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Schwerin: „Die Verantwortung liegt eindeutig bei der Stadt!“

Vorerst sieht es also danach aus, dass es in Schwerin keinen Bürgerentscheid zum Radentscheid geben wird. Ausführlich haben wir in den vergangenen Tagen die emotionale Position der Initiatoren, die rückblickende

  • Veröffentlicht Mai 21, 2021
Mehr als 6.000 Unterschriften sammelte die Initiative „Radentscheid Schwerin“. Zum Bürgerentscheid kommt es vermutlich nicht. Die Verantwortung dafür dürfte im Stadthaus liegen. | Foto: Konrad Kröner

Vorerst sieht es also danach aus, dass es in Schwerin keinen Bürgerentscheid zum Radentscheid geben wird. Ausführlich haben wir in den vergangenen Tagen die emotionale Position der Initiatoren, die rückblickende Darstellung der Fraktion Unabhängiger Bürger (UB), die kommunalrechtliche Schlussfolgerung des Innenministeriums und eine durchaus schon polemisch wirkende „Direkte Demokratie darf nicht von Geld abhängen“-Perspektive des Oberbürgermeisters dargestellt. Polemisch daher, da es Dr. Rico Badenschier nicht nur besser wissen muss, sondern besser weiß, dass dieser verkürzte Zusammenhang in dieser so wichtigen Frage nicht statthaft ist. 

 

Aktuell Grenze zwischen Sachlichkeit und emotional verkürztern Darstellungen

Nachdem nun so viele schon zu Wort gekommen waren, wollten die Fraktionen der GRÜNEN und von CDU/FDP in dieser Frage offenbar nicht nachstehen. Auch sie meldeten sich mit Pressemitteilungen am Mittwoch zu Wort. Darin wird erneut deutlich, wo die Grenze der Diskussion derzeit verläuft. Denn auf der einen Seite stehen diejenigen, die eine rechtlich-nüchternere Betrachtung wählen. Auf der anderen Seite finden sich diejenigen, die mit offenbar sehr viel Emotionalität in dieser Sache unterwegs sind – und diese scheinbar über eine sachliche Betrachtung stellen. Allen, das darf man mit Gewissheit sagen, ist an einer Verbesserung der aktuellen Situation für Radfahrer in Schwerin gelegen. Vielleicht, oder auch vermutlich, mit unterschiedlicher Prioritätensetzung und unterschiedlichem Angang. 

 

Argumentation teilweise verkürzt 

Regina Dorfmann, Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen Schwerin | Foto: Fotostudio Warsakis

Und es ist auch nicht, dies gleich vorweg, „unfair“, einer Seite die Sachlichkeit – zumindest zuweilen – abzusprechen. Denn dort, wo das Oberbürgermeister-„Argument“ ebenfalls herausgeholt und mit der wissentlich verkürzten Keule „Kein Geld = keine direkte Demokratie“ gewirbelt wird, da bedarf es eines emotionalen Herunterfahrens und einer Rückkehr zur Sachlichkeit. Denn hier wird wissentlich mit einem falschen „Argument“ gearbeitet. Und das wird der Bedeutung der Situation letztlich nicht gerecht. Eben diese verkürzt falsche Darstellung aber kommt nun auch aus den Reihen der Fraktion DIE GRÜNEN in Schwerin. „Wir sind entsetzt über die Haltung des Innenministeriums, die im Kern sagt, dass sich nur finanzstarke Kommunen direkte Demokratie leisten dürfen. Das ist ein falsches Signal an Menschen, die sich ehrenamtlich für Gemeinwohlbelange engagieren und trägt nicht dazu bei, das Vertrauen in die Demokratie zu stärken. […] Hier wird direktes Mitwirken der Bürgerinnen und Bürger einfach nicht gewollt“, so die Fraktionsvorsitzende Regina Dorfmann.

 

Argumentation in Teilen nicht korrekt

Hier allerdings irrt sie – und man muss leider davon ausgehen, dass sie das weiß. Auch wenn von den Initiatoren über den Oberbürgermeister bis zur Fraktionschefin der Grünen dieser Zusammenhang gebetsmühlenartig wiederholt wird, wird er nicht richtiger. Niemand hat erklärt oder würde dies tun, dass sich nur finanzstarke Kommunen eine direkte Demokratie leisten können oder dürfen. Das ist auch nicht der Kern der Kritik des Innenministeriums. Den Menschen „da draußen“ dies erklären zu wollen, grenzt an Unanständigkeit. Ebenso die Behauptung, im Innenministerium wolle man keine Bürgerentscheide. Kämen umgekehrt Unterstellungen dieser Art – bei welchem Thema auch immer – aus dem Arsenal in Richtung Stadtvertretung Schwerin, wäre der Aufschrei in der Kommunalpolitik sicherlich groß. Zu Recht.

 

Bürgerentscheide sind nicht per se vom Geld abhängig!

Problemlos können selbstverständlich auch klamme Kommunen verschiedenste Themen in Bürgerentscheiden abstimmen lassen. Es gibt diesen als so grundsätzlich dargestellten Zusammenhang nicht! Was sich als richtig abzeichnet ist, dass für Bürgerentscheide eine gleiche Hürde gilt, wie für Entscheidungen der Stadtvertretung: Ist mit dem Beschluss eine zwingende Mehrausgabe verbunden, und die Kommune hoch verschuldet, muss Klarheit über die Finanzierung her. Zumindest dann, wenn die Stadt parallel am zusätzlichen Finanztropf des Landes hängt. Und genau das wissen DIE GRÜNEN auch, das darf man durchaus so unterstellen.

 

Widersprüchliche Aussagen zu stadtseitigem Finanzbedarf bei Radentscheid

Dass der Ansatz „dabei setzen sowohl der Radentscheid als auch die Landeshauptstadt auf die Einwerbung von Fördermitteln mit einer 100%igen Förderquote“, als Gegenfinanzierung für nicht einmal bekannte Kosten leider nicht ausreicht, ist den GRÜNEN sicherlich auch bewusst. Und hier steht man, was die Gesamtlage ungewollt illustriert, sogar noch im klaren Widerspruch zu Oberbürgermeister Dr. Badenschier, dessen argumentative Linie man doch eigentlich mitzugehen scheint. Während DIE GRÜNEN suggerieren, es kämen gar keine Mehrausgaben auf die Stadt zu, hatte Badenschier im Falle eines erfolgreichen Bürgerbegehrens von der „Notwendigkeit“ gesprochen, „über die im städtischen Haushalt festgelegten Prioritäten neu nachzudenken und diese im Sinne des Entscheids möglicherweise auch neu zu bewerten“.

Also doch Mehrausgaben. Und in nicht unerheblichem Maße. Denn eine Prioritäten-Neusetzung ist nur dort erforderlich, wo große Geldbeträge neu verteilt werden müssen. Eben diese Widersprüchlichkeiten zeigen doch bereits, welch Ungereimtheiten es in Fragend er Finanzierung gibt. Auch wenn es schmerzt, bleibt dem Innenministerium vor diesem Hintergrund rechtlich keine andere Möglichkeit, als den Zug zu stoppen, ehe er gegen die Wand fährt. 

 

CDU/FDP: „Innenministerium politische Interessen vorzuwerfen, ist absurd“!

