Krebsförden oder Neumühle:
Unterkunft für Geflüchtete entfacht hitzige Diskussionen
Pläne für eine neue Flüchtlingsunterkunft entzweit Schwerin: Standortwahl zwischen Krebsförden und Neumühle sorgt für hitzige Debatten. Der Ortbeirat Neumühle hat sich klar positioniert.
In Schwerin ist ein heftiger Streit über den Standort einer neuen Flüchtlingsunterkunft entbrannt, der auch die SPD in der Stadt in eine Zwickmühle bringt. Die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Rico Badenschier (SPD) hat den Vorschlag gemacht, einen sanierungsbedürftigen Wohnblock in der Benno-Voelkner-Straße im Stadtteil Krebsförden umzubauen. Der Stadtteil hat viele sozialen Herausforderungen. Die Verwaltung sieht in der Sanierung eine Chance zur Aufwertung.
Die SPD-Stadtfraktion hingegen hat einen Ersetzungsantrag zum Vorschlag der Verwaltung eingebracht, die Unterkunft am Standort Neumühle „An den Wadehängen“ in Blockform als Modulbauweise zu errichten. SPD-Fraktionsvorsitzende Mandy Pfeiffer begründet den Vorschlag ihrer Fraktion damit, dass im Stadtteil Krebsförden bereits „Menschen mit besonderen Herausforderungen leben“. Mit der Standortentscheidung in Neumühle würde hingegen „entschieden der Segregation entgegengewirkt“. Dort lebe eine starke Stadtgesellschaft, vor Ort gäbe es die notwendige Infrastruktur.
„Beim dort ansässigen Sportverein wurde die Infrastruktur für eine Erweiterung des Angebotes um integrationsspezifische Maßnahmen mittels des Solidaritätsprogramms des Landes M-V
bereits durch Beschluss der Stadtvertretung der 7. Legislatur geschaffen“, heißt es im Antrag weiter. Das alles seien gute Voraussetzungen für die Integration von bis zu 180 Geflüchteten.
Es muss eine Lösung her
Oberbürgermeister Badenschier verteidigt allerdings öffentlich den ursprünglichen Verwaltungsvorschlag vehement. „Ich stehe hinter dem Verwaltungsvorschlag, einen Wohnblock der Wohnungsgesellschaft Schwerin in der Benno-Völkner-Straße in Krebsförden zu sanieren“, sagte er in der vergangenen Woche gegenüber der „Ostseezeitung“ (OZ). Er argumentierte weiter, dass durch die Renovierung in Krebsförden nicht nur dringend benötigter Wohnraum geschaffen, sondern auch ein städtisches Unternehmen gestärkt würde, da die Sanierungskosten vom Land getragen werden. Die geplanten Kosten für Krebsförden belaufen sich auf 6,5 Millionen Euro, während der Neubau von 76 Tiny Houses in Neumühle mit 9 Millionen Euro zu Buche schlagen würde. Badenschier hob weiter hervor, dass Krebsförden bereits über eine ausgezeichnete Infrastruktur verfüge, inklusive guter Verkehrsanbindungen.
Badenschier drängt zur Eile: Leider habe schon die alte Stadtvertretung die notwendige Entscheidung für einen Standort der Unterkunft aufgeschoben. Daher gäbe es im Moment eine Übergangslösung in der Werkstraße in Schwerin-Süd. Dieser Übergang liefe aber nur bis 2025. Es müsse also eine Lösung her. Badenschier hatte auch in den Beratung der Ausschüsse immer wieder davor gwarnt, dass eine Verzögerung der Entscheidung dazu führen könnte, dass die Stadtvertretung die Kontrolle über den Prozess verliert und eine öffentliche Ausschreibung erforderlich wird, was den Standort der Unterbringung dem Zufall überlassen könnte.
In Neumühle ist man wenig begeistert über die Vorstellungen der SPD-Fraktion. Zuvor hatte schon der Vorsitzende des CDU-Stadtbezirksverbandes, Sebastian Hafemeister deutliche Kritik an den Plänen geübt.
SPD auf dem Irrweg
„Die SPD befindet sich auf einem Irrweg und die Rückmeldungen aus der Bevölkerung in den vergangenen Tagen unterstützen mich in dieser Annahme.“, so Hafemeister. Der Bau in Neumühle sei entschieden abzulehnen. „Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit unserer Gesellschaft ist erschöpft und unsere Stadt kommt mit der Unterbringung der Asylsuchenden an die Grenzen der Belastbarkeit“ so der CDU-Politiker weiter. Die Fläche „An den Wadehängen“ in Neumühle sei denkbar ungeeignet. „Insbesondere die kurze Nutzungsdauer der geplanten Tiny Houses von nur zehn Jahren, die möglicherweise fehlende Nachnutzung der Gebäude und die unter Umständen problembehafteten Integrationsmöglichkeiten durch eine erforderliche Umzäunung lassen mich daran zweifeln, ob die SPD sich überhaupt mit der Untersuchung der Verwaltung beschäftigt hat“, findet Hafemeister.
