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Streit um Flüchtlingspolitik in Schwerin: Demonstration in Lankow

  (stm). Die Ankündigung, dass die ehemalige Comenius-Schule zu einer vorübergehenden Notunterkunft für aus ihren Heimatländern geflüchteten Menschen wird, hat gestern bei einigen Bürgern für Verärgerung gesorgt. Rechte Scharfmacher wollten

  • Veröffentlicht September 12, 2015

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(stm). Die Ankündigung, dass die ehemalige Comenius-Schule zu einer vorübergehenden Notunterkunft für aus ihren Heimatländern geflüchteten Menschen wird, hat gestern bei einigen Bürgern für Verärgerung gesorgt. Rechte Scharfmacher wollten diesen Ärger durch eine Spontandemonstration anheizen. Das ging nach hinten los.

 

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Eigentlich hatten sich Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow und die gestern spontan anwesenden Stadtvertreter auf einen ruhigen und entspannten Abend gefreut. Im Schleswig-Holstein-Haus war ein »Parlamentarischer Abend« angesetzt. Außerhalb des parteipolitischen Geschäfts wollte man sich gestern einfach mal gemütlich zusammensetzen. Daraus wurde nichts.

 

Prioritäten gesetzt

 

Am Nachmittag gab es in den sozialen Netzwerken plötzlich nur noch ein Thema: In Lankow wird eine Notunterkunft für Flüchtlinge eröffnet. Sofort stellten sich viele Schwerinerinnen und Schweriner Fragen. Wie viele Flüchtlinge kommen? Warum wurden die Schwerinerinnen und Schweriner so spät informiert? Fragen, die für sich erst einmal richtig sind und auch ihre Berechtigung haben.

 

Scharfmacher versuchten dann aber auch auf den Zug aufzuspringen. Kurzerhand rief die Facebookseite »Schwerin wehrt sich« zu einer Spontandemonstration vor der Notunterkunft in Lankow auf. Zwischen 100 und 150 Menschen fanden sich ab 19.00 Uhr gegenüber der Unterkunft ein, um ihrem Unmut Luft zu machen. Ein Initiator von »Schwerin wehrt sich« beteuert gegenüber Schwerin Lokal: »Wir haben nichts mit der NPD zu tun. Die NPD hatte versucht bei uns Fuß zu fassen, doch wir hatten abgelehnt. Wir wollen Antworten von der Stadt!«.

 

Ein Blick in die Runde zeigt, dass das Spektrum der Demonstranten bunt ist. Bekannte rechte Propagandisten sah man gestern nicht. Sprechchöre wie »Wir wollen keine – Asylantenheime« oder »Wir sind das Pack«, machen aber deutlich, dass es – entgegen aller Bekenntnisse – durchaus Schnittmengen zu rechtem Gedankengut gibt.

 

Antworten von Oberbürgermeisterin Gramkow und Stadtvertretern

 

Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken in der Schweriner Stadtvertretung, Julia Romanski, Stadtvertreter Stefan Schmidt (DIE LINKE), Stadtvertreterin Anita Gröger (ASK), Stadtvertreterin Cornelia Nagel (Bündnis 90/Grüne) und der zuständige Dezernent und zweiter Stellvertretender der Oberbürgermeisterin, Andreas Ruhl, stellten sich gestern zusammen mit Schwerins Oberbürgermeisterin den Fragen der Demonstranten. Das sorgte nicht nur für Zustimmung.

 

»Wieso redet ihr mit denen?«

 

Nachdem Oberbürgermeisterin Angelika Gramkow und die Stadtvertreter vor Ort eintreffen ist der Satz » Wieso redet ihr mit denen?« bei den 50 Gegendemonstranten in aller Munde.

 

Davon lies sich die Oberbürgermeisterin aber nicht beeindrucken. Nach einem zehnminütigen Gespräch mit der Polizei, geht Oberbürgermeisterin Gramkow ohne Polizeischutz, alleine durch Vertreter der Presse und Dezernent Ruhl begleitet direkt zu den »Schwerin wehrt sich« – Demonstranten. Sofort erschallen Rufe »Gramkow muss weg«. Die Oberbürgermeisterin redet bis weit nach 22.00 Uhr mit den Demonstranten. Es wird diskutiert. So ganz passt dieser Verlauf manchem Demonstranten dann doch nicht. Offenbar hatten diese sich mehr Konfrontation gewünscht. Sie lehnen daher an diesem Abend jedes Gesprächsangebot ab. Fast enttäuscht über den Verlauf, rollen sie ihre Transparente ein.

