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Viel zu tun für die Schuldnerberatung

(sr). Schwerin ist in Mecklenburg-Vorpommern die Stadt mit der höchsten Schuldnerquote. Viele Wochen Warten auf einen Beratungstermin ist daher für Betroffene Alltag. Trotz des hohen Bedarfs, wird die öffentliche Förderung

  • Veröffentlicht Februar 10, 2014

Trotz eines höher werdenden  Bedarfs an Schuldnerberatung, werden die Mittel dazu dieses Jahr gekürzt Gabi Eder  / pixelio.de
Trotz eines höher werdenden Bedarfs an Schuldnerberatung, werden die Mittel dieses Jahr gekürzt
Gabi Eder / pixelio.de

(sr). Schwerin ist in Mecklenburg-Vorpommern die Stadt mit der höchsten Schuldnerquote. Viele Wochen Warten auf einen Beratungstermin ist daher für Betroffene Alltag. Trotz des hohen Bedarfs, wird die öffentliche Förderung von Schuldenberatung in diesem Jahr gekürzt werden.

Sich jeden Wunsch erfüllen zu können, auch wenn das Geld längst nicht reicht. In Deutschland ist das seit langem kein Problem mehr:  Finanzierungsangebote, teilweise sogar ohne einen Cent an Zinsen, gibt es unzählige.  Auf den ersten Blick ist das alles eine schöne Möglichkeit, seine Träume nicht seinem Geldbeutel anpassen zu müssen.  Jeder kann dadurch in einer Lebenswelt mithalten, in der Wert oder Unwert eines Menschen, oftmals alleine anhand der finanziellen Spielräumen und Möglichkeiten gemessen wird. Das böse Erwachen kommt dann nicht selten viel zu spät.

„Am Ende dieser Abwärtsspirale stand für mich dann die Privatinsolvenz“

So ging es auch Mark Fülster (Name von der Redaktion geändert). Der 41-jährige Werbekaufmann, sagt heute im Rückblick „Ich verdiente immer gutes Geld und habe mir nie Gedanken darüber gemacht, dass es einmal anders werden könnte.“   Auto, Möbel, Fernseher, Computer und ein aufwendiger Lebensstil: Vieles davon, finanzierte Fülster auf Raten. Plötzlich musste sich die Werbefirma, in welcher der Werbekaufmann arbeitete, wegen der angespannten Auftragslage verkleinern. Der 41-jährige wurde gekündigt. „Ich konnte plötzlich viele Raten nicht mehr bedienen und sehr schnell wurden mir die Kredite gekündigt. Am Ende dieser Abwärtsspirale stand für mich dann die Privatinsolvenz.“

Wie Mark Fülster geht es vielen Menschen, auch in Schwerin. Oft ist es ihnen peinlich, zuzugeben, dass sie aus eigenen Kraft nicht mehr aus der Schuldenfalle herauskommen können. Daher sind es nicht selten Bekannte, Freunde oder Verwandte, die den entscheidenden Hinweis geben, eine Schuldnerberatungsstelle aufzusuchen.

Eine dieser Stellen, ist die Schuldnerberatung Lichtblick des Diakoniewerkes Neues Ufer in Schwerin. Im vergangenen Jahr kontaktierten 1.674 Ratsuchende die Schuldnerberatung. Das ist für eine Stadt wie Schwerin eine relativ hohe Anzahl. Durchschnittlich belaufen sich die Schulden pro Klient auf 18.000 EURO und um die 16 Gläubige. Der höchste Schuldenberg in Schwerin lag nach Angaben des Leiters von Lichtblick, Siegfried Jürgensen, bei 3,54 Millionen EURO.

In den meisten Fällen sind es viele unterschiedliche Faktoren, die am Ende zur Überschuldung führen. Kritische Lebensereignisse wie Scheidung, Krankheit oder Verlust der Arbeit führen in vielen Familien ebenso direkt in die Überschuldung wie die Tatsache, dass den Familien Monat für Monat einfach zu wenig Geld zur Verfügung steht. Oft ist es aber das nicht an die Einkommenssituation angepasstes Konsumverhalten, welches den Weg zur Schuldnerberatung notwendig macht.

Schwerin ist die Stadt mit den meisten Schuldnern in Mecklenburg-Vorpommern

Schwerin ist die Stadt mit der höchsten Schuldnerquote in Mecklenburg-Vorpommern. Während in Rostock die Quote bei 11,46 Prozent, im Landkreis Vorpommern-Greifswald bei 9,78 Prozent oder im benachbarten Landkreis Nordwestmecklenburg bei 10,02 Prozent liegen, liegt die Schuldnerquote in Schwerin mit 13,42 Prozent abgeschlagen hoch.

Überproportional hoch von Überschuldung betroffen, sind in der Landeshauptstadt Alleinstehende, die 68 Prozent der neuaufgenommenen Klienten bei Lichtblick ausmachten. Laut Statistischem Landesamt in Mecklenburg-Vorpommern ist das Armutsrisiko in Singlehaushalten dreimal so hoch wie bei Mehrpersonenhaushalten. Vor allem alleinerziehende Mütter sind häufig mehr Überschuldung betroffen als andere Personengruppen. In Schwerin machten diese Mütter 25 Prozent der Neuaufnahmen aus. Das sind anteilig 10 Prozent mehr als im gesamten Bundesgebiet.

Siegfried Jürgensen erklärt diese Entwicklungen „Schwerin liegt bei den Sozialausgaben rund 40 Prozent über dem Landesdurchschnitt. Es ist also kein Geheimnis, dass viele Haushalte in Schwerin über ein dauerhaft niedriges Einkommen verfügen und auf den Bezug von Sozialleistungen angewiesen sind.“

Sie sind besonders gefährdet, in eine finanzielle Schieflage zu geraten, da in der Regel keine Rücklagen gebildet werden können und bei anfallenden Reparaturen oder Ersatzbeschaffungen deshalb nicht selten auf Teilzahlungsgeschäfte ausgewichen werden muss. Der Anteil der erwerbslosen Klienten in Schwerin ist also – wenig überraschend – mit 48,7 Prozent ebenfalls überrepräsentiert. Unter Einbeziehung der Empfänger von Renten und Grundsicherungsleistungen betrug deren Anteil sogar 62 Prozent.

Weniger Geld trotz hohen Beratungsbedarfs

Der Bedarf in Schwerin an Schuldnerberatung  ist groß . Nich selten, müssen Betroffene viele Wochen warten, ehe sie einen Beratungstermin erhalten. In der dann häufig zum Zerbersten ausgereizten Finazsituation der Betroffenen, eigentlich eine fast unzumutbare Situation. Trotzdem werden die Mittel der öffentlichen Förderung der Schuldner- und Insolvenzberatung in diesem Jahr gekürzt werden. Schuld daran, ist die laut Mikrozensus gesunkene Einwohnerzahl der Landeshauptstadt. Wie unter diesen Vorzeichen, aber das bisher bestehende Beratungsangebot aufrecht erhalten werden soll, dass weiss im Moment niemand.

Die finanzielle Situation von Mark Fülster hat sich verbessert. Nach der Einleitung des Insolvenzverfahrens hat er nun Ruhe vor seinen Gläubigern und vor allem wieder neue Arbeit gefunden. Für ihn eröffnete sich noch einmal eine neue Lebensperspektive. Ohne eine Schuldnerberatungsstelle wäre das sicherlich nicht geglückt, gibt er selbst zu.

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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