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Das alles ist Deutschland ? Oder warum es viele Wahrheiten gibt

Demonstrationen gegen Flüchtlinge auf der einen Seite. Eine große Solidarität auf der anderen Seite. Im Deutschland der letzten Wochen tut sich etwas. Und trotzdem ist am Ende alles Deutschland?

  • Veröffentlicht September 13, 2015
Dieses Bild an der "East Side Gallery " in Berlin symbolisiert vieles, was nun wieder in Deutschland los ist. Angst und Mut liegen auch heute wieder eng zusammen.
Dieses Bild an der Eastside Galerie in Berlin symbolisiert vieles, was nun wieder in Deutschland los ist. Angst und Mut liegen auch heute wieder eng zusammen.

(ab). Demonstrationen gegen Flüchtlinge auf der einen Seite. Eine riesengroße Solidarität auf der anderen Seite. Im Deutschland der letzten Wochen tut sich etwas. Und trotzdem ist am Ende alles Deutschland?

 

Ja, es gährt in Deutschland. Seit dem nun fast täglich Flüchtlingszüge in der Bundesrepublik ankommen, fängt nun auch der letzte hartgesotten – Politikverdrossene an, sich Gedanken zu machen. Das ist gut so! Nicht weil „nun langsam mal genug ist“, sondern viel mehr, weil sich nun endlich mal auch die Menschen Gedanken machen, die sich bisher erfolgreich in ihrer „Politikverdrossenheitshängematte“ gesonnt haben.

 

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Die einen schämen sich für Ihr Land „weil die deutsche Kultur nun gänzlich den Bach runter geht“, die anderen schämen sich für „Anti – Flüchtlings – Demos“. Da spricht nun Gabriel vom „Pack“ und wirft damit auch jene mit in den Topf die einfach nur Angst haben, ja, schlichtweg Angst. Ob diese begründet ist, sei mal dahin gestellt.  Aber mit derartigen „Kollektivschuldzuweisungen“ treibt man solche Menschen nur noch weiter in die Arme derer, die sich Deutschland in den Grenzen von 1939 zurückwünschen.

 

Das Thema ist  brisant. Keiner weiß im Moment so recht, wie es in Zukunft werden soll. Aber was bringen Demonstrationen vor Flüchtlingsunterkünften? Nichts! Denn die Opfer zu bekämpfen wird an den politischen Entscheidungen, an Waffenverkäufen, an der Uneinigkeit und mittlerweile schon quängelig – bockigen Zofferei zwischen den USA und Russland, in dessen Folge auch keine gemeinsames Handeln im Bezug auf Syrien und Irak möglich ist, nichts ändern – einfach nichts ändern können.

 

Der Kanister hat eben ein Loch

 

Das große Problem sind aus meiner Sicht eben nicht die Flüchtlinge.  Diese sind nur die Folge der Probleme, die die Politik nicht beseitigen kann oder will. Man kippt nun in den kaputten Kanister (Flüchtlingsströme) immer wieder Wasser nach und wundert sich, dass der Wasserstand immer wieder sinkt. Der Kanister hat ein Loch (Waffenlieferungen, durch die das Loch größer wird, Krieg in Syrien, Islamischer Staat, Afghanistan, Irak). Dieses Loch muss geschlossen werden. Hier gilt es, alles dafür zu tun, dass sich die USA und Russland endlich so wie 1989 an einen Tisch begeben. Diese  Großmächte haben immer noch das Zeug dazu, Frieden zu stiften.

 

Friedensdemos – ja wo waren die Demonstranten?

 

In Schwerin fanden ja in den letzten Monaten immer wieder so genannte „Friedensdemos“ statt, die sich unter anderem auch mit dem Thema Krieg in der Ukraine, Krieg in Syrien und anderen Konflikten auf der Welt befassten. Nun gut, ein paar Passanten hörten sich mal an, was da gesprochen wurde, aber das war es dann auch schon. Sicherlich war auch nicht alles was da gesprochen wurde, ernstzunehmen und manchmal auch ein wenig schräg.  Hier wurde aber über die heutigen Ursachen der Flucht von Millionen von Menschen aus ihren Heimatländern gesprochen. Keiner wollte das aber damals so wirklich wahr haben – es ist ja weit weg. Nun, wo die Menschen Gefahren in Kauf nehmen und zu uns kommen,  da ist das Geschrei groß.

 

Mich betrifft es ja nicht

 

Ein weiteres Beispiel ist die Gerichtsreform in Mecklenburg Vorpommern. Daran wird schon mal ganz klassisch deutlich, was unser Problem ist. Nicht einmal 25 Prozent konnte sich bemühen, ihrer Wählerpflicht nachzugehen. Frei nach dem Motto: Mich betrifft es ja nicht! Andererseits wird groß für Volksentscheide auf Bundesebene geblökt, nun ja, wenn es auf Landesebene schon kaum Interesse gibt? Eigentor! Ganz klassisch!