 

Dialog statt Konfrontation

 

Eines wird schnell klar. Statt den rechten Propagandisten das Feld zu überlassen, gab es Erklärungen und direkten Kontakt zu den Schwerinerinnen und Schweriner. An diesem Abend gab es fast nur Gewinner. Die einzigen Verlierer waren diejenigen, die die Leidsituation der Flüchtlinge politisch für sich nutzen wollten. Schwerin ist eben kein Spielfeld für Stimmungsmache. Das haben Gegendemonstranten, die Stadtvertreter, die Oberbürgermeisterin und vielleicht sogar der »rechte Sektor« erkannt. Bis um 23.00 Uhr verharrten die Demonstranten beider Lager vor Ort. Es wurde eine lange Nacht, eine Nacht der unteschiedlichen Meinungen und des gutgemeinten Dialogs.

 

Schwerin ist kein Heidenau

 

Das Zeichen gestern Abend war deutlich: Anstatt nur zu schreien zu provozieren, stellen wir uns einem Dialog. Gegen Menschen aufzumarschieren, die eine Zuflucht suchen, ist der falsche Weg und hilft skeinem. In jeder Krise steckt auch eine Chance. Oberbürgermeisterin Gramkow findet deutlichen Worten an die Demonstranten: »Schwerin beteiligt sich daran, den Flüchtlingen zu helfen. Und das ist gut so. Die Notunterkunft ist für diejenigen gedacht, die auf der Durchreise sind, oder die kurzfristig Hilfe benötigen. In Schwerin kommen wir jetzt mit Menschen in Berührung, die vor Krieg, Folter und Verelendung fliehen. Und diese Menschen kommen an Schwerin vorbei.« Der parlamentarische Abend war gestrichen. Ein Abend, an dem miteinander gesprochen wurde, an dem Gedanken, Ängste und Sorgen auf dem Plan standen, stand im Vordergrund. Gut so.

 

Jeden Tag bis Antworten kommen

 

Trotz des Gesprächsangebots und des Dialoges wollen die Veranstalter von »Schwerinwehrt sich« ab nun täglich vor der Notunterkunft demonstrieren. Das Gegenlager wird es nach Aussagen auch tun. Das mag auf den ersten Blick demokratisch und freiheitlich erscheinen. Auf den zweiten Blick, ist es aber bedenklich.

 

Es ist ein unerträglicher Zustand, dass Demonstrationen, die sich gezielt gegen Flüchtlinge richten, unmittelbar vor Flüchtlingsheimen zugelassen werden. Dadurch werden Flüchtlinge, die vor Krieg und Terror geflohen sind, erneut traumatisiert und verängstigt. Wenn es wie 2012 (vor dem Haus des damaligen regierenden Bürgermeisters von Berlin, Wowereit) möglich ist, ein Demonstrationsverbot zu verhängen, dann sind ähnliche Überlegungen sicherlich auch hier nicht fehl am Platze. Eine sich vor Monaten in den sozialen Netzwerken gegründete Initiative »Heime ohne Hass«, bringt es auf den Punkt: »Die Flüchtlinge können von den Asylantenhassern auch nicht ernsthaft als Ansprechpartner für eine falsche Politik angesehen werden. Es gibt also keinen Grund, das Grundrecht der Flüchtlinge auf körperliche Unversehrtheit und Privatsphäre zu gefährden, indem man diese Versammlungen vor ihren Wohnungen nicht untersagt. Was im Fall des Regierenden Bürgermeisters von Berlin möglich war – nämlich eine Demo unmittelbar vor seiner Wohnung zu untersagen – muss im Fall von schutzsuchenden Menschen genauso möglich sein. Es ist sogar geboten.«

 

Danach sieht es aber im Moment nicht aus. Heute um 19.00 Uhr wird es wieder vor der Unterkunft in Lankow weitergehen. »Nach den unzureichenden und teils lächerlichen Antworten von Frau Gramkow, treffen wir uns heute ab 19.00Uhr wieder auf dem Parkplatz neben dem Edeka in Lankow. Jeder bekommt die Möglichkeit seinen Unmut Luft zu machen. Wir als Bürger fordern Transparenz und Mitspracherecht in der Asylpolitik.« Dazu ist aber eine Demonstration vor einer Notunterkunft der falsche Weg.

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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