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WGS-Mieter: „Wir wollen keinen Krieg“

Seit eini­gen Tagen sind die kom­plex­en Mod­ernisierungspläne der Woh­nungs­ge­sellschaft Schw­erin mbH (WGS) in der Möwen­burgstraße Stadt­ge­spräch. Schw­erin-lokal berichtete am Dien­stag bere­its aus­führlich. Auch die Frak­tio­nen the­ma­tisierten das The­ma inzwis­chen. So

  • Veröffentlicht August 14, 2019
Die alten Back­steinge­bäude in der Möwen­burgstraße 35–59 in Schw­erin müssen kom­plex mod­ernisiert wer­den. (Sym­bol­bild)

Seit eini­gen Tagen sind die kom­plex­en Mod­ernisierungspläne der Woh­nungs­ge­sellschaft Schw­erin mbH (WGS) in der Möwen­burgstraße Stadt­ge­spräch. Schw­erin-lokal berichtete am Dien­stag bere­its aus­führlich. Auch die Frak­tio­nen the­ma­tisierten das The­ma inzwis­chen. So hat­te sich die Frak­tion „Die Partei.Die Linke“ mit einem umfan­gre­ichen Fra­genkat­a­log an den Ober­bürg­er­meis­ter gewen­det.

Heute hat­te unsere Redak­tion die Möglichkeit, mit ein­er Mieterin aus den Objek­ten in der Möwen­burgstraße zu sprechen. Auch kon­nten wir ein kurzes Tele­fonat mit der Per­son führen, die von sich sagt, den anony­men Mieter­brief mit den harten Vor­wür­fen an die Adresse der WGS aber auch der Helios-Kliniken erstellt zu haben.

Redaktion spricht mit Mieterin

Schnell wurde im Gespräch mit der Mieterin deut­lich, dass Frau Puschke (Name geän­dert, richtiger Name ist der Redak­tion bekan­nt) eben­so wie die meis­ten der ihr bekan­nten anderen Mieter keine Kämpferin gegen „Finanzhaie“ irgendwelch­er Konz­erne ist oder der WGS eine bewusste und gezielte Ent­mi­etungs- und Ver­drän­gungspoli­tik vor­wirft. All dies waren Bestandteile des anony­men Mieter­briefes. Frau Puschke ist vielmehr seit langer Zeit in den Back­stein­blöck­en zu Hause. Sie liebt ihre Umge­bung, ken­nt ihre Nach­barn – und sie sehnt sich eigentlich nur nach Ruhe.

Fasst man das Gespräch zusam­men, bün­delt sich der Hauptvor­wurf der fre­undlichen aber auch erschöpft wirk­enden Frau in der aus ihrer Sicht eben nicht mieter­fre­undlichen Kom­mu­nika­tion der WGS. „Begonnen hat doch alles damit, dass man nicht mit uns gesprochen hat. Wir haben alles aus der Zeitung erfahren.“ Im Mai hat­ten Vertreter der WGS auf der Sitzung eines nicht ein­mal zuständi­gen Orts­beirates auf die planer­ischen Ideen im Rah­men der Kom­plex­mod­ernisierung in der Möwen­burgstraße hingewiesen. Diese Infor­ma­tion fand den Weg in die Zeitung. „Bis dahin hat­te nie jemand von der WGS mit uns darüber gesprochen.“ Vielmehr hat­ten ver­schiedene Mieter in den Monat­en zuvor in ihren Woh­nun­gen Ver­schönerungsar­beit­en durchge­führt. Vere­inzelt hat­ten sie die WGS auch darauf ange­sprochen, ob nicht die Gesellschaft als Ver­mi­eterin diese Arbeit­en durch­führen kön­nte. „Da gab es nur Ablehnun­gen. Wenn, dann soll­ten wir es allein machen. Aber warum haben sie uns da nicht schon gesagt, dass das keinen Sinn mehr macht und wir bald alle raus müssen?“

