sowie Öffentlichkeit­sar­beit. Weit­ere 30.000 Euro sind für eine zweis­prachige Fly­ergestal­tung und eine Sicht­feld­studie geplant – finanziert durch För­der­mit­tel. Die geplante Neugestal­tung der Web­site wurde auf­grund vor­läu­figer Haushalts­führung ver­schoben.

Die Kosten für Pflege und Instand­hal­tung der Denkmäler tra­gen weit­er­hin die Eigen­tümer. In dieser Hin­sicht hat sich durch den Titel bis­lang wenig verän­dert.

Schw­erin will den UNESCO-Titel kün­ftig stärk­er strate­gisch nutzen. Geplant ist die Entwick­lung eines umfassenden Freizeit- und Touris­muskonzepts, das nicht nur die vorhan­de­nen Poten­ziale bün­delt, son­dern auch konkrete Maß­nah­men zur nach­halti­gen Touris­musen­twick­lung vorschlägt. Ziel ist es, Schw­erin als attrak­tives Reiseziel mit hoher Leben­squal­ität zu posi­tion­ieren und die touris­tis­che Wertschöp­fung dauer­haft zu erhöhen.

Die Stadt ist zudem aktiv in Net­zw­erken wie dem UNESCO-Wel­terbestät­ten Deutsch­land e.V. und tauscht sich mit Städten wie Wis­mar, Stral­sund oder Erfurt aus. Doch wie der Ober­bürg­er­meis­ter betont: „Die Erfahrun­gen lassen sich auf­grund unter­schiedlich­er Rah­menbe­din­gun­gen nur begren­zt über­tra­gen.“

Große Chance – aber kein Selbstläufer

Ein Jahr nach der Anerken­nung wird deut­lich: Der UNESCO-Wel­terbesta­tus ist eine wertvolle Ausze­ich­nung, aber keine automa­tis­che Wach­s­tums­mas­chine. Er bietet die Chance, das Stad­tim­age zu stärken, inter­na­tionale Sicht­barkeit zu erhöhen und langfristig auch wirtschaftlich zu prof­i­tieren. Doch ohne flankierende Maß­nah­men – etwa durch gezielte Ver­mark­tung, Investi­tio­nen in Infra­struk­tur und Ange­bote – bleibt das Poten­zial begren­zt.

„Es liegt an uns allen, aus dem Titel ein stim­miges Erleb­nis zu machen“, sagt Mar­ti­na Müller. Die ersten Schritte sind getan – nun geht es darum, daraus eine nach­haltige Erfol­gs­geschichte zu entwick­eln.