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Gedenken an Reichspogromnacht

(sr). Gestern Abend erinnerten die Jüdische Gemeinde Schwerins und viele Schwerinerinnen und Schweriner an die Reichsprogromnacht vom 9. November 1938.   Zum 76. Mal jährte sich am vergangenen Sonntag die

  • Veröffentlicht November 9, 2014
Gemeinsam mit vielen Schwerinerinnen und Schwerinern gedachte die Jüdische Gemeinde der Reichsprogromnacht vor 76 Jahren
Gemeinsam mit vielen Schwerinerinnen und Schwerinern gedachte die Jüdische Gemeinde der Reichsprogromnacht vor 76 Jahren

(sr). Gestern Abend erinnerten die Jüdische Gemeinde Schwerins und viele Schwerinerinnen und Schweriner an die Reichsprogromnacht vom 9. November 1938.

 

Zum 76. Mal jährte sich am vergangenen Sonntag die Reichspogromnacht, die allgemein besser als »Kristallnacht« bekannt geworden ist. Auch in Schwerin wurde vom 9. zum 10. November 1938 das jüdische Gotteshaus am Schlachtermarkt von den Nationalsozialisten geschändet und zerstört. Die Reaktionen der Schwerinerinnen und Schweriner auf die rassistisch motivierten Verbrechen reichten von Begeisterung bis zu stillschweigender Zurückhaltung. Offenen Widerstand gab es, wie in anderen Landstrichen auch, in Schwerin ebenso wenig.

 

Die jüdische Gemeinde der Landeshauptstadt erinnerte gestern Abend mit einer Gedenkveranstaltung an das Verbrechen gegenüber den jüdischen Menschen, das reichsweit als Auftakt zur Endlösung gesehen werden muss und zur Ausrottung des jüdischen Lebens auch  in Schwerin führte.

 

Die Namen der Schweriner Juden, die in die Vernichtungslager deportiert worden sind, erinnerten an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte
Die Namen der Schweriner Juden, die in die Vernichtungslager deportiert worden sind, erinnerten an ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte

 

»Wir alle stehen heute hier gegen das Vergessen«, begrüßte ein Vertreter der jüdischen Gemeinde die zahlreich erschienenen Gäste. »Wir wollen nicht schweigen«, sagte er weiter. An der Wand der seit einigen Jahren wieder neu errichteten Synagoge am Schlachtermarkt wurden die Namen derjenigen Schweriner Juden projiziert, die in die Vernichtungslager deportiert wurden und deren Leben dort ausgelöscht wurde. Für viele der Anwesenden wurde hier eine Brücke zwischen Gegenwart und Vergangenheit gebaut, die sehr berührte.

 

»Als ich den Stern getragen habe, gingst Du auf die andere Seite«

 

Mit verschiedenen Gedichten rund um die Themen Erinnerung, Vergessen über das Wegsehen und das Schweigen wurde auch jüngeren Menschen deutlich, wie Verdrängungsmechanismen letztlich dazu führen, dass unter den eigenen Augen Verbrechen begangen werden können. Es waren Sätze wie »Als ich den Stern getragen habe, gingst Du auf die andere Seite« oder »Aus Deinem Fenster schautest Du zu und zogst die Vorhänge zu« die anrührten und vielen Anwesenden deutlich machten, dass hier nicht nur aus einer dunklen Vergangenheit an Mitmenschlichkeit und Zivilcorage appeliert wurde. Nein, dieser Anklage und der damit verbundene eingeforderte Mut wird aktuell dringender den je gebraucht. Wenn Juden in Deutschland sagen, das es wieder gefährlich sei in Deutschland zu leben, dann geht das uns alle etwas an. Die Wochenzeitung »Die Zeit« zitierte im Juli diesen Jahres einen jüdischen 34 Jahre jungen Mann mit den Worten »Die Stimmung in Deutschland ist gerade sehr deprimierend« und weiter »Ich glaube, dass die Israel-Befürworter absolut in der Minderheit sind.«. Sapir, so heißt der Mann, der in Berlin lebt kommt zu einem ziemlich erschreckenden Ergebnis »Ich hätte im Moment Angst, in Berlin mit einer Kippa auf die Straße zu gehen.«. Spätestens anhand dieser Äußerungen wird klar, dass die Reichspogromnacht nicht so weit weg ist wie wir und das sicherlich alle wünschen würden.

 

Ein wenig stolz in diesem Land zu leben

 

Landerrabbiner William Wolff »Das was 1938 auch hier an dieser Stelle passieren konnte, ist für heutige Vorstellungen in Deutschland undenkbar«
Landerrabbiner William Wolff »Das was 1938 auch hier an dieser Stelle passieren konnte, ist für heutige Vorstellungen in Deutschland undenkbar«

Mecklenburg-Vorpommerns Landesrabbiner und Ehrenbürger von Schwerin, William Wolff ist in dieser Hinsicht allerdings optimistischer. Er bedankt sich für die Anwesenheit der zahlreichen Menschen. »Das was 1938 auch hier an dieser Stelle passieren konnte, ist für heutige Vorstellungen in Deutschland undenkbar«, meint Wolff zuversichtlich. Dieses Gefühl verleihe Sicherheit. Wolff betont, dass er dankbar und sogar ein »wenig stolz in diesem Land zu leben« sei. Diese Worte machen Mut und strahlen Optimismus aus, den man vielleicht so nicht erwartet hätte.

 

Ein jüdisches Gedächnisgebet und das Kaddisch-Gebet, das Gebet für die Toten beschließt die Gedenkveranstaltung vor der Synagoge. Jeder Anwesende legt dann noch zum Abschluss eine weiße Blume auf dem Schlachtermarkt nieder.

Kerzen und Blumen erinnern an das Verbrechen vor 76 Jahren
Kerzen und Blumen erinnern an das Verbrechen vor 76 Jahren
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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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