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Weltkulturerbe-Boom:
Schwerin jubelt, doch wo sollen die Touristen schlafen?

Das Schlossensemble ist nun UNESCO-Weltkulturerbe. Das stellt die Stadt vor Herausforderungen wie fehlende Hotelkapazitäten und offene Fragen zur Vermarktung. - Kommentar von Marc Eising.

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  • Veröffentlicht Juli 31, 2024
Wir sind Weltkulturerbe - Manuela Schwesig und Rico Badenschier am 30.07.2024 auf dem Markt
Wir sind Weltkulturerbe – Manuela Schwesig und Rico Badenschier am 30.07.2024 auf dem Markt. Foto:Dario Rochow

 

Nach der am Wochenende in Neu Delhi getroffenen Entscheidung, das Schweriner Schlossensemble als UNESCO-Weltkulturerbe auszuzeichnen, sind nicht nur Schweriner, wie Oberbürgermeister Rico Badenschier und Stadtpräsident Sebastian Ehlers, sondern auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Landtagspräsidentin Birgit Hesse in pure Euphorie gefallen. Auf der Seite der Deutschen UNESCO-Kommission ist vor allem „von Motoren regionaler Entwicklung“ die Rede, aber wie gut ist Schwerin auf das Weltkulturerbe vorbereitet?
Wo sollen die Touristen schlafen?

Ein Urlaubsziel braucht mehr als das Schlossensemble. Es braucht viel mehr eine touristische Infrastruktur. Mit mehr Touristen steigt auch die Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten, doch diese sind gerade in der Landeshauptstadt in den Sommermonaten knapp. Vergangenes Jahr stieg die Zahl der Übernachtungen in Schwerin um 8,2 Prozent an. 3.100 Betten sind in der Stadt registriert, der Bedarf dürfte aber laut Stadtmarketing um zehn Prozent höher sein.

Vorerst dürfte sich die Bettensituation nicht verbessern. Schwierigkeiten bei der Renovierung und Sanierung des alten Staatsbank-Gebäudes verzögern die Eröffnung des Luxushotels “Amedia Plaza Le Tresor”. Dem Onlineportal „Schwerin.news“ gegenüber teilte man mit, dass sich die Eröffnung bis 2025 verschiebe. Auch das “Vier Sterne-Superior-Hotel”, welches im ehemaligen Belasso Gebäude entsteht, wird voraussichtlich erst im Oktober 2025 eröffnet. Im April hatte auch die französische Budgethotelkette B&B angekündigt, ein neues Haus in der Innenstadt zu eröffnen. Anfragen unserer Redaktion nach dem aktuellen Sachstand blieben unbeantwortet. Es ist wohl davon auszugehen, dass das Bauvorhaben abgeblasen wurde.

Chance auf ganzjährig hohe Besucherzahlen

Vor der UNESCO-Entscheidung warnte der Landeschef der DEHOGA Lars Schwarz gegenüber der „Ostsee Zeitung“ vor einem Überangebot in der Nebensaison. Nachdem der Welterbetitel nun in Schwerin ist, sagt Schwarz unserer Zeitung: “Übersteigt das Angebot die Nachfrage, werden die Hotelzimmer unter hohem Preisdruck veräußert”. Mit der Ernennung zum Weltkulturerbe ist Schwarz davon überzeugt, dass “die kluge Vermarktung des Schlossensembles für eine ganzjährig hohe Nachfrage sorgen kann.”

Anfrage an das Stadtmarketing bleibt unbeantwortet

Vermarktung hätte uns auch interessiert. Wir haben daher beim Stadtmarketing nachgefragt, wie das Residenzensemble vermarktet werden soll?  Dabei hätte uns auch interessiert, wie das Tourismuskonzept der Stadt, auch im Hinblick auf internationale Gäste aussieht? Eine Stadt, die internationaler werden möchte,  muss sich im Bereich Mehrsprachigkeit beispielsweise auf Schautafeln, aber auch bei Stadtführungen besser auf internationale Gäste einstellen. Da verwundert es schon, dass das Stadtmarketing zu diesen Themen schweigt. Mehrere Anfragen der Redaktion dazu bleiben seit Montag unbeantwortet. Hier hat Schwerin also offensichtlich eine Baustelle.

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Die Präsentation des Ensembles ist ebenfalls eine Aufgabe, die eng mit dem Weltkulturerbetitel verbunden ist. Eine Sprecherin der Stadt teilte uns mit, dass ein Museum in das bereits geplante Stadtmuseum integriert werden soll. Aber zu einer Weltkulturerbestadt gehört mehr als ein Museum.

Schweriner freuen sich auf internationale Gäste

Gestern lud die Landeshauptstadt und der Welterbe-Förderverein zu einer Feier auf dem Marktplatz ein. Rund 2.000 Gäste feierten ausgelassen bei Freibier und Livemusik vom Musikclub den Welterbetitel. Maximilian Roth wohnt in einer der über 30 Anlagen, die zum Schlossensemble zählen. Unserer Zeitung gegenüber äußerte er, dass “er das Schloss jetzt noch bewusster wahrnimmt”. Er freut sich auf nationale und internationale Gäste in der Stadt. Eine Gruppe von Schwerinern, die im Takt zu der Musik mitwippen, freut sich über die steigende Wertigkeit von Schwerin. “Es ist ein positiver Impuls für unsere schöne Stadt und ich freue mich auf eine mittel- bis langfristige Entwicklung”, sagte eine von ihnen.

Rahmenbedingungen für eine Weltkulturerbestadt schaffen

Unter den Besuchern war auch Stadtvertreter Leif-Erik Holm (AfD). Er freut sich über den steigenden Bekanntheitsgrad und den perspektivischen Aufschwung der Stadt, merkte aber auch an, dass seitens der Stadt “wenig im Vorfeld geschehen” ist. Vor allem hätte die Stadt im Vorfeld “kein Feuer in der Schweriner Bevölkerung“ entfacht.

Die Ernennung des Schweriner Schlossensembles zum UNESCO-Weltkulturerbe ist ein bedeutender Erfolg und eine große Chance für die Stadt Schwerin. Die Euphorie und die positive Stimmung unter den Einwohnern und Verantwortlichen sind spürbar. Allerdings ist die Kapazität an Übernachtungsmöglichkeiten bereits knapp und wird durch weitere Touristen weiter zunehmen. Wichtige Hotelprojekte verzögern sich. Um den Titel als Weltkulturerbe optimal zu nutzen und die damit verbundenen Chancen voll auszuschöpfen, sind Konzepte im Bereich der touristischen Infrastruktur und der Vermarktung des Kulturerbes erforderlich.

 

 

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Marc Eising

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