Mi, 1. Mai 2024
Close

Einfach los und Geflüchteten helfen

Die Hilfe für die Menschen in und aus der Ukraine ist enorm groß. Schon kurz nach Kriegsausbruch brachen die ersten auf, um Hilfsgüter in Richtung ukrainischer Grenze zu bringen, und

  • Veröffentlicht März 21, 2022
Mit mehreren Bussen in Richtung Ukraine. | Foto: privat

Schon kurz nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine war klar: Europa hat nicht nur wieder mitten in seinem Herzen eine kriegerische Auseinandersetzung. Vielmehr drohte eine Katastrophe für die ukrainische Bevölkerung. Die Belagerungen von ganzen Städten und das gezielte Zerbomben auch ziviler Ziele seitens der russischen Armee haben die schlimmsten Befürchtungen sogar noch übertroffen. Während sich ein großer Teil der ukrainischen Bevölkerung – ob Militär oder Zivilbevölkerung – tapfer gegen den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zur Wehr setzt, hat eine Flüchtlingswelle eingesetzt, die für Europa die größte seit Ende des II. Weltkriegs zu werden droht.

 

Private Hilfe begann unmittelbar nach Kriegsausbruch

Nicht lange nach Kriegsausbruch machten sich die ersten Menschen auch aus Deutschland ganz privat auf den Weg in Richtung polnisch-ukrainischer Grenze. So suchten Ralf und Friedrich aus dem Umland von Schwerin kurzentschlossen vier weitere Fahrer, so dass man mit drei Autos – gefüllt mit Hilfsgütern – in Richtung Przemysl an der polnisch-ukrainischen Grenze fahren konnte. Es war ein Weg ins Ungewisse. Aber für die zwei – und dann die sechs – stand außer Frage, dass sie helfen wollten. Klar auch, auf dem Rückweg würden sie Flüchtlinge mit in Richtung Schweriner Umland nehmen. Da nämlich hatten sie bereits viel Unterstützung angeboten bekommen, so dass sie wussten, diejenigen, die mit ihnen kommen würden, kommen hier auch unter.

 

Ralf und Friedrich fuhren kurzentschlossen in Richtung Ukraine

Vor Ort trafen sie auf eine logistisch professionell organisierte Situation. Ein großes Zeltlager, in dem sich die Ankommenden aber auch die Helfenden aufwärmen und stärken konnten. Da zu diesem Zeitpunkt die Menschen die Ukraine nur in kleinen Gruppen verlassen konnten – die Ausreise verlief analog und daher schleppend – warteten die sechs mehrere Stunden, bis alle 18 Plätze für die Rückfahrt gefüllt waren. Zu dem Umstand, dass nur grüppchenweise immer wenige Personen im Zeltlager ankamen, kam hinzu, dass viele durch Familien- oder Bekannte im Ausland ein klares Ziel hatte. Von Berlin über Süddeutschland bis Italien war alles dabei. Und von überall dort waren inzwischen auch Helfer vor Ort. Auf eigens gebastelte Schilder hatten Ralf und Friedrich „Deutschland + Unterkunft + Arbeit“ geschrieben. Das war kein leeres Versprechen, denn ihre Unterstützer zu Hause hatten teilweise komplett bezugsfertige Wohnungen mit gefüllten Kühlschränken und sogar Arbeitsmöglichkeiten für die Ankommenden in Aussicht gestellt.

 

Große Unterstützung für die Hilfsaktion

Die Hilfsbereitschaft war von Anfang an enorm groß. So kamen letztlich vier Familien (mal Mutter und Kind, mal mit der Oma) bei einem Unternehmer unter, in dem alles perfekt vorbereitet war. Die Geflüchteten konnten vor Ort aufschreiben, was sie für den Anfang brauchten – er besorgte alles. Auf eigene Kosten. Eine Person setzten sie in Güstrow bei Bekannten ab, eine fuhr weiter nach Berlin zur Familie oder Freunden. Dieser Rückweg war, das berichteten die beiden im Anschluss am Telefon, durchaus von einer noch immer spürbaren Angst der Geflüchteten geprägt. So fingen die Kinder bei Einbruch der Dunkelheit an zu weinen und zu schreien. Die Mütter haben bis kurz vor der Ankunft gebraucht, um wirklich zu realisieren, dass sie nicht mehr im Kriegsgebiet sind. Dass die Gefahr vorbei ist.

