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Schwerin: FKK mitten in der Stadt – Unverpackt einkaufen bei Geneviève und Susanne

FKK mitten in Schwerin. Nein, das ist nicht die Erweiterung eines Antrags der Grünen-Fraktion in der Stadtvertretung, der bereits viel Zustimmung erfuhr. Die Fraktion hatte angeregt, im Bereich der Werdervorstadt

  • Veröffentlicht Januar 6, 2021
FKK mitten in Schwerin… | Foto: FKK – Freie Konsum Kultur Schwerin

FKK mitten in Schwerin. Nein, das ist nicht die Erweiterung eines Antrags der Grünen-Fraktion in der Stadtvertretung, der bereits viel Zustimmung erfuhr. Die Fraktion hatte angeregt, im Bereich der Werdervorstadt aber auch hinter dem Marstall öffentliche Badestellen einzurichten. Das stieß durchaus bei vielen auf Gegenliebe. Denn derzeit lebt man gerade im Sommer in Schwerin eher am als im Wasser. Eine Situation, die Menschen aus anderen Städten bei dem Wasserluxus Schwerins kaum nachvollziehen können.

 

FKK mitten in Schwerin – was steckt dahinter?

Mit Blick auf diesen Antrag und die vielseitige Unterstützung ist es beinahe logisch, dass so mancher Blick sofort wieder in Richtung der Grünen-Fraktion geht, wenn von FKK mitten in Schwerin die Rede ist. Aber weit gefehlt. Ganz so weit wollen Regina Dorfmann und ihre Fraktionsmitglieder dann wohl doch (noch) nicht gehen. Was aber hat es dann mit FKK mitten in Schwerin auf sich? Etwa Planschbecken auf dem Marktplatz, in denen man dann diesem einstmals ostdeutschen Badetrend nachgehen soll? Nein, bitte doch nicht. Zwar sind von den neuen Betreibern des Säulengebäudes – Thomas Jezerkowski und Martin Neuhaus – sicherlich in Zukunft manch skurrile Aktionen zu erwarten. Denn sie wollen und werden dem Marktplatz mit ihrem Markthallen-Konzept im Säulengebäude und bestimmt vielen ideenvollen Veranstaltungen neues Leben schenken. Und da war auch schon mal von Planschbecken die Rede. Aber nicht ganz hüllenlos. Eine Badeenten-Ralley scheint dort mit den beiden wahrscheinlicher, als eine FKK-Fläche.

 

„Lebensmittel hüllenlos – nackt eben“

Lebensmittel „nackt“ gibt es derzeit mitten in Schwerin. | Illustration: FKK Schwerin

Also auch das nicht. Keine Badestelle, kein freizügiges Planschen vor dem Säulengebäude. Was um alles in der Welt hat es dann aber mit „FKK mitten in Schwerin“ auf sich? Lösen wir es also auf. Mit Natur hat die ganze Sache im weitesten Sinne tatsächlich zu tun. Nämlich damit, die Natur nicht mit unnötig zusätzlichen Verpackungen aus unseren vielen Einkäufen zu verdrecken. FKK steht für „Freie Konsum Kultur“. Und damit ist eben nicht das ungezügelte Einkaufen gemeint, sondern vielmehr das umweltbewusste Kaufen von Lebensmitteln, Haushaltswaren und manch anderem Produkt. Eben ohne jede Verpackung.

„Lebensmittel hüllenlos, so wie die Natur sie erschaffen hat. Nackt eben“.  Und das ist kein neuer Trend, keine Modeerscheinung und auch keine fixe Idee irgendwelcher Öko-Typen. Nein. Der Einkauf in „Unverpackt-Läden“, wie sich die Geschäfte nennen, in denen die „nackten Güter“ gekauft werden können, ist längst eine Entwicklung, die in zahlreichen Regionen und Ländern an Beliebtheit, Akzeptanz und vor allem deutlicher Unterstützung gewonnen hat.

