Zum 25. Todestag der Schwerinerin Ann-Charlott Settgast
von Dr. Renate Krüger Vor 25 Jahren, am 5. September 1988, starb die Schweriner Schriftstellerin Ann-Charlott Settgast, ein Stück Gute Alte Zeit und so etwas wie eine Schweriner Hausgrille. Sie
von Dr. Renate Krüger
Vor 25 Jahren, am 5. September 1988, starb die Schweriner Schriftstellerin Ann-Charlott Settgast, ein Stück Gute Alte Zeit und so etwas wie eine Schweriner Hausgrille. Sie wohnte in einem alten verwinkelten Haus am Pfaffenteich. Ihre große düstere Wohnung war vollgestopft mit Büchern und unterschiedlichen Materialsammlungen, die eigentlich ständig hätten aufgeräumt und geordnet werden müssen. Dazu aber war Ann-Charlott nie gekommen.
Sie war gehbehindert und konnte sich nicht allein in der Stadt fortbewegen, stand mit vielen Schweriner Taxifahrern auf Du und Du und trug silberne Haarreifen.
Im fortgeschrittenen Alter hatte sie geheiratet, einen sehr viel älteren Mann, den sie um lange Jahre überlebte, einen Seemann. Mit ihm hatte sie auch die Seemannsromantik an Bord ihres Lebensschiffes genommen. „Aus Käpt’n Brockmöllers Seekist“ ist mehr mehr herausgeholt worden, als man jemals hätte hineinstecken können. Mit Brockmöllers Lebenserinnerungen und seinem Image, an dem sie kräftig weiterbaute, füllte sie viele Zeitungsspalten sowohl hoch-, als auch plattdeutsch und versuchte ihrem Schweriner Leben und ihrer Neustrelitzer Herkunft noch etwas Maritimes hinzuzufügen.
Ihre Wohnung glich einem Raritätenkabinett: Bücher, ausgestopfte Vögel, Bilder, Kinderbasteleien, Figürchen, unzählige Pflanzen und Trockensträuße. Dazu beherbergte sie noch eine ganze Menagerie mit Nymphensittichen, japanischen Mövchen, Kanarienvögeln, Lachtauben, Schildkröten, Aquarien, weißen Mäusen und mehreren Katzen, die sorgfältig von den Vögeln ferngehalten werden mussten. Viele Stunden am Tag brachte sie damit zu, diese Tiere zu versorgen.
Dazu lud sie noch Gruppen und Zirkel in ihre Wohnung ein, Jugendliche, die sich konfirmieren lassen und solche, die zur Jugendweihe gehen wollten, Gruppen aus Altenheimen, Veteranen aus Betrieben, mit denen sie literarische Zirkelarbeit betrieb. Ihre Sprache war einmalig mecklenburgisch, und wenn sie ihren Doppelnamen so richtig am Telefon abrollen ließ, dann konnte man eigentlich nur noch an mecklenburgische Volkstänze oder an Läuschen un Riemels denken…
Sie war eine mütterliche Anlaufstelle für viele Schwache und Gescheiterte, eine private psychosoziale Beratungsinstitution von großer Anziehungskraft. Dadurch kam es auch, dass sie fast ausschließlich von Schwachen umgeben war. Sie lebte in ihrer eigenen Welt, und diese Welt war in sich stimmig und wahr, ein Ausdruck von Existenz. In dieser Welt flossen pädagogische, familiäre, kreative und andere Potenzen zu großer Geschlossenheit zusammen.
Bei ihrer Beerdigung, die in einem durchaus etablierten kirchlichen Rahmen stattfand, wurde „La Paloma“ gespielt, und zu diesen Klängen bewegte sich rhythmisch der Pastor mit der Urne… Eine Straße im Schweriner Norden trägt ihren Namen.