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Wie Schwerin vor 70 Jahren befreit wurde

  (rm). Der 2. Mai 1945 und der 1. Juli 1945, waren die geschicht­sprä­gen­den Dat­en in der Geschichte West­meck­len­burgs und ihrer Lan­deshaupt­stadt Schw­erin nach dem Ende des Drit­ten Reich­es. Unser

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  • Veröffentlicht Mai 3, 2015

Grunthal 5

 

(rm). Der 2. Mai 1945 und der 1. Juli 1945, waren die geschicht­sprä­gen­den Dat­en in der Geschichte West­meck­len­burgs und ihrer Lan­deshaupt­stadt Schw­erin nach dem Ende des Drit­ten Reich­es. Unser Stadthis­torik­er Ralph Mar­ti­ni fasst die Ereignisse dieser Tage zusam­men.

 

Dieser zweite Maitag war ein warmer son­niger Früh­lingstag. Vor weni­gen Stun­den hat­te der Rund­funk des Drit­ten Reich­es die Nachricht über den Tod von Adolf Hitler ver­bre­it­et. An diesem Mor­gen ver­ließ die 8. US- Infan­teriedi­vi­sion das Gebi­et um Boizen­burg, das sie am Vortag ein­genom­men hat­te. In Boizen­burg wur­den die Gefan­genen des Neben­lagers Neuengamme befre­it. Über Wit­ten­burg und Hagenow sollte nun die dama­lige Gauhaupt­stadt Schw­erin beset­zt wer­den. Schon um 11.30 Uhr erre­icht­en die ersten Panz­er die erweit­erte Stadt­gren­ze.

 

Am Dien­stag war der Ober­leut­nant der Wehrma­cht, Josef Euringer mit einem Befehl des Hitler­nach­fol­gers und neuen Reich­skan­zlers Dönitz ins Schw­er­iner Rathaus geeilt. „ Ab sofort sei jed­er Wider­stand gegen die West­al­li­ierten einzustellen“, so der schriftliche Befehl. „ Die Kampfhand­lun­gen sind auf die rus­sis­chen Kräfte zu konzen­tri­eren“.

 

Der Gauleit­er Meck­len­burgs, Hilde­brandt hat­te sich schon Tage vorher in den West­en abge­set­zt. Der anwe­sende Kreisleit­er der NSDAP, Röp­ke schick­te einen Melder los. Der Mann sollte in Erfahrung brin­gen, wo sind die Russen, wo marschieren die amerikanis­chen GI´s?

 

Als nun Klarheit bestand, dass die Amerikan­er vor den sow­jetis­chen Trup­pen die Stadt erre­ichen wür­den, wur­den auf Befehl des Befehlshaber der Wehrma­cht in Schw­erin, Oberst Panzen­hagen alle vorher geplanten Vertei­di­gungs­maß­nah­men zurückgenom­men. Der Oberst schick­te seinen Stel­lvertreter, Major Reuter in Rich­tung Garten­stadt.

 

Mordopfer bis kurz vor Einnahme durch us-amerikanische Truppen

 

Hier sollte Reuter die kampflose Über­gabe der Stadt an die anrück­enden Alli­ierten ankündi­gen. In der Nähe der Kaser­nen an der Lud­wigslus­ter Strasse traf der Unter­händler auf amerikanis­che Sol­dat­en. Diese ver­han­del­ten aber nicht und nah­men den deutschen Major kurz­er­hand fest. Wenige Minuten später über­gab der Ober­bürg­er­meis­ter Schw­erins, Crull die Stadt an die US- Trup­pen. Später hat Crull immer wieder erzählt, er sei den Amerikan­ern mit ein­er weißen Fahne ent­ge­gen gefahren und habe damit ungeah­ntes Unheil von der Stadt fer­nge­hal­ten. Was an diesem Gerücht wahr ist, wis­sen wir heute nicht mehr mit Bes­timmtheit. Im all­ge­meinen Chaos dieser let­zten Stun­den, ist die Unter­schei­dung zwis­chen Wahrheit und Unwahrheit dieser Behaup­tung für die Nach­gen­er­a­tion schw­er einzuschätzen.
Etwa um 12.00 Uhr ver­lief die Demarka­tion­slin­ie zwis­chen den US- Trup­pen und den sow­jetis­chen Ver­bän­den am Störkanal, an der Ost­seite des Schw­er­iner Sees, bis zum Pauls­damm und dann in nördlich­er Rich­tung bis Wis­mar. An der Fähre in Raben­ste­in­feld war die Lage inzwis­chen mehr als nur unüber­sichtlich.

