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Wie sich Unternehmen auf Fachkräftemangel einstellen können

(sr). In den vergangenen Wochen war Ausbildungsstart. Was früher der Run vieler Schulabsolventen auf nicht ausreichende Lehrstellen gewesen ist, hat sich in den letzten Jahren komplett verändert. Immer mehr Unternehmen

  • Veröffentlicht September 12, 2013

Bei vielen Unternehmen bleiben schon heute die Bewerber aus Foto: Rainer Sturm / pixelio.de
Bei vielen Unternehmen bleiben heute Bewerber aus
Foto: Rainer Sturm / pixelio.de

(sr). In den vergangenen Wochen war Ausbildungsstart. Was früher der Run vieler Schulabsolventen auf nicht ausreichende Lehrstellen gewesen ist, hat sich in den letzten Jahren komplett verändert. Immer mehr Unternehmen klagen darüber, dass sie Ausbildungsplätze nicht besetzen können.

Wer heute gute Zeugnisse vorweisen kann und engagiert ist, der wird von vielen Firmen umworben. Es ist keine Ausnahme mehr, wenn Ausbildungsstartern Sonderzahlungen in Aussicht gestellt, Dienstwagen angeboten oder ein Auslandspraktikum versprochen werden. Der Ausbildungsmarkt wandelt sich im Moment rasant, die Ansprüche der Ausbildungssuchenden steigen und viele Unternehmen stehen vor der Herausforderung Schritt halten zu müssen. „Lehrjahre sind keine Herrenjahre“ ist vielleicht bald nur noch eine Redewendung, mit der zukünftige Azubis nichts mehr anfangen können.

Die Zahl der Erwerbsfähigen in Mecklenburg-Vorpommern, sinkt monatlich um 700 Menschen. Man muss also wirklich kein Prophet sein, wenn man die Prognose wagt, dass auf die Unternehmer in unserer Region in den nächsten Jahren enorme Fachkräfteprobleme zukommen werden. Die Vorstellungen und Erwartungen ihrer Auszubildenden und Mitarbeiter nicht mehr ernst zu nehmen, dass kann sich kein Betrieb mehr leisten. Aus Mitarbeitern sind inzwischen interne Kunden geworden. Für manchen Unternehmer eine Umstellung.

Personalrekruting ist immer noch das Stiefkind vieler Unternehmen

Hans-Joachim Kölln hilft Unternehmen bei der Entwicklung von Personalrekruting-Strategien
Hans-Joachim Kölln hilft Unternehmen bei der Entwicklung von Personalrekruting-Strategien

Hans-Joachim Kölln ist Unternehmensberater und Business-Coach aus Hamburg. Seit einigen Jahren, unterstützt er vor allem mittelständische Unternehmen dabei sich attraktiv aufzustellen und so gute Mitarbeiter zu finden oder an das Unternehmen zu binden. „In meinen Beratungen und Trainings ist das Thema Personal ständig präsent. In einigen Branchen lassen sich gute Wachstumschancen bereits nicht mehr nutzen, weil geeignete Mitarbeiter im Unternehmen fehlen. Es scheint nicht selten, dass der Markt an qualifizierten Mitarbeitern geradezu leergefegt ist.“

Unternehmer tun daher gut daran, da ist sich Kölln sicher, sich den heutigen Gegebenheiten zu stellen. Dieser Anpassungsprozess finge im Kopf an. Unternehmerisches Geschick wird sich um einige Komponenten erweitern müssen, um am Markt bestehen zu können. „Was nützt eine High-Tech-Maschine ohne geeignetes Personal für die optimale Nutzung? Die Maschine ist dann doch nur ein Haufen teurer Schrott, oder?“

Der Hamburger Beratungsprofi bestätigt aus der Praxis heraus, dass sich der Rekrutierungsprozess bei der Suche nach guten Mitarbeitern, aber auch nach Auszubildenden derzeit in einem Änderungsprozess befindet. „Die Unternehmen müssen sich zukünftig noch viel stärker die Frage stellen, wer bewirbt sich hier eigentlich bei wem?“

Hier haben sich diese Veränderungen leider noch nicht bei allen Firmen herumgesprochen. Leider wird die Personalfrage immer noch viel zu stark als gegeben und leicht lösbar betrachtet. Oft würde nach dem Motto verfahren „Gibt der Herr das Häschen, dann gibt er auch das Gräschen.“ Umso härter ist dann oft der Aufprall dieses Unternehmen in Richtung Wirklichkeit. Arbeitsstellen werden ausgeschrieben und plötzlich trudeln keine Bewerbungen ein.

Personalsuche eine Dauaufgabe der Unternehmen

 

Unternehmen müssen gezielter auf Menschen zugehen  Foto: Jorma Bork  / pixelio.d
Unternehmen müssen gezielter auf Menschen zugehen
Foto: Jorma Bork / pixelio.d

Unternehmen rät der Mittelstandsberater, sich im Internet ein Bild über das eigene Unternehmen zu machen. „Beim Thema Ausbildung pflanzt sich unter den Jugendlichen auch im Zeitalter des Internets der Ruf eines Unternehmens als guter Ausbildungsbetrieb über Mundpropaganda fort, wenngleich auch diese heute mehr und mehr ihren Weg über Facebook, Stayfriends  oder What’sApp nimmt. Manchmal sogar über Arbeitsgeber-Bewertungsportale wie z.B. Kununu, es lohnt es sich also, regelmäßig ein Blick dort hinein zu werfen. Es ist sinnvoll zu wissen, was über das eigene Unternehmen im Internet berichtet wird. Den eigenen Firmennamen zum Google-Alarm zu machen, kann dabei hilfreich sein.“

Menschen brauchen aber auch eine Zukunft. Wenn einem Unternehmen anhaftet, nur auszubilden um billige Arbeitskräfte zu haben, dann dürfe man sich nicht wundern, dass sich bei so einem Unternehmen nicht gut ausgebildete und motivierte Menschen bewerben. Je besser das Berufsbild, die Branche aber auch die Unternehmensplanung den typischen Erwartungen von geeigneten Kandidaten entsprechen, umso besser die Chancen für eine erfolgreiche Ausbildung. Und je besser die Ausbildung umso größer langfristig die Zahl der interessierten Kandidaten.

Personalentwicklung, und damit auch die Suche nach Auszubildenden, ist eine permanente Aufgabe des Unternehmers einer kleinen und mittelständischen Firma. Gute Kandidaten sehen wir jeden Tag, ob an der Kasse im Supermarkt, als Eisverkäufer oder im Burgershop. Es gilt, für die gute Gelegenheit eine Antenne zu entwickeln und den Augenblick zu nutzen.

„Klingt das alles zunächst wie ein nicht akzeptables und zusätzliches Engagement, so kann ich aus meiner Erfahrung sagen, dass sich eine gute Planung später immer wieder anwenden lässt, sich die eingesetzte Zeit also wieder auszahlt.“, plaudert Hans-Joachim Köln aus dem Nähkästchen. Wer sich also zu spät um die Besetzung von Arbeits- oder Ausbildungsplätzen bemüht, dürfe sich später nicht über das mangelnde Angebot beschweren. Kölln rät daher, spätestens schon jetzt mit der Besetzung der Ausbildungsplätze für das kommende Jahr zu beginnen.

Wer nicht interessiert, verliert

Eine Pauschallösung gibt es nicht, das weiß auch der Hamburger Unternehmensberater. Nicht alles lässt sich eins zu eins auf jedes Unternehmen oder jede Branche übertragen. Vielmehr bedarf es einen guten Mix an unterschiedlichen Möglichkeiten. Hier sind kreative und innovative Lösungsansätze gefragt. Versäumen es Unternehmer aber frühzeitig Menschen für ihr Unternehmen zu interessieren, dann kann das zu einem großen Problem werden. Einen Vorgeschmack bekommt man angesichts des Ausbildungsmarktes schon heute in Schwerin:

„Es konnten leider nicht alle angebotenen Ausbildungsstellen in den IHK-Unternehmen besetzt werden. Alleine in der IHK-Lehrstellenbörse sind noch ca. 300 Ausbildungsstellen im IHK-Bezirk Schwerin unbesetzt“, sagt der Geschäftsbereichsleiter Aus- und Weiterbildung der IHK zu Schwerin, Peter Todt.

Ein Problem sei laut Todt aber auch, dass für zahlreiche offene Stellen die Leistungen der Bewerber nicht ausreichen.

Hier scheint es aber nur eine Frage der Zeit zu sein, bis Betriebe hier durch die Umstände gezwungen sind, Kompromisse zu machen. Große Konzerne können sich heute noch Azubis aussuchen. Bleibt den kleineren Betrieben zukünftig nur noch der Rest?

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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