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Corona in Schwerin & MV: Ein Land im „harten“ Lockdown

Seit gestern befindet sich nun also nicht mehr nur Schwerin, sondern das gesamte Bundesland Mecklenburg-Vorpommern in einem wie es die Landesregierung nennt „harten“ Lockdown. Über diese Begrifflichkeit mag man streiten

  • Veröffentlicht April 20, 2021
Mit dem gestern begonnenen Lockdown zeigte sich die Innenstadt von Schwerin trotz schönem Frühlingswetter leer. | Foto: schwerin-lokal / Stephan Haring

Seit gestern befindet sich nun also nicht mehr nur Schwerin, sondern das gesamte Bundesland Mecklenburg-Vorpommern in einem wie es die Landesregierung nennt „harten“ Lockdown. Über diese Begrifflichkeit mag man streiten können. Blickt man ein Jahr zurück, waren deutlich mehr Bereiche und Branchen des öffentlichen und wirtschaftlichen Lebens heruntergefahren. Selbst auf großen Hauptverkehrsstraßen sah man kaum ein Auto. War das dann der „Mega“-Lockdown? Eine schon merkwürdige deutsche Eigenschaft, immer alles in größer, schneller, besser und toller einstufen zu müssen. Oder will man damit vielleicht davon ablenken, dass man letztlich eben doch nicht so hart durchgreift, wie es große Teile der Wissenschaft und die Intensivmedizin noch immer fordern?

 

MV-Plan als Grundlage des seit gestern gültigen Lockdowns

Aber zumindest ist nun etwas passiert. Man habe, so erläuterte Ministerpräsidentin Schwesig vergangene Woche, nun die im MV-Plan schon vor geraumer Zeit festgeschriebenen Maßnahmen ergriffen. Diese Aussage ist sicherlich wahr. An anderer Stelle allerdings schwieg Schwesig lieber, um sich nicht unangenehme Fragen stellen lassen zu müssen. Denn die ganze Realität sieht doch so aus, dass Manuela Schwesig zweimal einer bundesweiten Notbremse im Bund-Länder-Gipfel zustimmte, die im Wesentlichen die nun in MV geltenden Schließungen und weiteren Maßnahmen auch zur Folge gehabt hätte. Aber bereits ab einer Inzidenz von 100 – und das sogar auf Ebene der Kreise und kreisfreien Städte und dann auch auf Ebene des Landes.

 

Wir könnten schon weiter sein, wenn man sein Wort halten würde

Wort gegeben – Wort gebrochen. Wiederholt. Denn Manuela Schwesig stimmte eben dieser Notbremse bei einer Inzidenz von 100 zu, schrieb dann aber für Landkreise und kreisfreie Städte in die Landesverordnung eine vollkommen zahnlose Bremse bei 150. Dort nämlich fanden sich lediglich die Schließung von Museen, Galerien u.ä. Zusätzlich galten zuletzt Ausgangsbeschränkungen nachts bereits ab einer Inzidenz von 100 gelten. Diese Ausgangsbeschränkungen sieht nun auch die aktuelle Verordnung vor. Allerdings müssen sie die Kreise und kreisfreien Städte direkt erlassen.

 

Auch Landkreise tragen Mitverantwortung 

Und selbst diese Maßnahmen setzten die Landkreise nur widerwillig, halbherzig oder kreativ begründet auch gar nicht bzw. deutlich zeitverzögert um. Hinzu kamen inzwischen bekannte Meldeverzögerungen in Vorpommern-Greifswald und Ludwigslust-Parchim. Verzögerungen, die – man mag darüber streiten, ob bewusst oder unbewusst – meist termingenau die Zahlen unter bestimmte Maßnahmengrenzen drückten.  Hätte die Landesregierung unter Manuela Schwesig eben nicht Wahlkampfgedanken, sondern tatsächlich den Gesundheitsschutz im Blick gehabt, hätte sie vereinbarungsgemäß die „harte“ Notbremse bei einer Inzidenz von 100 verbindlich festgeschrieben. Dann wären Zustände wie schon jetzt  auf den Intensivstationen, möglicherweise vermieden werden können.

 

Überraschend harte Maßnahmen bei Schulen und Kitas

Nun stehen die Stühle wieder oben, und die Klassenzimmer sind leer – auch in Schwerin
. | Foto: privat

Ein wenig überraschend für viele kam allerdings – auch das gehört zur Wahrheit – das doch sehr klare und deutliche Durchgreifen der Ministerpräsidentin und ihrer Landesregierung im Rahmen des nun aktuellen Lockdowns bei Kitas und Schulen. Denn anders, als es die derzeit in Berlin bundesweit diskutierte Notbremse vorsehen würde, schlossen die Schulen und Kitas bereits jetzt in MV. Das ist vor allem deshalb verwunderlich, da Bildungsministerin Bettina Martin und Landesmutter Manuela Schwesig gebetsmühlenartig seit vielen Wochen erklärten, die Schulen und Kitas seien keine Infektionstreiber.

