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Statt Krisenmanagement herrscht Chaos – Doch kein Osterlockdown

Es war eine offenbar plötzlich in einer Pause der Nachtsitzung von Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie Bundeskanzlerin im Kanzleramt geborene Idee: Um das exponentielle Wachstum des Infektionsgeschehens in der dritten Welle

  • Veröffentlicht März 25, 2021
Bundeskanzlerin Angela Merkel kassierte gestern den BEschluss zur Osterruhe und bat die Bevölkerung um Verzeihung für entstandene Verunsicherung, für die sie auch die Verantwortung übernahm. | Foto: Bundesregierung/Denzel

Es war eine offenbar plötzlich in einer Pause der Nachtsitzung von Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten sowie Bundeskanzlerin im Kanzleramt geborene Idee: Um das exponentielle Wachstum des Infektionsgeschehens in der dritten Welle der Corona-Pandemie zu bremsen, hatte man eine „Osterruhe“ vorgeschlagen und dann auch beschlossen. Im Anschluss hatte es klar geheißen, Vorsicht und Flexibilität seien nun wesentliche Bestandteile des Krisenmanagements. Seit gestern ist klar: „Vorsicht“ können wir in die Tonne kloppen. „Flexibilität“ scheint ein freundliches Wort für Chaos. 

 

Unerwartet gestern Ministerpräsidentenkonferenz einberufen

Denn schon am gestrigen frühen Vormittag war das Erstaunen groß, dass vollkommen unerwartet durch das Kanzleramt eine neuerliche Videoschalte mit den Regierungschefs und -chefinnen für den selben Tag 11 Uhr einberufen wurde. Zu diesem Zeitpunkt dachten wohl die meisten noch, man wolle endlich die Details der Oster-Ruhetage klären. Bereits kurz nach 11 war allerdings der absolute Paukenschlag durchgesickert: Kanzlerin Angela Merkel kassiert die beiden Ruhetage am Gründonnerstag und Ostersamstag wieder. Eine komplette Kehrtwende der Regierungschefin. 

 

Bundeskanzlerin stoppte Osterruhe, übernahm die Verantwortung und entschuldigte sich

In einem öffentlichen Statement erläuterte die Bundeskanzlerin, sie habe am gestrigen Morgen entschieden, die Osterruhe zu stoppen. Zwar habe die Idee absolut gute Gründe gehabt und sei mit den besten Zielstellungen entstanden und beschlossen. Die hohe Anzahl der ungeklärten Fragen wäre in der Kürze der Zeit allerdings nicht lösbar gewesen. Hier scheinen zahlreiche Branchen massive Probleme angemeldet zu haben. Begonnen bei Fragen nach der Lohnzahlung über unerwartet unterbrochene Logistikketten bis hin zu kleinsten Detailfragen. Auch aus den hinzugezogenen Ministerien waren offenbar deutliche auch rechtliche Bedenken gekommen. Merkel zeigte sich auch skeptisch, ob es überhaupt einen Weg geben würde, Aufwand und Nutzen einer solchen Idee in ein vertretbares Verhältnis zu bringen.

„Dieser Fehler ist einzig und allein mein Fehler“, so Angela Merkel. Aufgrund ihres Amtes trage und übernehme sie diese Verantwortung. „Ein Fehler muss als Fehler benannt werden. Und vor allem muss er korrigiert werden. Wenn möglich noch rechtzeitig“. Die Bundeskanzlerin entschuldigte sich für die nun zusätzliche Verunsicherung. „Dafür bitte ich alle Bürgerinnen und Bürger um Verzeihung“, so Merkel. Sie dankte all denjenigen, die durch ihr Verhalten die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen helfen. „Der weg ist hart ud steinig. Er ist von Erfolgen, aber auch von Fehlern gekennzeichnet“, so Kanzlerin Angela Merkel. 