Gert Rudolf, Vorsitzender CDU/FDP-Fraktion, Schwerin | Foto: Fotostudio Sylvana Warsakis

Hier setzt auch die Position der CDU/FDP-Fraktion in Schwerin an, die wie die UB-Fraktion schon auf der Sitzung der Stadtvertretung die nun eingetretene Situation hat kommen sehen. „Wir haben zusammen mit den Unabhängigen Bürgern einen Weg aufgezeichnet, wie sich das Anliegen der mehr als 6.000 Schwerinerinnen und Schweriner umsetzen lässt. Mit unserem Antrag hätten wir den Grundgedanken der Initiative aufgenommen und wären zu einer verlässlichen Umsetzung gekommen. Eine Mehrheit in der Stadtvertretung und die Initiatoren des Radentscheids wollten diesen Weg nicht mitgehen“, so Fraktionsvorsitzender Gert Rudolf. „Dem Innenministerium die Durchsetzung politischer Interessen vorzuwerfen, ist völlig absurd. Die Kommunalabteilung ist an Recht und Gesetz gebunden, genau wie der Minister. Egal, ob man diese Position teilt oder nicht“.

 

Stadt nutzte Gesprächsangebot nicht!

Sicherlich Recht hat Regina Dorfmann mit ihrer Kritik daran, dass das Ministerium scheinbar direkte Gespräche mit der Initiative Radentscheid Schwerin nicht führen wollte. Das hätte man tun können. Aber dann wackelt die Realität erneut. „Selbst im Nachgang wurde nicht konstruktiv an einer bürgerfreundlichen Lösung gearbeitet, sondern die Entscheidung der Stadtvertretung beanstandet und damit schlicht abgelehnt. Das kritisieren wir aufs Schärfste. So sieht kein bürgernahes Handeln aus“. Auch das ist falsch. Denn längst ist doch bekannt, und das wissen DIE GRÜNEN, sprechen es aber nicht an, dass das Innenministerium gegenüber der Stadt im Vorfeld der Stadtvertretersitzung ein Gesprächsangebot unterbreitet hatte, das diese nicht wahrnahm. Weshalb die Stadt diese Möglichkeit nicht nutzte, sondern wissend um die Kritik aus dem Innenministerium den vor dem Entgleisen stehenden Zug weiterfahren ließ, müsste man doch eigentlich hinterfragen. 

 

Emotionale Debatte soll von eigentlich Verantwortlichen ablenken

Und genau damit machen sich DIE GRÜNEN zum nützlichen Gehilfen der Stadtverwaltung, die derzeit mit ganzer Kraft die emotional aufgeheizte Debatte zu nutzen und noch anzuheizen versucht, um von einem eigenen Versagen abzulenken. Denn es war und bleibt die fehlerhafte Rechtseinschätzung der Stadtverwaltung, die die Initiatoren des Radentscheids in diese Falle hat laufen lassen. Dies sieht auch die CDU/FDP-Fraktion so: „Wenn wir jetzt also anfangen, nach der politischen Verantwortung zu suchen, liegt diese eindeutig bei der Stadt. Wären die Hinweise der Rechtsaufsicht aufgenommen worden, wären wir jetzt nicht in dieser für alle Beteiligten misslichen Lage“.

Dort, bei der Stadtverwaltung, in der Rechtsabteilung oder auch in anderen Büros gilt es hinzuschauen und die Verantwortung zu suchen. Dies zu untersuchen wäre jetzt eine wichtige Aufgabe für die Stadtpolitik. Denn dieser Fall scheint aktuell nicht der einzige zu sein, der aktuell ein fragwürdiges Licht auf die rechtlichen Beurteilungen aus dem Stadthaus wirft. Aber dazu in Kürze mehr.

 

Veranstaltungshinweis

Für den morgigen Samstag, 22. Mai 2021, ruft die Initiative Radentscheid Schwerin zu einer Demonstration auf. Diese soll sich dagegen richten, dass das Innenministerium den Beschluss der Stadtvertretung „kassiert“ hat, und der Bürgerentscheid nicht stattfinden darf. „Dagegen wollen wir uns wehren“, so Madleen Kröner, Sprecherin der Initiative. Treffpunkt ist 11 Uhr vor der Staatskanzlei. Danach soll es zu Fuß durch die Mecklenburgstraße zum Innenministerium gehen. Wer möchte, kanns ein Fahrrad mitbringen und dieses während der Veranstaltung schieben.

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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