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Corona in Schwerin: Ministerpräsidentin überrascht mit Öffnungsdebatte

Vorgestern vor einer Woche trafen sich Bund und Länder in der letzten Videoschalte, um einen weiterhin gemeinsamen Kurs im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu vereinbaren. Nach einem handfesten Krach zwischen

  • Veröffentlicht Januar 28, 2021
Die Coronazahlen für Schwerin und ganz MV vom 27. Januar 2021. | Abbildung: LAGUS MV

Vorgestern vor einer Woche trafen sich Bund und Länder in der letzten Videoschalte, um einen weiterhin gemeinsamen Kurs im Kampf gegen die Corona-Pandemie zu vereinbaren. Nach einem handfesten Krach zwischen Ministerpräsidentin Manuela Schwesig und Bundeskanzlerin Angela Merkel kam die Runde letztlich doch zu einem offenbar gemeinsamen Nenner. Wer die ähnlichen Runden in den Wochen zuvor allerdings verfolgt hatte, konnte den Aussagen eines gemeinsamen Vorgehens nur kritisch gegenüberstehen. Zu Recht, wie sich nun zeigt. Denn an sich hatte man sich sehr klar darauf verständigt, nun gemeinsam den harten Lockdown bis zum 14. Februar 2021 durchzuhalten und erst kurz davor neu zu entscheiden. Es war das erklärte Ziel, das auch Ministerpräsidentin Schwesig vertrat, dass der Inzidenzwert die Marke von 50 bzw. darunter erreichen müsse, bevor Öffnungen möglich würden. Zudem sollte bis zum 14. Februar eine Arbeitsgruppe von Bund und Ländern gemeinsam eine Öffnungsstrategie erarbeiten.

 

Öffnungsdebatte aus S-H und M-V

„Zielwerte“, „vereinbart“ und „Einigkeit“ scheinen allerdings in der Runde der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten keine klar definierten Worte zu sein. Denn bereits am Montag startete Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein, erneut eine Öffnungsdebatte. Während Deutschland in einem stabilen Sinken der Infektionszahlen und auf einem guten Weg ist, den es weiter zu gehen gilt, sprach er von einem Öffnungsplan. Dem ließ sich auf den ersten Blick auch eigentlich nur entgegensetzen, dass man diesen doch für einen bundesweiten gemeinsamen Weg auch gemeinsam besprechen wollte. Das aber schien Daniel Günther nicht zu reichen. Und Vereinbarungen scheinen in seinem politischen Handeln nicht zwingend zum Einhalten erfunden zu sein. Denn die Jamaika-Koalition unter seiner Führung entwickelte nun einen eigenen Öffnungsplan, der bereits bei einem Inzidenzwert von 100 erste Lockerungen vorsieht. Dies widerspricht eindeutig den Vereinbarungen der Ministerpräsidentenkonferenz mit der Bundeskanzlerin, in denen der Wert 50 galt.

 

Plötzlich ist 100er-Inzidenz wieder als Wert im Gespräch  – Zielwert für Öffnungen war mit 50 vereinbart

Aber Günther war bereits im Dezember, im Vorfeld des Beginns des harten Lockdowns, als fröhlicher Öffner aufgefallen. Denn er öffnete fix Anfang Dezember – als bundesweit die Verlängerung des „Lockdown Light“ beschlossen wurde – die Kosmetikstudios. Schnell sprang damals auch Ministerpräsidentin Manuela Schwesig aus Mecklenburg-Vorpommern auf diesen Zug auf und stellte kurzfristige Öffnungen in dieser Branche in Aussicht. Diejenige also, die in der aktuell jüngeren Vergangenheit nicht müde wurde, in Talkshows darauf hinzuweisen, dass sie stets eine Verfechterin eines harten Kurses gewesen sei. Da treffen Realität und Selbstwahrnehmung scheinbar hart aufeinander. Etwas schneller als Günther wurde sie allerdings von der Realität einer Pandemie heimgesucht, die sich von den Öffnungsambitionen der beiden Nordlichter nicht beeindrucken ließ. Im Ergebnis gingen beide Länder auch mit geschlossenen Kosmetikstudios in den harten Lockdown.

 

Speziell im Schulbereich hatte es zwischen Schwesig und Merkel gekracht

Nun sind es tatsächlich wieder die beiden Nordlichter, die aus dem vereinbarten Kurs ausbrechen. Beziehungsweise, die ihn offenbar in seiner Konsequenz in Frage stellen. Denn wieder fuhr Daniel Günther einen Öffnungs-Zug an. Und wieder springt Manuela Schwesig auf. Auch bei ihr kommt plötzlich – entgegen der Vereinbarungen und ihrer eigenen Aussagen nach dem letzten Bund-Länder-Gipfel – wieder die 100er-Marke ins Gespräch. Dann nämlich möchte sie Schulen wieder öffnen. Damit bricht Schwesig genau dort nochmals aus den Absprachen aus, wo es zwischen ihr und der Kanzlerin gekracht hatte. So sehr gekracht, dass eine Unterbrechung der Runde erforderlich wurde. Nur eine Telefonkonferenz zwischen Angela Merkel (CDU), Olaf Scholz (SPD), Michael Müller (SPD), und Markus Söder (CSU) konnte letztlich einen tragfähigen Kompromiss erzielen, den es für alle mitzutragen galt. Nun könnte sie eventuell bereits im Vorfeld einer neuen Bund-Länder-Runde die Pflöcke neu setzen wollen.

