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Ist der Abriss der Lankower Schwimmhalle rechtswidrig?

Die Tage der Schwimmhalle Lankow sind gezählt. Alle juristische Schritte sind gescheitert. Die Rechtmässigkeit des Abriss steht damit aber nicht fest.

  • Veröffentlicht August 6, 2015

Bild Schwimmhalle Lankow 1

 

(sr). Der Abriss der alten Schwimmhalle in Lankow scheint nicht mehr zu stoppen zu sein. Nachdem vorgestern auch ein zweiter Antrag auf den Erlass einer »Einstweiligen Verfügung« zum Baustopp gegen die Landeshauptstadt Schwerin gescheitert ist, sind die Tage der Schwimmhalle in Lankow gezählt. Eine Rechtswidrigkeit des Abriss schließt das Verwaltungsgericht aber nicht aus.

 

Ob ein DDR-Betonbau nun am Ende ein Denkmal sein kann oder nicht, ist eine Frage über die man trefflich streiten kann. Das Landesamt für Kultur- und Denkmalpflege sieht Denkmaleigenschaften gegeben und teilt diese Entscheidung der Landeshauptstadt am 30. März in einem entsprechenden Schreiben mit.

 

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In der Denkmalbegründung verweisen die obersten Denkmalschützer auf die für die in den 1970er Jahre, ziemlich innovativ geltenden »HP-Schalen«, die unter dem Stichwort »Ostmoderne« bald das Erscheimungsbild zahlreicher Bauten und Orte auf dem Gebiet der DDR und darüber hinaus prägten. Hyperbolische Paraboloidschalen  bedecken nicht nur die Sternwarte in Halle, sondern auch die Ostseehalle in Binz, die Friedrich-Ebert-Halle in Ludwigshafen am Rhein, die Kirche St. Hildegard in Limburg an der Lahn, das Panoramamuseum in Bad Frankenhausen und die Alsterschwimmhalle in Hamburg. Erfinder Herbert Müller, bald nur noch »Schalen-Müller« genannt, erhielt für dieses spezielle Patent der Dachkonstruktion, den DDR-Nationalpreis. In Mecklenburg-Vorpommern, so die Denkmalschutzbehörde, sei diese Konstruktion nur noch bei der Schwimmhallle in Lankow zu sehen. »Für Schwerin stellt das Bauwerk ein Dokument der Ortsgeschichte dar, in dem die verbesserte Ausstattung an Sport- und Gesundheitsstätten während der 1970er Jahre zum Ausdruck kommt«, heißt es in dem Schreiben der Denkmalbehörde. Zudem zeige die eigene Produktion der HP-Schale, die damals im Plattenwerk Lankow hergestellt wurde, die »Leistungsfähigkeit der Bauproduktion der Stadt«. Aus diesen Gründen, darauf weißt das Landesamt abschließend hin, handelt es sich bei der Schwimmhalle in Lankow um ein »Denkmal im Sinne des Gesetzes«.

 

Landeshauptstadt sieht als untere Denkmalbehörde keinen Denkmalwert

 

Über diese Entscheidung setzt sich die Stadtverwaltung hinweg und drängt auf einen schnellen Abriss der Schwimmhalle. Als Eigentümerin der Schwimmhalle ging sie in Widerspruch. Als untere Denkmalbehörde, lehnt Schwerins Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow die Aufnahme in die Denkmalliste der Stadt mit der Begründung ab, dass die Stadt keinen Denkmalwert sehe und die Schwimmhalle deshalb nicht auf die Liste setzen möchte. Nur der Eintrag in die Denkmalschutzliste würde die Lankower Schwimmhalle auch rechtmäßig als Denkmal ausweisen. Den Rücken gestärkt, bekommt die Stadt in ihren Abrißbestrebungen dabei vom Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Kultur und dem Ministerium für Wirtschaft, Bau und Tourismus. So hatte das Wirtschaftsministerium schon am 16. Juli die Abbruchsanzeige an die Stadtverwaltung geschickt und damit grünes Licht für den beabsichtigten Abriss gegeben. Vieles spricht aber dafür, dass die Landeshauptstadt den Abriss der Schwimmhalle im Moment trotzdem rechtswidrig durchführt.

 

Für das Verwaltungsgericht spricht vieles für eine Rechtswidrigkeit des Abrisses

 

Am 29. Juli reichte ein Schweriner Architektenbüro beim Verwaltungsgericht in Schwerin einen Antrag auf eine Einstweilige Verfügung ein, die Schwerin den Abriss der Schwimmhalle untersagen soll. Dieser Antrag wurde mit Beschluss vom 30. Juli abgelehnt. Nicht weil der Antrag keine Aussicht auf Erfolg gehabt hätte, sondern weil der Antrag von den Verwaltungsrichtern als »unzulässig« eingestuft wurde. In dem der Redaktion vorliegenden Beschluss heißt es, dass der Antrag nur dann zulässig wäre, wenn »der Antragsteller geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt worden zu sein«.