 

Ursprungsidee liegt schon ein wenig zurück

Geneviève Braune, Schwerin | Foto: privat

Eine tolle Idee, die bis vor Kurzem ihren Weg noch nicht so ganz bis nach Schwerin schaffte. Gedanklich aber ist sie auch hier nicht ganz neu. Denn schon beim Schweriner Gründerwettbewerb 2017 überzeugte die Idee unter dem spannenden und eben auch vieldeutigen Namen „FKK – Freie Konsum Kultur“ die Jury. Geneviève Braune und ihre damalige Projekt-Mitstreiterin konnten ihre Idee aus verschiedenen Gründen dann allerdings doch nicht so umsetzen, wie gedacht. Wer aber eine echte Vision hat, eine Idee, für die er bzw. sie so richtig brennt, gibt so ein Projekt letztlich doch nicht auf. Nicht zuletzt auch, da diese Siegerinnen-Idee sich in so manchen Köpfen in Schwerin festgesetzt hatte. Ganz still wurde es daher nicht so wirklich um das Projekt.

 

Rückkehrerin bringt zusätzlichen Schwung in die Idee

Und letztlich war es eine Rückkehrerin, die dem Projekt und Geneviève, die in Gedanken immer das Projekt im Blick behielt, neuen Schwung ermöglichte. Nach vielen Jahren in Vietnam war nämlich die einstige Schwerinerin Susanne Meletzki gemeinsam mit ihrem Sohn in ihre alte Heimat zurückgekehrt. Die Zeit im fernen Ausland hatte Susanne auf ganz neue Wege gebracht. Sie konnte unglaublich tolle Erfahrungen sammeln, bereits mit ökologischen Konzepten, die auch ökonomisch funktionieren, Erfahrungen sammeln. All das wollte und will sie nun irgendwie hier in Schwerin in ihr neues Leben integrieren. Man kann sich durchaus vorstellen, dass es dann erst einmal ein kleiner Kulturschock war, der auf Susanne wartete. Denn der Schwung und ihr Wunsch, Schwerin neue Ideen zu bringen, dürften hier auf das in den Augen vieler doch eher behäbig wirkende Realitätsbild gestoßen sein.

Susanne Meletzki, Schwerin | Foto: privat

Susanne selbst sagt dies so allerdings nicht. Es ist eher eine Annahme aus dem Erleben anderer. Dass aber die Kluft zwischen Hoffnung, Elan und Wirklichkeit durchaus spürbar und auch erst einmal zu verdauen war, bestätigt sie schon. Aber statt zu resignieren, nahm sie das als Herausforderung an. Da kam die noch immer für die FFK-Idee brennende Geneviève gerade Recht. Die beiden jungen Frauen steckten die Köpfe zusammen und reanimierten die ruhiggelegte Idee. Und das mitten im Corona-Jahr. Sie passten die Ursprungsidee an verschiedenen Stellen an. Denn eine neue Personenkonstellation bietet natürlich immer die große Chance, bestehende Gedanken neu zu sortieren und vor allem zu erweitern.

 

Aus der Idee wurde ein Pop-up-Store in den „Schweriner Höfen“

Natürlich war die Corona-Pandemie der gesamten Idee nicht unbedingt dienlich. Die Idee für einen ersten Start musste verschoben werden. Aber während klar war, dass Corona auch wieder vorbei geht, bestand eine mindestens ebenso große Einigkeit bei den beiden engagierten Frauen, dass ihre Idee eine langfristig angelegte Sache werden soll. Der Pandemie ganz beugen aber wollten sie sich auch nicht. Und während sicher so mancher entspannt auf 2021 geschaut hätte, um dann zu starten, drückten beide nochmals auf das Gaspedal. Ihre Idee traf bei den „Schweriner Höfen“ auf großes Interesse – und schnell war ein Laden als vorerst befristete Verkaufsstation gefunden. Direkt neben den „GourmetHelden“ im Klöresgang. Einen Tag nach Nikolaus, am 7. Dezember 2020, hielten Geneviève und Susanne dann die Schlüssel in der Hand. Ruck-zuck und mit tatkräftiger Unterstützung entstand nun ein funktional eingerichteter Laden. Und nebenbei natürlich auch so manch neues Plakat, das beispielsweise – ganz FFK-konform – Mandelsplitter nackt zeigt.