 

Bisheriges Länderhandeln setzt sich fort

Wie tragfähig der Bund-Länder-Aussagen sind, zeigt sich jetzt, da Manuela Schwesig und auch Daniel Günther sie bereits zu konterkarieren scheinen. Selbst die Öffnung von Friseuren brachte Schwesig, ebenso wie Günther, bereits deutlich jenseits der 50er-Marke ins Gespräch. Beide sind damit erneut ein Beispiel für ein Spiel, dass verschiedene Länder mit dem Bund und mit den Menschen in Deutschland nun schon lange spielen. Harte vom Kanzleramt geforderte Maßnahmen, die auf bis heute immer richtigen Prognosen basierten, weichwaschen, Vereinbarungen treffen – und dann brechen. Die Frage, inwieweit damit eine Mitverantwortung für die viel zu lange viel zu hohen Infektions- und auch Sterbezahlen bei zumindest einigen der Länderchefs liegt, verstummt bei dieser Beobachtung wohl kaum.

 

Trend für Deutschland vorsichtig optimistisch – Schwesig unterstützt offenbar angedachten harten Kurs für Reiseverkehr

Dass es grundsätzlich sinnvoll ist, auch Öffnungsszenarien zu erarbeiten, steht sicherlich außer Frage. Aber verantwortungsbewusst im Inhalt und vor allem in der Kommunikation. Genau das ist weiterhin das gute Signal: Deutschlandweit sinkt die 7-Tage-Inzidenz täglich. Auch die Zahl der täglichen Neuinfektionen befindet sich damit auf einem guten Weg. Erschreckend hoch allerdings war gestern nochmals die Zahl der bundesweit binnen 24 Stunden als am oder mit dem Corona-Virus verstorben gemeldeten Personen. Beinahe 1.000 waren es wieder (ca. 980).

Allerdings, aber darauf wies Ministerpräsidentin Schwesig auch sehr deutlich hin, müssen die Entwicklungen rund um die mutierten Virusversionen sehr genau im Blick bleiben. Denn von ihnen kann eine große Gefahr des erneuten exponentiellen Infektionsanstiegs ausgehen. Daher scheinen auch deutliche Einschränkungen des Reiseverkehrs, vor allem des Flugverkehrs, im Gespräch zu sein. Maßnahmen, die Schwesig offenbar auch in der angedachten Härte unterstützen will. 

 

Zahlen für M-V und Schwerin machen weiter Mut

Weiterhin in die richtige Richtung zeigen auch die Zahlen für Mecklenburg-Vorpommern. Nachdem für Dienstag mit 381 Neuinfektionen noch ein im Vergleich zur Vorwoche leicht höherer Wert gemeldet wurde, waren es gestern 248. 42 weniger als am Mittwoch der Woche zuvor. Die Inzidenz liegt nun bei 100,3. Und damit nicht mehr wirklich entfernt von der neuen magischen 100er-Grenze der Ministerpräsidentin. Was eben ihre gestrigen Äußerungen zusätzlich brisant macht. Allerdings ist wohl nicht davon auszugehen, dass eine Schulöffnung noch vor den Ende kommender Woche beginnenden Winterferien ins Haus steht.  „Nur“ der Landkreis Vorpommern-Greifswald verharrt zudem weiter an der Grenze zum Hochrisikogebiet (199,5). Hingegen zeigen die Entwicklungen des Anfang des Monats noch deutlich über der 200er-Marke gelegenen Landkreises Mecklenburgische Seenplatte (147,6) und des kurzzeitig an der neuen 150er-Grenze kratzenden Ludwigslust-Parchim (129,9) weiter in die richtige Richtung.

 

Gestern nur 11 neue Fälle in Schwerin

Für die Landeshauptstadt Schwerin bleibt auch der positive Trend weiter erkennbar. Lediglich 11 Neuinfektionen meldeten das städtische Gesundheitsamt wie auch das LAGUS MV gestern. Hinsichtlich des Inzidenzwertes gibt es momentan zwischen Stadt (85,7) und Landesamt (86,8) leicht abweichende Angaben. Grundsätzlich aber ist dieser Wert wieder deutlich unter der 100er-Marke und scheint auch weiter zu sinken. Damit bleibt eine berechtigte Hoffnung in Schwerin, auch in den kommenden tagen und hoffentlich Wochen weiter sich im zweistelligen Bereich stabilisierende Inzidenzwerte zu verzeichnen.- Der Wert 50 scheint durchaus im Bereich des Möglichen. Ein gutes Zeichen, das die Hoffnung weiter stützt, bleiben die vergleichsweise niedrigen Meldungen über positive Tests durch Hausarztpraxen. Hier kamen gestern lediglich vier hinzu. 

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Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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