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Wohnungsnot in Schwerin:
Neue Studie zeigt, wie dramatisch die Lage wirklich ist

Der Bundestag berät heute über den „Bau-Turbo“ für schnellere Bauverfahren. Doch laut GEWOS-Studie bleibt Schwerin ein Brennpunkt: Mieten steigen, günstiger Wohnraum fehlt – vor allem für kleine Einkommen.

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  • Veröffentlicht Oktober 9, 2025
Wohnungsnot Schwerin
Wohn­raum ist in Schw­erin knapp. 320 neue Woh­nun­gen müssten jährlich neu entste­hen. (Archiv­bild) 
Foto: pri­vat / Stux

 

Der Bun­destag berät heute über den soge­nan­nten „Bau-Tur­bo“. Mit ihm sollen Genehmi­gun­gen für Wohn­baut­en kün­ftig in nur zwei Monat­en möglich sein. Doch während in Berlin über schnellere Ver­fahren abges­timmt wird, bleibt in Schw­erin das eigentliche Prob­lem beste­hen: Bezahlbar­er Wohn­raum wird immer knap­per.

GEWOS: 44 Prozent Mietanstieg in neun Jahren

Das Insti­tut für Stadt‑, Region­al- und Wohn­forschung, kurz GEWOS, hat sich in sein­er Analyse „Woh­nungs­markt Schw­erin 2025” mit der Sit­u­a­tion in der Stadt beschäftigt. Die Studie ist nicht öffentlich, kon­nte aber von der SNO-Redak­tion einge­se­hen wer­den. Die Zahlen sind alarmierend: Seit 2016 sind die Ange­botsmi­eten in Schw­erin um 44 Prozent gestiegen. Im Medi­an, also dem Mit­tel­w­ert, liegen sie mit­tler­weile bei rund neun Euro pro Quadrat­meter kalt – Ten­denz steigend. Gle­ichzeit­ig ist das Ange­bot stark zurück­ge­gan­gen: Gab es vor neun Jahren noch etwa 1.400 Mietange­bote, sind es heute nur noch rund 850.

Beson­ders betrof­fen ist der Markt für kleine Woh­nun­gen unter 50 Quadrat­metern. Hier ist die Nach­frage am größten, das Ange­bot am kle­in­sten. Für Studierende, Allein­erziehende oder Rent­ner wird es zunehmend unmöglich, eine Woh­nung unter 750 Euro Kalt­mi­ete zu find­en. „Im unteren Preis­seg­ment hat die Knap­pheit längst die Schwelle zur echt­en Woh­nungsnot über­schrit­ten“, so das Faz­it der GEWOS-Forsch­er.

Zwar wird in Schw­erin gebaut, doch die neuen Woh­nun­gen entste­hen über­wiegend im hoch­preisi­gen Seg­ment. Von den 268 fer­tiggestell­ten Woh­nun­gen im ver­gan­genen Jahr ent­standen laut Sta­tis­tik nur 51 in Ein- oder Zweifam­i­lien­häusern. Sozial­woh­nun­gen? Fast keine.

Damit trägt der aktuelle Neubau kaum zur Ent­las­tung des Mark­tes bei. Selb­st die steigende Zahl von Mehrfam­i­lien­häusern hil­ft nicht, weil sie meist für Käufer, nicht für Mieter gedacht sind.

Experten: 320 neue Wohnungen pro Jahr nötig

Trotz neg­a­tiv­er Geburten­bi­lanz wächst Schw­erin weit­er. Hier vor allem durch Zuzug, etwa von Geflüchteten aus der Ukraine. Das Bevölkerungsplus von 1,6 Prozent seit 2021 klingt mod­er­at, trifft aber auf einen ohne­hin engen Markt.

Das Pes­tel-Insti­tut bez­if­fert den tat­säch­lichen Bedarf in Schw­erin auf min­destens 320 neue Woh­nun­gen pro Jahr, um die Lage zu sta­bil­isieren. Derzeit liegt Schw­erin deut­lich darunter. Woh­nungs­mark­t­ex­perte Matthias Gün­ther warnt: „Ohne mas­sive Investi­tio­nen in Sozial- und preis­gün­stige Woh­nun­gen wird sich die Lage weit­er zus­pitzen.“

Zudem seien viele der offiziell leer­ste­hen­den Woh­nun­gen gar nicht ver­mi­et­bar – rund 2.000 Ein­heit­en gel­ten als unbe­wohn­bar oder stark sanierungs­bedürftig. Damit schrumpft der reale Woh­nungs­be­stand weit­er.

IG BAU fordert „Wohnungsbau-Turbo“ für Schwerin

Die Indus­triegew­erkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) forderte schon im Juni diesen Jahres von Bund, Land und Kom­mune eine „Neubau-Offen­sive, die auch die kleinen Einkom­men im Blick hat“. Bezirkschef Jörg Rep­pin betonte damals: „Bezahlbare Woh­nun­gen und Sozial­woh­nun­gen – das ist das, was jet­zt gebraucht wird.“

 

»Lesen Sie auch: Woh­nungs­bau in Schw­erin: Zwis­chen Baustellen, Bürokratie und sozialer Ver­ant­wor­tung

 

Er plädierte für ein­facheres und gün­stigeres Bauen nach dem soge­nan­nten „Gebäude-Typ E“ – „E“ wie ein­fach, erle­ichtert, effizient. Durch den Verzicht auf über­zo­gene Nor­men, teure Tech­nik und Tief­gara­gen kön­nten die Baukosten um bis zu ein Drit­tel gesenkt wer­den. „Wohnen darf kein Luxus sein – und muss es auch nicht sein“, so Rep­pin.

Was der „Bau-Turbo“ des Bundes bringen kann – und was nicht

Der heute im Bun­destag zur Abstim­mung ste­hende „Bau-Tur­bo“ soll die Ver­fahren drastisch verkürzen und Gemein­den erlauben, von vie­len Bau­vorschriften abzuwe­ichen. Ziel ist es, Bau­vorhaben inner­halb von zwei Monat­en genehmi­gen zu kön­nen – statt wie bish­er in mehreren Jahren.

Das kön­nte auch Schw­erin helfen, schneller auf Flächen zu reagieren und Pro­jek­te zu real­isieren. Doch Kri­tik­er war­nen, dass das Instru­ment vor allem Bau­un­ternehmen nützt – nicht zwin­gend den Mietern. Die Linke befürchtet gar, der Bau-Tur­bo könne Boden­speku­la­tion und Flächen­ver­siegelung anheizen.

Ob der „Bau-Tur­bo“ die Wende bringt, bleibt abzuwarten. Für Schw­erin ste­ht fest: Tem­po allein löst das Prob­lem nicht.
Was fehlt, sind bezahlbare Woh­nun­gen – nicht nur mehr Bauanträge.

Solange Neubaut­en vor allem für Gutver­di­enende entste­hen, bleibt der GEWOS‑B Befund aktuell: Schw­erin hat ein Woh­nung­sprob­lem – und das wächst.