 

Gleich nach der Rückkehr Vorbereitungen für die nächste Tour

Anstatt nun wieder dem eigenen Tagewerk nachzugehen, kurbelten Ralf und Friedrich zu Hause nochmals die Helfersuche an. Diese verselbstständiget sich dabei schneller, als gedacht. Die Gefragten sagten sofort ihre Unterstützung zu – und suchten zudem auch selbst weitere Unterstützer. Von Autohäusern kamen Verbandskästen, von Tierarzt- und Arztpraxen Verbandmaterial und Medikamente. Zudem waren inzwischen auch diverse andere Sachspenden abgegeben worden. Plötzlich standen auch fünf weitere Autos nebst Fahrern zur Verfügung. Binnen kürzester Zeit waren diese voll bis unters Dach mit Hilfsgütern.

Und noch am selben Tag machten sich Ralf und Friedrich mit dem nun neu zusammengekommenen Team erneut auf den Weg in Richtung Ukraine. Auch das sollte nicht die letzte Tour der beiden gewesen sein. Zwei junge Männer, die keine Sekunde lang zögerten, sondern handelten. Unterstützt von Freunden, Bekannten, Kollegen und ihnen bis dahin auch total unbekannten Personen. Alle einte und eint, Hilfe in Richtung Ukraine senden und einen sicheren Ort für die Geflüchteten bieten zu wollen.

 

Die Orchestermusiker bei der Übergabe der Fahrzeuge für die Hilfstour. | Foto: Lucas Marin Lopez

Musiker der Staatskapelle Schwerin machen sich auf den Weg

Ralf, Friedrich und die vielen anderen waren und sind in den vergangenen Tagen und Wochen nicht allein. Nahezu täglich wuchs die Anzahl derer, die in Richtung polnisch-ukrainischer Grenze fuhren, um gespendete Hilfsgüter dorthin zu bringen und Geflüchtete mit nach Mecklenburg-Vorpommern zu nehmen. Ganz abgesehen von den unzähligen Menschen hier vor Ort, die auf unterschiedlichste Weise ihren Beitrag leisten, den Ankommenden schnellstmöglich einen festen Ort und Ruhe – eben ein wirkliches Ankommen – zu ermöglichen. Zu diesen vielen helfenden Händen und Herzen zählte auch das gesamte Ensemble des Mecklenburgischen Staatstheaters.

 

Viel Unterstützung – auch vom Autohaus Ahnefeld

So hatten Trompeter Florian Weber und Posaunist Steffen Schütze die Idee, ebenfalls Hilfsgüter in die Grenzregion zu bringen, und Geflüchteten die Möglichkeit zu bieten, nach Schwerin zu kommen. „Gemeinsam mit zwei weiteren Kollegen möchten wir aktiv die Menschen in und aus der Ukraine unterstützen. Daher haben wir uns entschieden, uns selbst auf den Weg zu machen, um Hilfsgüter an die Grenze zu bringen und außerdem Geflüchteten die Möglichkeit zu geben, mit uns mit nach Mecklenburg-Vorpommern zu fahren, um sie hier in Sicherheit zu bringen“, so Florian Weber. Die vier Musiker haben dabei auf dem Weg in Richtung Ukraine Hilfsgüter wie Lebensmittel, Medikamente und Bekleidung geladen, die das Ukrainisch-Deutsche Kulturzentrum e. V. auf dem Großen Dreesch in Schwerin zusammengetragen hat. Auf dem Rückweg ist geplant, mit den leeren Transportern Auffangcamps für Frauen und Kinder an der Grenze anzufahren, um Geflüchtete von dort nach Mecklenburg-Vorpommern zu bringen. 

 „Die vier Transporter wurden uns von dem Schweriner Autohaus Ahnefeld für diese Aktion kostenlos zur Verfügung gestellt. Dafür sind wir insbesondere Hannah Schäfer und Sebastian Knauer sehr dankbar. Die Spritkosten werden wir über einen Spendenaufruf innerhalb der Staatskapelle abdecken“, so Florian Weber, der am Freitag mit seinen Kollegen aufbrach.

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert