Wohnungsnot in Schwerin:
Neue Studie zeigt, wie dramatisch die Lage wirklich ist
Der Bundestag berät heute über den „Bau-Turbo“ für schnellere Bauverfahren. Doch laut GEWOS-Studie bleibt Schwerin ein Brennpunkt: Mieten steigen, günstiger Wohnraum fehlt – vor allem für kleine Einkommen.

Foto: privat / Stux
Der Bundestag berät heute über den sogenannten „Bau-Turbo“. Mit ihm sollen Genehmigungen für Wohnbauten künftig in nur zwei Monaten möglich sein. Doch während in Berlin über schnellere Verfahren abgestimmt wird, bleibt in Schwerin das eigentliche Problem bestehen: Bezahlbarer Wohnraum wird immer knapper.
GEWOS: 44 Prozent Mietanstieg in neun Jahren
Das Institut für Stadt‑, Regional- und Wohnforschung, kurz GEWOS, hat sich in seiner Analyse „Wohnungsmarkt Schwerin 2025” mit der Situation in der Stadt beschäftigt. Die Studie ist nicht öffentlich, konnte aber von der SNO-Redaktion eingesehen werden. Die Zahlen sind alarmierend: Seit 2016 sind die Angebotsmieten in Schwerin um 44 Prozent gestiegen. Im Median, also dem Mittelwert, liegen sie mittlerweile bei rund neun Euro pro Quadratmeter kalt – Tendenz steigend. Gleichzeitig ist das Angebot stark zurückgegangen: Gab es vor neun Jahren noch etwa 1.400 Mietangebote, sind es heute nur noch rund 850.
Besonders betroffen ist der Markt für kleine Wohnungen unter 50 Quadratmetern. Hier ist die Nachfrage am größten, das Angebot am kleinsten. Für Studierende, Alleinerziehende oder Rentner wird es zunehmend unmöglich, eine Wohnung unter 750 Euro Kaltmiete zu finden. „Im unteren Preissegment hat die Knappheit längst die Schwelle zur echten Wohnungsnot überschritten“, so das Fazit der GEWOS-Forscher.
Zwar wird in Schwerin gebaut, doch die neuen Wohnungen entstehen überwiegend im hochpreisigen Segment. Von den 268 fertiggestellten Wohnungen im vergangenen Jahr entstanden laut Statistik nur 51 in Ein- oder Zweifamilienhäusern. Sozialwohnungen? Fast keine.
Damit trägt der aktuelle Neubau kaum zur Entlastung des Marktes bei. Selbst die steigende Zahl von Mehrfamilienhäusern hilft nicht, weil sie meist für Käufer, nicht für Mieter gedacht sind.
Experten: 320 neue Wohnungen pro Jahr nötig
Trotz negativer Geburtenbilanz wächst Schwerin weiter. Hier vor allem durch Zuzug, etwa von Geflüchteten aus der Ukraine. Das Bevölkerungsplus von 1,6 Prozent seit 2021 klingt moderat, trifft aber auf einen ohnehin engen Markt.
Das Pestel-Institut beziffert den tatsächlichen Bedarf in Schwerin auf mindestens 320 neue Wohnungen pro Jahr, um die Lage zu stabilisieren. Derzeit liegt Schwerin deutlich darunter. Wohnungsmarktexperte Matthias Günther warnt: „Ohne massive Investitionen in Sozial- und preisgünstige Wohnungen wird sich die Lage weiter zuspitzen.“
Zudem seien viele der offiziell leerstehenden Wohnungen gar nicht vermietbar – rund 2.000 Einheiten gelten als unbewohnbar oder stark sanierungsbedürftig. Damit schrumpft der reale Wohnungsbestand weiter.
IG BAU fordert „Wohnungsbau-Turbo“ für Schwerin
Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) forderte schon im Juni diesen Jahres von Bund, Land und Kommune eine „Neubau-Offensive, die auch die kleinen Einkommen im Blick hat“. Bezirkschef Jörg Reppin betonte damals: „Bezahlbare Wohnungen und Sozialwohnungen – das ist das, was jetzt gebraucht wird.“
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Er plädierte für einfacheres und günstigeres Bauen nach dem sogenannten „Gebäude-Typ E“ – „E“ wie einfach, erleichtert, effizient. Durch den Verzicht auf überzogene Normen, teure Technik und Tiefgaragen könnten die Baukosten um bis zu ein Drittel gesenkt werden. „Wohnen darf kein Luxus sein – und muss es auch nicht sein“, so Reppin.
Was der „Bau-Turbo“ des Bundes bringen kann – und was nicht
Der heute im Bundestag zur Abstimmung stehende „Bau-Turbo“ soll die Verfahren drastisch verkürzen und Gemeinden erlauben, von vielen Bauvorschriften abzuweichen. Ziel ist es, Bauvorhaben innerhalb von zwei Monaten genehmigen zu können – statt wie bisher in mehreren Jahren.
Das könnte auch Schwerin helfen, schneller auf Flächen zu reagieren und Projekte zu realisieren. Doch Kritiker warnen, dass das Instrument vor allem Bauunternehmen nützt – nicht zwingend den Mietern. Die Linke befürchtet gar, der Bau-Turbo könne Bodenspekulation und Flächenversiegelung anheizen.
Ob der „Bau-Turbo“ die Wende bringt, bleibt abzuwarten. Für Schwerin steht fest: Tempo allein löst das Problem nicht.
Was fehlt, sind bezahlbare Wohnungen – nicht nur mehr Bauanträge.
Solange Neubauten vor allem für Gutverdienende entstehen, bleibt der GEWOS‑B Befund aktuell: Schwerin hat ein Wohnungsproblem – und das wächst.