 

Zügig folgten Reaktionen – Armin Laschet sieht Verantwortung bei gesamter Montagsrunde

Als einer der ersten trat der Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, nicht vor die Presse, sondern direkt vor den Landtag in NRW. Dieser befand sich zu diesem Zeitpunkt gerade in einer Debatte zu den in der Nacht zu Dienstag beschlossenen Corona-Regelungen. Dort bestätigte er nicht nur als erster aus der Runde auch öffentlich die Rücknahme der Beschlüsse zur Osterruhe.  Laschet nahm die Entschuldigung und Verantwortungsübernahme seitens der Bundeskanzlerin auf und erklärte deutlich, dass die gesamte Runde, und damit auch die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten diesen Beschluss getroffen und unterzeichnet hätten. 

 

Schon fragwürdig: Sofort reagierte bislang nicht von Lockdown betroffene Branche

Als eine der ersten reagierte die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie, Hildegard Müller, auf die Rücknahmeankündigungen. Wie WELT berichtete, begrüßte sie die Entscheidung. Ein Stillstand der Bänder am Gründonnerstag hätte hohe Kosten zur Folge gehabt. Ein leichter Hohn, bedenkt man genau, dass es gerade die Industrie ist, die bislang von den bundesweiten Maßnahmen nahezu komplett verschont geblieben ist. Einige wenige Branchen – darunter Hotellerie, Gastronomie, körpernahe Dienstleistungen, die Veranstaltungsbranche, Kulturbetriebe und auch der Einzelhandel – zahlen einen enormen Preis im Kampf gegen die Pandemie- Und dafür, dass beispielsweise in der Industrie so getan werden kann, als gäbe es die Pandemie gar nicht. Gerade auch aus der DEHOGA-Spitze in Mecklenburg-Vorpommern waren entsprechende Vorwürfe laut geworden. 

 

Im Ergebnis nun keine neuen Maßnahmen gegen erneut exponentielles Wachstum

Damit haben Bund und Länder nun genau genommen gar nicht auf die von seriösen Wissenschaftlern nahezu durchgängig beschriebene Gefahr reagiert, die mit dem wieder exponentiellen Anstieg der Corona-Infektionszahlen in Deutschland einhergeht. Denn nun bleiben „lediglich“ die Verlängerung des Lockdowns bis 18. April und der Beschluss, man wolle die Anfang März beschlossene Notbremse nun konsequent umsetzen. Eigentlich etwas Logisches. Mehr allerdings kam nun im Rückblick nicht heraus in der Nachtsitzung. Zwar versuchte Kanzlerin Angela Merkel gestern noch ein etwas anderes Bild zu malen. Sie versuchte noch die Beschlüsse als einen „Rahmen“ im Kampf um ein Bremsen der dritten Welle darzustellen.

 

Nur Lockdown-Verlängerung und Beschluss, sich strikt an Beschluss halten zu wollen

Die tatsächliche Realität aber sieht doch ein wenig anders aus. Deutschland steht nun ohne weitere Maßnahmen der dritten Welle ohne weitere Maßnahmen gegenüber. Es bleibt die vereinbart harte Anwendung der „Notbremse“. Die aktuelle Landesverordnung in Mecklenburg-Vorpommern zeigt allerdings, dass es nicht nur die Konsequenz sein kann, diese zu ziehen, sondern sie auch inhaltlich wie Anfang März vereinbart umzusetzen. Ohne großes Aufsehen hatte die Landesregierung unter Leitung von Manuela Schwesig nämlich eine „aufgeweichte Notbremse“ in die Verordnung geschrieben. Klar vereinbart war allerdings, bei einem Überschreiten eines Inzidenzwertes von 100 an drei aufeinander folgenden Tagen müsse der Zustand vor dem 8. März 2021 gelten. Das würde unter anderem auch eine Schließung des Einzelhandels und manch weitere Regelungen bedeuten. Dies sieht die „aufgeweichte Notbremse MV“ allerdings konkret so nicht vor. 

Zwar konnte der gestrige Tag im Bundesschnitt mit „nur“ knapp 18% mehr gemeldeten Neuinfektionen einen Moment der kleinen Hoffnung bieten. Grundsätzlich aber besteht bislang Einigkeit, dass Deutschland ohne ein klares Gegensteuern schon in Kürze in mit deutlich höheren und nicht auszuschließen auch dramatischeren Entwicklungen als in der Weihnachtszeit zu kämpfen hat.

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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