Schon eine Woche nach der Schlüsselübergabe war dann tatsächlich „FKK mitten in Schwerin“ möglich. Und schnell kamen auch immer mehr neugierige aber auch zielgerichtete Kundinnen und Kunden vorbei. Das „Nackt-Sortiment wuchs parallel. Trockenfrüchte, Nüsse, Saaten, Müsli und Flakes, Getreide, Gewürze, Süßigkeiten, Reinigungsartikel, Drogeriewaren, Blumenkränze, Schmuck, und, und, und. Und zum Glück grätschte auch der harte Lockdown den beiden FKK-lerinnen nicht komplett dazwischen. Denn ihr Angebot blieb von der Schließung verschont. Es lohnt sich also auch jetzt noch, bei Susanne und Geneviève in den „Schweriner Höfen“ vorbeizuschauen.

 

Idee soll mehr als kurzfristiger Shop sein – Crowdfunding-Kampagne läuft

Ein „Unverpackt-Mobil“ für Märkte in Schwerin und Umgebung ist geplant. | Illustration: FKK Schwerin

Nun aber soll all das keine Eintagsfliege, keine befristete Aktion ohne Fortsetzung sein. Denn FKK dieser Art funktioniert zweifelsfrei. Allerdings sind die zwei so ideenreichen und ambitionierten Gründerinnen auch auf Schwerin angewiesen. Also irgendwie durchaus eine wechselseitige Angelegenheit. Denn wollen wir in Schwerin auch in diesem Bereich eine Vielfalt im Einkaufsangebot, sind auch wir auf diese zwei Frauen angewiesen. Damit das alles klappt, kann JETZT jeder in Schwerin etwas dafür tun.

Denn bereits im November startete über startnext.com eine Crowdfunding-Kampagne (https://www.startnext.com/fkk-unverpackt/unterstuetzer), um in einem ersten Schritt Gelder für den Ausbau eines FKK-Mobils zusammen zu bekommen. Mit diesem wollen Geneviève und Susanne dann auf die Märkte der Stadt und der Region fahren, und ihre „nackten Waren“ anbieten. „Unsere Vision ist es, verpackungsfreie Lebensmittel für jeden zugänglich zu machen. Mit der einfachen Idee, dass die Lebensmittel zu dir kommen. Komplett ohne Verpackung. Nackt. Gewissermaßen ein Unverpacktladen auf Rädern“, so die zwei Gründerinnen. In einem zweiten Schritt der Kampagne soll dann zusätzliches Kapital für eine Ladeneröffnung in Schwerin gesammelt werden. Kampagnenschritt 1 läuft noch bis zum 16. Januar – also noch genau zehn Tage.

 

Jetzt zählt es – Schwerin ist gefragt und wird gebraucht!

Jetzt zählt es. Nun also können wir alle gemeinsam etwas für den von so vielen geforderten neuen, ökologisch sinnvollen und ökonomisch vernünftigen Weg des Einkaufens tun. Eine Ergänzung für unser Angebot in Schwerin. Ein Beitrag zu mehr ökologischer Verantwortung. Zwei engagierte junge Frauen hier in unserer Stadt halten. Nun können all diejenigen, die schon immer diesen neuen Weg forderten, unter Beweis stellen, wie ernst es ihnen damit ist. Und alle anderen können ein Stück mehr Vielfalt mit Vernunft für Schwerin möglich machen.

 

DESHALB UNVERPACKT – DESHALB FKK

[zum Video]

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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