Unsicherheit und Angst führten zu Verhärtung der Lage

Nach dieser Infor­ma­tion über die Zeitung ent­standen Unsicher­heit und Angst. Wie würde es weit­erge­hen? Wann geht alles los? Kön­nen die Mieter zurück? Frau Puschke sagt, Antworten gab es erst ein­mal keine. Oder nur solche, mit denen nie­mand etwas anfan­gen kon­nte. Die Mieter fühlten sich nicht ernst genom­men in ihrer Unsicher­heit und allein gelassen von der ver­meintlich großen WGS. „Sie haben uns keine Zeit­pläne gesagt und eigentlich gar nichts.“

Diese Mis­chung aus Frus­tra­tion, Wut und Unsicher­heit waren dann der beste Nährbo­den für das Prinzip der „stillen Post“ und die Entste­hung ver­schieden­ster Missver­ständ­nisse und Halb­wahrheit­en. Jed­er hörte etwas, und erzählte es so, wie er es ver­standen hat­te oder vielle­icht im Einzelfall auch ver­ste­hen wollte, weit­er. Da war die Frau vom Block gegenüber. „Sie hat­te durch ihr offenes Fen­ster drei teuer gek­lei­dete Her­ren mit großem Auto gese­hen. Und  sie hat­te gehört, wie ein­er sagte: ‚Das ist dann alles mal Deins.‘ Der zeigte auf eines unser­er Häuser“, erin­nert sich Frau Puschke. Wie und durch wen dann am Ende daraus die Geschichte wurde, dass dies Helios-Mitar­beit­er waren, die sich schon ihren neuen Wohn­stan­dort ange­se­hen haben, weiß sie auch nicht. Aber es erschien ihr irgend­wie nachvol­lziehbar, als sie es jet­zt hörte.

„Wir wollen hier keinen Krieg”

All die harten Worte, Unter­stel­lun­gen und Anfein­dun­gen, die das anonyme Schreiben in die Welt geset­zt hat, sind Frau Puschke eigentlich viel zu viel. Das müsse aufhören. „Aber alles ging so schnell. Die sind mit uns nicht richtig umge­gan­gen. Da war dann von uns bes­timmt auch nicht jede Reak­tion richtig“, sagt sie. Und sie ergänzt: „Wir wollen hier keinen Krieg. Ich jeden­falls will nur meine Ruhe.“ Sie hat ja auch von der Woh­nungs­ge­sellschaft eine schöne Woh­nung an ander­er Stelle ange­boten bekom­men. Und sie möchte auch gern bei der WGS bleiben. Aber sie möchte auch ihr Zuhause nicht für immer aufgeben und ver­lassen. Frau Puschke braucht ver­ständ­nisvolle Zuhör­er – auch auf Seit­en der WGS – mit denen sie einen genau für sie richti­gen Weg find­en kann. Sie möchte wis­sen, was geplant ist, ob ihr das dann noch gefällt, und was all die Pla­nun­gen konkret für sie bedeuten. Sie braucht eine sen­si­ble Kom­mu­nika­tion, die unsere kom­mu­nale Woh­nungs­ge­sellschaft auch ermöglichen sollte.

Kom­plexsanierung wird Abriss ver­hin­dern. Sie wird aber etwa 2 Jahre dauern. (Sym­bol­bild)

Schreiberin des anonymen Briefes meldet sich zu Wort

Auch die Schreiberin des anony­men Mieter­briefes unter­stre­icht im Tele­fonat die nur halb­herzige oder auch gar nicht stattge­fun­dene Kom­mu­nika­tion der WGS in Rich­tung der Mieter. Auch sie erzürnt der Umstand, dass alle die Pla­nun­gen zuerst in der Zeitung lesen mussten, und dass danach fak­tisch nichts zu erfahren war. Bis heute wisse man ja eigentlich über zeitliche Pla­nun­gen gar nichts. So ganz klar wurde im Tele­fonat allerd­ings nicht, ob sie nun das Schreiben allein erstellte, oder doch, wie es heißt, noch Dritte daran beteiligt waren. Zumin­d­est ist auch sie aber spür­bar verzweifelt, etwas hil­f­los in der Sit­u­a­tion und vor allem wütend. Weniger aber erschien sie wie eine ide­ol­o­gis­che Kämpferin. So aber klingt der zweite Teil des anony­men Schreibens. Auch sie aber ist am Ende des Tele­fonates bere­it, nach vorn zu blick­en, abzuwarten und „abzurüsten”.