 

Die Fenster sind schon herausmontiert werden und bis Ende August soll die Schwimmhalle abgerissen sein
Die Fenster sind schon herausmontiert werden und bis Ende August soll die Schwimmhalle abgerissen sein

 

Allerdings spricht aus Sicht des Verwaltungsgerichts in Schwerin vieles dafür, dass der Abriss der Schwimmhalle rechtswidrig sein könnte. In dem Beschluss des Gerichts, heißt es wörtlich: »Selbst wenn die von der Antragsgegnerin geplanten und unmittelbar bevorstehenden Abbrucharbeiten gegen denkmalrechtliche Vorschriften verstoßen würden und damit rechtswidrig wären – wofür angesichts der Denkmalwertbegründung des Landesamtes für Kultur- und Denkmalpflege… vieles spricht – könnte der Antragsteller sich hierauf nicht mit Erfolg berufen«.

 

Nur Betroffenen können in Sachen Denkmalschutz klagen

 

Grund für die schwierige Rechtslage, ist der Paragraph 42 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO), der sogenannte »Popularklagen« nicht zulässt. Als Popularklagen werden Klagen bezeichnet, die jede Person stellen kann, unabhängig, ob sie von der Entscheidung betroffen ist oder nicht. Im Denkmalschutz ist dieser Weg nicht möglich, da in der Regel das Verwaltungsgericht zuständig ist. Damit beißt sich im Fall der Schwimmhalle nun die Katze in den Schwanz.

 

Die Eigentümerin, die Landeshauptstadt selbst, hätte die Möglichkeit eine Einstweilige Verfügung gegen den Abriss der Schwimmhalle erfolgreich beim Verwaltungsgericht durchzusetzen. Gleichzeitig wäre die Stadt aber auch Antragsgegner, gegen die sich die Verfügung richten müsste. Es ist aus juristischer Sicht eine verfahrene Situation, die im Moment in Schwerin stattfindet. Dass der Abriss der Schwimmhalle durch die Stadt rechtswidrig sein könnte, dafür sehen selbst die Verwaltungsrichter Anzeichen. Niemand kann die Rechtswidrigkeit des Verfahrens aber feststellen lassen, da das Verwaltungsgericht jeden Antrag ablehnen müsste, da es ein Popularanliegen darstellen würde.

 

Anders als im Umweltrecht, wo Popularklagen in Form von Verbandklagen zulässig sind und damit auch Vereine und Verbände klagen könnten, wenn sie nicht unmittelbar betroffen sind, ist das im Denkmalschutz nicht vorgesehen.

 

Klage (wohl) zulässig aber nicht begründet

 

Am vergangenen Montag stellte die Stadtvertreterin Anita Gröger beim Verwaltungsgericht in Schwerin den Antrag auf den Erlass einer einstweiligen Verfügung, die den Abriss stoppen sollte. Die Antragstellerin berief sich in ihrem Schriftsatz darauf, dass sie sich als Stadtvertreterin nicht ausreichend genug über den geplanten Abriss informiert fühlte. Diese Klage könnte nach Ansicht der Verwaltungsrichter »(wohl) zulässig, jedenfalls aber nicht begründet« sein. Beide Punkte sind aber die Voraussetzung für eine Annahme der Klage, die natürlich nichts über den Erfolg aussagt. Das Verwaltungsgericht bemängelt im Beschluss, dass Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch nicht »glaubhaft genug« dargelegt seien.

 

Die Schwimmhalle in Lankow ist bald nur noch ein Detail der Stadtgeschichte
Die Schwimmhalle in Lankow ist bald nur noch ein Detail der Stadtgeschichte

 

Einen Handlungsgrund schließt das Gericht aber nicht aus. In der Entscheidung heißt es dazu: »Zwar ist die Angelegenheit bei unterstellter Richtigkeit des – nicht glaubhaft gemachten – Sachvortrags der Antragstellerin dringlich und damit der erforderliche Anordnungsgrund gegeben…« Dem Gericht fehlt aber ein Anordnungsanspruch, aus dem heraus der Abrissstopp gerichtlich verfügt werden kann. Infomations- und Beteiligungsrechte, so das Gericht, reichen als Anspruch auf Erlassung einer Verfügung nicht aus. Das Recht auf Unterrichtung, gegebenenfalls auch im Eilverfahren, könne nur die Stadtvertretung als Ganzes gerichtlich durchsetzen.

 

Wohnungsbau ist Vorzugsvariante

 

Das Gericht weißt deshalb auch diesen Antrag zurück. Die Stadtverwaltung ist sich beide Male ihrer scheinbar unangreifbaren Position sicher. In ihren Stellungnahmen zu den beiden Anträgen, weißt sie immer wieder darauf hin, dass es sich bei den Anträgen um »unzulässige Popularanliegen« handelt und diese zurückzuweisen seien. Gestern wurde nun von einer Einzelperson Strafanzeige gegen die Landshauptstadt gestellt. Ob diese Erfolg hat, ist allerdings mehr als ungewiss. Sicherer ist hingegen, was nach dem Abriss kommen wird. In einer Information an die Stadtvertretung vom 20. April heißt es hinsichtlich der möglichen Nachnutzungoptionen der Fläche der Schwimmhalle Lankow. »Von den dargestellten Möglichkeiten ist die Nutzungsoption Wohnen aus Sicht der Verwaltung die Vorzugsvariante.« Vermutlich auch schon mit einem Investor in der Hinterhand.

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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