 

Inzidenz der 5-14-Jährigen in Schwerin: 527

Schon ein Blick auf die täglichen Lageberichte des LAGuS MV hätte die beiden eines Besseren belehren können. Oder auch ein genaues Hinhören, wenn beispielsweise vom in Fragen des Gesundheitsschutzes sehr klaren Oberbürgermeister von Schwerin, Dr. Rico Badenschier. Dieser hatte wiederholt auf die Gefahren hingewiesen, die gerade in diesen Bereichen wuchsen. Zu Recht, wie nun vom ZDF ausgewertete Zahlen des Robert-Koch-Instituts zeigen. Denn während die Gesamtinzidenz jeweils teilweise spürbar darunter liegt, weisen zahlreiche Kreise in Deutschland in der Gruppe der 5- bis 14-Jährigen Inzidenzen von über 200 aus. In einer kreisfreien Stadt ist dies deutschlandweit besonders dramatisch: Schwerin! Hier in der Landeshauptstadt betrug die Inzidenz über alle Altersgruppen kürzlich etwa 177 – die der 5- bis 14-Jährigen stolze 527. Selbst bei den 0- bis 4-jährigen lag sie bei 205. Eine Entwicklung, die nicht erst in den letzten Tagen eingetreten sein dürfte.

 

Stark betroffene Gruppe zählt nicht bei Kontaktmaßnahmen

Vor dem Hintergrund dieser doch dramatischen Zahlen erscheint es schon zumindest hinterfragbar, weshalb bei den neuen Kontaktverschärfungen – ein Haushalt plus maximal eine weitere Person – erneut Kinder und Jugendliche bis 14 Jahren nicht mitgerechnet werden. Ebenso darf man die Planung, Kitas und Schulen als erste wieder öffnen zu wollen – bei Entspannung auf den Intensivstationen und einem Landesinzidenzwert von unter 100 – mit Stirnrunzeln betrachten. Rufen wir uns doch die Situation vor einem Jahr in Erinnerung. Da war klar, dass die höchsten Inzidenzen bei den älteren und alten Menschen zu verzeichnen sein dürften. Altenheime wurden daraufhin hermetisch abgeriegelt, die Bewohner faktisch isoliert.

 

Wirklich Schulen und Kitas zuerst wieder öffnen?

Und heute, da erkennbar ist, dass es gerade auch Kinder und Jugendliche sind, vor denen das Virus nicht mehr Halt macht, da sollen sie gleich als erste wieder losgeschickt werden. So nachvollziehbar der Wunsch ist, so wenig verständlich ist letztlich dieser Ansatz. Ist er doch praktisch eine Garantie, für ein dann schnell wieder anwachsendes Infektionsgeschehen. Ein sehr richtiger Ansatz ist zweifelsfrei, die Zeit der geschlossenen Schulen zu nutzen. Nämlich um nun auch die Lehrerinnen und Lehrer der weiterführenden Schulen zu impfen.

 

Vieles ist seit gestern zu

Geschlossen – Ein Schild das auch in Schwerin im Lockdown keinen Seltenheitswert hat. | Foto: privat

Zudem sind seit gestern im ganzen Land die meisten Geschäfte des Einzelhandels wieder geschlossen. Lediglich erweiterte Grundversorgung, zu der nun auch Baumärkte gehören, bleibt geöffnet. Auch wieder geschlossen sind die körpernahen Dienstleistungen. Friseure allerdings – was viele zum Durchatmen bringen dürfte, bleiben geöffnet. Auch Fahrschulen dürfen nur noch in dringenden, beruflich begründeten Fällen, Fahrschulfahrten und -unterrichte ermöglichen. Kultur, Freizeit etc – was geöffnet hatte, muss schließen.

Ferner gilt ein nochmals verschärfter Tourismusstopp. Denn nun dürfen auch diejenigen, die in Mecklenburg-Vorpommern eine Zweitwohnung, ein Wochenend- oder Kleingartenobjekt oder einen Dauercampingplatz haben, und nicht in MV mit Erstwohnsitz gemeldet sind, nicht mehr ins Land kommen. Alle, die vor Ort sind, müssen MV bis Freitag verlassen. Hier schließt das Land dann doch an Regelungen aus dem Frühjahr 2020 an.

 

Jetzt liegt es vor allem an uns

Von vier oder fünf Wochen Dauer dieses Lockdowns ist die Rede. Manuela Schwesig möchte allerdings lieber die Entwicklung des Infektionsgeschehens und auf den Intensivstationen als Maßstab nehmen. Allerdings dürften ihre da gesteckten Ziele nicht unter der benannten Zeitspanne umsetzbar sein. Jetzt also gilt es, die vielleicht letzte Chance auf einen Sommer mit Öffnungen zu nutzen. Es liegt an den Menschen in Mecklenburg-Vorpommern, ob sie diese Chance nutzen. 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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