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MVgida: Das folgt für mich daraus

  Wie mit MVgida umgehen? Über den Weg streiten sich die Politiker und auch die Zivilgesellschaft. Im Stadtteiltreff „Eiskristall“ auf dem Dreesch sucht man den Dialog. Das erfreute in den

  • Veröffentlicht Februar 23, 2015

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Wie mit MVgida umgehen? Über den Weg streiten sich die Politiker und auch die Zivilgesellschaft. Im Stadtteiltreff „Eiskristall“ auf dem Dreesch sucht man den Dialog. Das erfreute in den letzten Wochen nicht jeden. Die Vorsitzende des Vereins „Die Platte lebt“, Hanne Luhdo, gehört zu den Mitinitiatoren des Dialogs. Hier schildert sie, warum sie lieber reden als beschimpfen möchte.

 

„Und was folgt daraus?“ war die Überschrift der SVZ am 18. 02. 2015 zur Berichterstattung über das zweite „offene Forum“ im Stadtteiltreff „Eiskristall“ in Schwerin. Die Antwort darauf fällt sehr unterschiedlich aus. Die Einen sehen sich bestärkt darin, dass die Redeverweigerung richtig ist. Ganze Demokratie-Bündnisse bzw. Teile davon sprechen sich gegen Dialoge aus. Nicht wenige Unterzeichner sind 1989 auf die Straße gegangen, um für Freiheit, Demokratie und Meinungsfreiheit einzutreten. Und nun verurteilen sie aus der Ferne die, die 2015 bereit sind, mit Andersdenkenden zu reden. Die Initiatoren des „offenen Forums“  haben sich mit ihrer Geschäftsordnung klar von Rassismus und Menschenfeindlichkeit abgegrenzt, aber auch klar gesagt: Offen sein schließt aussperren aus.

 

Das Reden tut dem Menschen gut, nur braucht er dazu etwas Mut – im Kleinen wie im Großen. Wir wollen nicht, dass sich unsere Kinder wegen eines Spielzeugs schlagen, sondern sich friedlich einigen. Wir wollen, dass Jugendliche im Konflikt die Fäuste in der Hosentasche lassen und sich mit Worten wehren. Wir wollen, dass ein Ehestreit nie mit Gewalt endet. Wir wollen Diplomatie statt Krieg. Ist es da nicht folgerichtig, dass wir das Gespräch den lautstarken Demos, die Gewaltpotenzial in sich bergen, vorziehen?

 

Wovor haben die Angst, die sich dem Gespräch verweigern?

 

Dass Nazis die Gesprächsführung übernehmen und mit ihren Parolen Rassismus verbreiten? Menschenverachtende Parolen werden nicht zugelassen. Das Gespräch haben die Organisatoren in der Hand.

 

Dass sie die Meinungen der Andersdenkenden nicht aushalten? Toleranz heißt Duldsamkeit. Wie weit sie reicht, muss jeder für sich selbst entscheiden. Man kann auch gehen.

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Dass sie nicht die richtigen Gegenargumente und keine Antwort auf alle Fragen haben? Niemand ist allwissend und perfekt. Aber zusammen findet man leichter Erklärungen.

 

Dass sie einen Fehler machen und nach dem Motto leben: Wer nichts macht, macht keine Fehler. Genau das aber ist ein Fehler!

 

Dass  Parteien fürchten, im Wahlkampf Minuspunkte zu bekommen?

 

Beim zweiten Forum wurde mehrfach der Wunsch nach Gesprächen mit  Volksvertretern geäußert. Darüber müsste sich doch jeder Politiker freuen. Oft bleiben die Bürgersprechstunden und Einwohnerversammlungen, Einladungen von Ortsbeiräten und anderen Gremien ungenutzt. Doch jetzt ist offensichtlich Redebedarf. Die Bürger da abholen, wo sie sind. Ist das nicht die Pflicht jedes demokratisch gewählten Abgeordneten?

 

Immer kurz vor der Wahl, egal, ob auf kommunaler oder landesweiter Ebene, schließen sich alle demokratischen Parteien zusammen, um Einigkeit gegen Rechtsextremismus zu demonstrieren. Sie bekräftigen sich gegenseitig, wie wichtig es ist, zur Wahl zu gehen, aber nicht die NPD zu wählen. Doch darin war man sich auch vorher schon einig. NPD-Wähler oder Sympathisanten kommen nicht zu solchen Wahlveranstaltungen. Man ist unter sich.

 

Nun aber besteht die Chance, ins Gespräch zu kommen. Warum scheut man es? Ist die Landtagswahl noch nicht nah genug?

 

Ich sehe keine Alternative zum Reden.

 

Stellt Euch vor, es ist Demo und keiner geht hin!

 

Wir hätten in Schwerin jeden zweiten Montag frei, um Gespräche zu führen – ohne uns gegenseitig zu beschimpfen und anzuschreien.

 

Stellt Euch vor, die MVgida-Anhänger entziehen den Nazis die Plattform, auf die sie aufgesprungen sind und melden die nächsten Demos ab – um mit denen zu reden, die ein offenes Ohr für ihre Fragen, Sorgen und Nöte haben.

 

Auch ich habe Angst vor Terror und Krieg und verstehe die Welt nicht mehr, wenn ich an Russland und die Ukraine oder an den Nahen Osten denke. Soziale Ungerechtigkeit und wachsende Armut machen mich wütend. Aber ich möchte etwas dagegen tun – gemeinsam mit allen friedliebenden Menschen, um die Menschenwürde zu schützen. Doch momentan dominiert die Zersplitterung. Ängsteabbau beginnt mit dem Aufbau von Selbstbewusstsein. Wenn sich alle Bündnisse, die sich für Frieden, Weltoffenheit, Demokratie und Toleranz einsetzen, in ihrer Dialogbereitschaft einig wären, würde ich mich stärker fühlen

 

Hinweis: Die Schweriner Stadtvertreter haben im Januar beschlossen, dass sie „Gespräche und Begegnungen im Rahmen des interreligiösen Dialogs, des Runden Tisches Soziales, des Runden Tisches Asyl und weiterer Initiativen, die darauf gerichtet sind, Ängste und gegenseitige Vorbehalten abzubauen“, unterstützen.

 

 Hanne Luhdo

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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