 

Nun sind die Flüchtlinge dran

 

Nun kommen die weltpolitischen ungelösten  Probleme zu uns.  Nun wird sichtbar, was die Zurückhaltung, zum Beispiel in Sachen Syrien, wirklich gebracht hat. Nun kommen sie und beantragen Asyl, nun mischen sich vielleicht hier und da auch Terroristen unter die Flüchtlinge. Ausschließen kann man es bei aller Vorsicht nicht. Und natürlich macht diese Vorstellung dem ein oder anderen Angst – das ist natürlich auch verständlich. Wer aber engstirnig vor Flüchtlingsheimen demonstriert oder „Wir wollen keine Asylantenheime“ herumposaunt, der sagt denen, die Hilfe brauchen ganz unverblümt: Ihr seid doch alle Schmarotzer!  Ihr seid doch alle Terroristen! Das ist nicht nur verkehrt, sondern engherzig.

 

Wir sind das Pack – ach ja?

 

Heidenau ist ein wirklich schlechtes Beispiel für Deutschland. Das würden die meisten unserer Landsleute so unterstreichen. Warum aber rufen nun Demonstranten in der ganzen Bundesrepublik geschlossen „Wir sind das Pack“? Warum reihen sie sich freimütig in die Gruppe derer ein, die Autos anzündeten, Polizisten angriffen und straffällig werden? Warum ziehen sie sich Klamotten an, die ihnen doch eigentlich nicht passen? Warum warum, warum…. Sicher Fragen, die sich jeder ganz für sich allein beantworten muss.

 

Aber es gibt doch genügend Beweisfotos?

 

Seit Wochen und Monaten kursieren nun Bilder in sozialen Netzwerken. Da werden IS Kämpfer gezeigt, die nun in Deutschland sein sollen. Da werden Fotos geteilt, die verdreckte Züge zeigen, angeblich hinterlassen von Flüchtlingen. Jeder kann vermeintlich beweisen, wie schlimm nun alles ist. Nun ja, möge einige wenige Bilder auch stimmen – der überwiegende Teil davon ist  inszeniert, aus dem Zusammenhang herausgerissen oder schlichtweg zusammenmontiert.

Auf www.mimikama.at kann man sich, nach dem man wieder einmal ein Bild zugeteilt bekommen hat, erkundigen, ob es an dem ist oder ob einem da wieder einmal ein kleines Bärchen aufgebunden wurde. Auf Phishing – Mails, man solle seine Bankdaten angeben, fällt ja nun mittlerweile auch kaum noch jemand rein.

 

Es gibt mehrere Wahrheiten

 

In den sozialen Netzwerken ist die Stimmung mittlerweile derart übergekocht, dass sich ungeniert Linke, Rechte, Andersdenkende, und Menschen, die einfach nicht ihre Seite wählen möchten oder einfach nur helfen wollen, als Nazis, Gutmenschen, Schlafschafe, Vollidioten, und was weiß ich nicht alles beschimpft werden.

 

Es vergeht kein Tag, an dem man nicht unter einem Hilfeaufruf für Flüchtlinge oder einem geteilten Bild in Bezug auf das Problem, wahre Verbalschlachten erlebt. Wo ist denn  die deutsche „Gesprächs“ – Kultur? Offenbar scheint sie mittlerweile auf beiden Seiten zunehmend zu verkommen. Vielleicht sollte man sich mehr auf Sachlichkeit einstellen, um die Probleme wirklich zu lösen. Das was im Moment stattfindet, hilft niemandem. Man stelle sich nur vor, 1989 hätten sich die Systembefürworter und Gegner mit Gewalt, fliegenden Steinen, Molotowcocktails und Eisenstangen auseinandergesetzt. Die DDR wäre ein landesweiter „Platz des Himmlischen Friedens“ geworden. Gewalt wäre mit Gegengewalt beantwortet worden. Am Ende hätte es nur Verlierer gegeben.

 

Das alles ist Deutschland

Abschliessend fällt mir das Lied der Kultband „Die Prinzen“ ein. Darin heisst es „das alles ist Deutschland“. Wenn das alles nun Deutschland ist. Politiker die teilweise Flüchtlingshilfe mit „wir brauchen Fachkräfte“  begründen und Demos vor Flüchtlingsheimen an der Tagesordnung sind,  und letztlich an den Ursachen nur herumgekleckert wird, dann bekomme ich bei dem Lied Magenschmerzen.

 

Andreas Böckler (39) ist freier Mitarbeiter von Schwerin-Lokal und arbeitet als freier Fotograf.

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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