Am Mittwoch waren die Pläne der SPD auch Thema auf der Sitzung des Ortsbeirates Neumühle. Gut 150 Anwohner waren gekommen, um zu sehen wie sich der Ortbeirat zur Ansiedlung einer Geflüchtetenunterkunft in Neumühle positionieren würde. Zuvor hatte das Bekanntwerden der SPD-Pläne für Unruhe im Stadtteil gesorgt. Das die Gemüter am Mittwoch nicht überkochten, das war auch der souveränen Sitzungsführung durch den Ortsbeiratsvorsitzenden Martin Frank (Linke) zu verdanken.
Kein Fürstimme zum SPD-Antrag in Neumühle
Gleich am Anfang machte Frank deutlich, dass der Antrag der SPD heute Abend bei den Vertretern vermutlich keine Mehrheit finden werde. Nach einer Debatte in der noch einmal alle Parteien ihre Positionen deutlich machten, sollte die Prophezeiung von Martin Frank eintreffen. Erstaunlich war an diesem Abend nur, dass selbst Frank-Peter Schönfeld, der für die SPD im Ortsbeirat sitzt, sich bei der Abstimmung enthalten hat. CDU, Unabhängige Bürger (UB)/FDP, AfD und Linke erteilten den Bestrebungen der SPD-Fraktion eine klare Absage. Damit fiel der Standort Neumühle für eine Gflüchtetenunterkunft beim Ortbeirat mit großer Mehrheit durch. Es gab nicht einmal eine Stimme für den Antrag.
Die Entscheidung des Stadtrates wird am kommenden Montag erfolgen. Das klare Votum des Ortbeirates aus Neumühle dürfte da nicht unberücksichtigt bleiben. CDU und AfD haben an die Stadtvertretung Ersetzungsanträge zur Beschlussvorlage der Stadtverwaltung gestellt, die weitgehend sind.
CDU und AfD möchten Pläne aussetzen
So möchte die CDU mit einem Antrag vom 14. Oktober erreichen, dass Oberbürgermeister Badenschier die Pläne der Schaffung einer weiteren Gemeinschaftsunterkunft in Schwerin aussetzt.
„Die Migrationspolitik der Bundesregierung und der Landesregierung Mecklenburg-Vorpommern ist gescheitert. Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit ist erschöpft. Auch die Landeshauptstadt Schwerin kommt mit der Unterbringung der Asylsuchenden an die Grenzen der Belastbarkeit für die Verwaltung sowie der Einwohner“, heißt es im Antrag.
Weiter soll sich Badenschier gegenüber der Landesregierung „für einen Kurswechsel in der Migration“ einzusetzen. Dabei sei der Landesregierung ihre Verantwortung in der Unterbringung der Asylsuchenden aufzuzeigen. Ein „weiteres Umlenken der Asylsuchenden in die Kommunen ohne Einlösung der eigenen Versprechungen, wie der ausreichenden Schaffung von Kapazitäten in den
Erstaufnahmeeinrichtungen“ insbesondere im Osten des Landes, sei nicht mehr hinnehmbar und durch die kommunale Ebene auch nicht mehr aufzufangen.
Das die Migrationspolitik des Bundes und des Landes gescheitert ist, schreibt auch die AfD in ihrem Ersetzungsantrag vom 4.November. „Die Aufnahme- und Integrationsfähigkeit ist erschöpft. Die Landeshauptstadt Schwerin hat die Grenzen der Belastbarkeit sowohl für die Einwohner als auch die Verwaltung bei der Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern längst erreicht“, heißt es bei der AfD weiter. Weiter soll der Oberbürgermeister der Landesregierung „ihre Verantwortung insbesondere bei der Abschiebung von ausreisepflichtigen Asylbewerbern aufzuzeigen“.
Wie die CDU, möchte auch die AfD die Pläne der Errichtung einer zweiten Gemeinschaftsunterkunft in Schwerin ausgesetzt wissen.
Wie man hinter den Kulissen hört, könnte die Mehrheit der Stadtvertretung am Montag dem Antrag der CDU zustimmen. Die Verwaltung hat in ihrer Stellungnahme zum Ersetzungsantrag darauf hingewiesen, dass sie diesen für unzulässig hält, ebenso wie die den Antrag der AfD. Am Ende liegt die Entscheidung allerdings bei der Stadtvertretung. Dem Oberbürgermeister bliebe dann nur das Mittel des Widerspruchs gegen die Entscheidung.