Gesprächs­bere­itschaft auf Seit­en der Mieter und der­er, die für sie – wenn auch zum Teil auf frag­würdi­ge Weise – ein­treten, ist defin­i­tiv erkennbar. Das ist doch eine gute Aus­gangs­ba­sis für einen neuen Dia­log zwis­chen der WGS und ihren Mietern in der Möwen­burgstraße. Sen­si­bel und mit Fin­ger­spitzenge­fühl wird dieser sein müssen, um wieder ein Ver­trauen auf­bauen zu kön­nen. Diese Sicht ver­tritt auch die Frak­tion „Die Partei.Die Linke“ in dieser Sache: „Eine trans­par­ente Infor­ma­tion­spoli­tik seit­ens der WGS und ein beson­ders sen­si­bler Umgang im per­sön­lichen Kon­takt“ seinen nun ganz wichtig. Die Frak­tion unter­stre­icht dabei auch noch ein­mal die Notwendigkeit ein­er „bezahlbaren und den­noch attrak­tiv­en Alter­na­tivun­ter­bringung im innen­stadt­na­hen Bere­ich eben­so, wie die Möglichkeit zurück­zukehren, sofern die Mieter und Mieterin­nen dies trotz des damit ver­bun­de­nen, zweima­li­gen Umzuges wün­schen.“ Hier sprechen sie Frau Puschke aus dem Herzen.

Fraktion „Die Partei.Die Linke” sieht Vorwürfe entkräftet

Die Beant­wor­tung des Fra­genkat­a­logs sein­er Frak­tion habe gezeigt, dass die erhobe­nen harten Vor­würfe hin­sichtlich ein­er Ent­mi­etung zugun­sten später­er Mieter der Helios-Kliniken sowie die Dro­hung eines Abstel­lens von Strom und Wass­er seit­ens der WGS „jed­er Grund­lage ent­behren. Bleibt zu hof­fen, dass es im weit­eren Prozess nun gelingt, weitest­ge­hend ein­vernehm­liche Lösun­gen zu find­en“, so Hen­ning Foer­ster, Frak­tionsvor­sitzen­der von „Die Partei.Die Linke“

Nun bleibt also zu hof­fen, dass die Zeit der Vor­würfe und Unter­stel­lun­gen aber eben auch die ein­er offen­bar nicht mieterg­erecht­en Infor­ma­tions- und Kom­mu­nika­tion­spoli­tik durch einen neuen Dia­log zwis­chen Mietern und WGS abgelöst wird. Die Mieter fühlen sich momen­tan unver­standen und allein gelassen. Die Art des anony­men Briefes mit all den extrem harten Vor­wür­fen und Unter­stel­lun­gen war zweifels­frei nicht der richtige Weg. Eventuell nutzten Dritte die Unsicher­heit der Mieter, um ihre ide­ol­o­gis­chen Ansicht­en gle­ich mit zu ver­bre­it­en. Aber vielle­icht war der Brief auch nur ein Sig­nal der Hil­flosigkeit.

  • Stephan Haring

    Stephan Har­ing ist freier Mitar­beit­er unser­er dig­i­tal­en Tageszeitung. Er hat ein Bach­e­lor-Studi­um der Kom­mu­nika­tion­swis­senschaften an der Uni­ver­sität Erfurt mit den Neben­fäch­ern Sozial­wis­senschaften & Poli­tik absolviert. Im Nach­hinein arbeit­ete er in lei­t­en­den Funk­tio­nen der Presse- & Öffentlichkeit­sar­beit, im Leitungs­bere­ich eines Unternehmens sowie als Rek­tor ein­er pri­vat geführten Hochschule. Zudem entwick­elte, organ­isierte und real­isierte er mit der durch ihn entwick­el­ten LOOK ein Fash­ion­event in Schw­erin. Heute arbeit­et er freiberu­flich als Tex­ter, Press­esprech­er und Tex­tko­r­rek­tor sowie als Berater in ver­schiede­nen Pro­jek­ten. In einem Schw­er­iner Orts­beirat ist er zudem ehre­namtlich als Vor­sitzen­der kom­mu­nalpoli­tisch aktiv.

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