 

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Im nahen Wald lagerten immer noch tausende Häftlinge , die die Todesmärsche aus den KZ Sach­sen­hausen und Ravens­brück, teil­weise noch von SS-Leuten bewacht, über­lebt hat­ten. Einzelne befre­ite Über­lebende strömten über die Stör­brücke nach Schw­erin. SS- Bewach­er, die nicht in sow­jetis­che Hände fall­en woll­ten, waren eben­falls auf dem Weg in die Stadt. Noch in unmit­tel­bar­er Stadt­nähe trafen fliehende SS-Män­ner auf Grup­pen von ehe­ma­li­gen Häftlin­gen. Die SS-Ver­brech­er erschossen in Zip­pen­dorf schon befre­ite Häftlinge des Todes­marsches.

 

Wahrschein­lich waren es einige dieser SS-Wach­män­ner, die in Schw­erin ein unfass­bares Ver­brechen beg­in­gen. Das Kriegsende vor Augen, wurde von den Ver­brech­ern in SS-Uni­form auf dem Bahn­hofsvor­platz die Zehdenick bei Berlin stam­mende Lehrerin Mar­i­anne Grun­thal an einem Fahrleitungs­mast der Straßen­bahn erhängt. Grun­thal hat­te sich am Mor­gen erle­ichtert über den Tod des Führers geäußert. Der Flüch­lingstreck lagerte in Zip­pen­dorf in Höhe der Gast­stätte „Zur Eiche“. Die Lehrerin wurde denun­ziert, SS- Leute ergrif­f­en die Frau, schlu­gen auf sie ein. Bewusst­los wurde sie auf einen Wagen gewor­fen. Das Auto fuhr über die Criv­itzer Chaussee nach Schw­erin. Die Henker bracht­en ihre Gefan­gene ins dama­lige Kreishaus der NSDAP in der Hin­den­burgstrasse 16/18. ( Zum Bahn­hof) Nach Kon­sul­ta­tion mit dem Kreisleit­er Röpcke wurde Mar­i­anne Grun­thal zum Bahn­hofsvor­platz geführt. Ihr wurde ein Schild mit der Auf­schrift „ So spricht eine deutsche Frau: Gott sei Dank, dass der Führer tot ist“, umge­hängt.

 

Es war 12 Uhr, die Amerikan­er hat­ten den Marien­platz erre­icht. Wenige Meter , wenige Minuten, die über Leben und Tod der Frau entsch­ieden. Im Rathaus erfuhren der Ober­bürg­er­meis­ter Crull und Ober­leut­nant Euringer etwas über das Geschehen. Der Ober­leut­nant eilte zum Bahn­hof, traf aber zu spät auf dem Platz ein. Die SS- Ver­brech­er hat­ten die Frau schon erhängt. Fast 100 Schw­er­iner sollen dem Mord zuge­se­hen haben. Kein­er der Anwe­senden tat etwas um das Unfass­bare zu ver­hin­dern. Euringer ließ die getötete Lehrerin von Anwe­senden abnehmen, die nun völ­lig betrunk­e­nen SS-Leute ver­trieb er.

 

Rote Armee übernimmt Schwerin

 

NSDAP-Kreisleit­er Röpcke flüchtete in die West­zone. In der Bun­desre­pub­lik ist er für seine Ver­brechen nie zur Ver­ant­wor­tung gezo­gen wor­den. In der Nacht zum 3. Mai waren die let­zten verbliebe­nen SS-Bewach­er der in Raben­ste­in­feld lagern­den über­leben­den Häftlinge des Todes­marsches ver­schwun­den. Plöt­zlich ohne Bewach­er, bewegten sich einzelne Häftlings­grup­pen Rich­tung Schw­erin. Noch in der Nacht hat­te die SS, 71 Häftlinge erschossen. Am frühen Vor­mit­tag erre­icht­en erste Häftlinge die Demarka­tion­slin­ie. Die befre­it­en Män­ner fan­den in der Infan­teriekaserne an der Lud­wigslus­ter Chaussee erste Unterkun­ft, die Frauen aus dem KZ Ravens­brück in den Kaser­nen der Werder­strasse.

 

Die befre­it­en Gefan­genen des Sta­lag- Lagers strömten auf der Suche nach Unterkun­ft und Nahrung in die Innen­stadt. Fil­mauf­nah­men von US Mil­itärs, die erhal­ten geblieben sind, zeigen eine Stadt bevölk­ert von US-Sol­dat­en, Deutschen Wehrma­cht­sange­höri­gen, die unbe­waffnet in Gefan­gen­schaft gehen. Aus Wis­mar strömten tausende Flüchtlinge auf der Flucht vor der Roten Armee in die Stadt. Der Krieg und seine Ver­brechen, hat­te nun auch die Gauhaupt­stadt erre­icht. Von Deutsch­land ent­facht, hat­te der Krieg nun Meck­len­burg erre­icht. Die Deutschen waren auf der Flucht vor den Sow­jets. Die Furcht war nicht unbe­grün­det, die Ver­brechen des Regimes, vor allem in Polen und der Sow­je­tu­nion schürten nun die Angst vor der Rache der Sow­je­tarmee.

 

Gen­er­al von Tip­pel­skirch , der Oberkom­mandierende Gen­er­al der 21. Armee, traf sich am 3. Mai im Lud­wigslus­ter Schloss mit den alli­ierten Siegern. Mit sein­er Kapit­u­la­tion war für Meck­len­burg der Krieg zu ende. Die Gren­zlin­ien zwis­chen den Alli­ierten und der Sow­je­tarmee ver­lief bis zum 31. Juni 1945 nun am Störkanal, am Schw­er­iner See ent­lang und hin­auf bis Wis­mar.

 

Auf der Kon­ferenz von Jal­ta hat­ten sich im Feb­ru­ar 1945 Stal­in, Roo­sevelt und Churchill auf die Machtverteilung Europas nach Ende des Krieges geeinigt. Für West­meck­len­burg soll­ten die Ergeb­nisse der Kon­ferenz noch von Bedeu­tung wer­den.
Am 8. Mai wur­den 174 Tote aus dem KZ Wöbbe­lin und 71 ermordete Häftlinge des Todes­marsches auf dem Platz vor dem alten Fried­hof bestat­tet. Ehe­ma­lige NSDAP-Mit­glieder und gefan­gene SS-Leute wur­den von den Amerikan­ern gezwun­gen die Gräber auszuheben. Die Schw­er­iner Bevölkerung wurde aufge­fordert an der feier­lichen Beiset­zung der Ermorde­ten teilzunehmen. Am 3. Juni wur­den die Amerikan­er dann kurzzeit­ig von britis­chen Trup­pen­ver­bän­den unter Gen­er­al Mont­gomery abgelöst. Der berühmte Gen­er­al ließ seine Trup­pen mit ein­er Siegerpa­rade auf dem Alten Garten marschieren. Die Bevölkerung von Schw­erin soll sich unter alli­iert­er Besatzung auf etwa 250 000 Ein­wohn­er erhöht haben.

 

Was nun in der Stadt bekan­nt wurde, sollte über die näch­sten 45 Jahre für die Geschichte Schw­erins von großer Bedeu­tung wer­den. Das Gerücht, die Russen kom­men nach West­meck­len­burg wurde am 1. Juli zur Wahrheit. Ab dem 20. Juni set­zte eine wahre Massen­flucht in Rich­tung West­en ein. Tausende zogen mit den Briten über Elbe in die Britis­che Zone. Um 8.00 Uhr zogen die ersten sow­jetis­chen Trup­pen unter Gen­er­al Popow in die Stadt ein.  Nach Schätzun­gen waren zu diesem Zeit­punkt noch immer etwa 180 000 Men­schen in der Stadt.

 

Die Rote Armee errichtete in den näch­sten Monat­en Son­derg­erichte. Es wur­den ehe­ma­lige Nazis abgeurteilt, aber auch unschuldige Bürg­er geri­eten in die Mühlen der sow­jetis­chen Jus­tiz. Durch Denun­zi­a­tion und falschen Beschuldigun­gen, wur­den sie mit den Ver­brech­ern des unterge­gan­genen Regimes nach sow­jetis­chem Recht verurteilt. Vier­tausend Per­so­n­en wur­den in Straflager der Sow­je­tu­nion deportiert. Hun­derte fan­den in den Gulags den Tod.

 

Noch 48 Jahre blieben die Sol­dat­en der Sow­je­tarmee in Schw­erin. Im August 1993, ver­ließen die let­zten rus­sis­chen Sol­dat­en die Stadt. Die DDR gab es da schon fast 3 Jahre nicht mehr. 15.000 Sow­jet­sol­dat­en waren zeitweilig in der Lan­deshaupt­stadt und ehe­ma­li­gen Bezirksstadt Schw­erin sta­tion­iert. Im Jahr 1945 waren sie in ein vom Nation­al­sozial­is­mus geprägtem Land gekom­men. In der DDR wur­den sie zu ein­er Stütze der SED-Machthaber und nun ver­ließen sie ein wiedervere­inigtes demokratis­ches Deutsch­land.

 

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