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Großes Energiepreis-Entlastungspaket mit einigen „Gekniffenen“

Es hat gedauert, bis sich die Ampelkoalition in Berlin nun auf ein Energiepreis-Entlastungspaket geeinigt hat. In dieser Zeit hat der Staat zumindest an den Zapfsäulen tüchtig mit verdient. Blickt man

  • Veröffentlicht März 25, 2022
Die Politik diskutierte und kassierte währenddessen munter mit. | Foto: privat

Mehr als eine Woche dauerte der (Macht-)Kampf innerhalb der Ampelkoalition in Berlin um die Frage nach Maßnahmen zur Entlastung der Bevölkerung und ggf. auch der Wirtschaft im Hinblick auf die überdurchschnittlich gestiegenen Energiepreise. Nun haben sich SPD, Grüne und FDP am gestrigen Donnerstag auf ein Maßnahmenpaket geeinigt. Sprichwörtlich die Gekniffenen sind dabei all diejenigen, deren Fahrzeuge Diesel benötigen. Denn bei einer dreimonatigen Steuersenkung kommen sie deutlich schlechter weg. Auch die Nahverkehrsunternehmen und nicht unwesentliche Teile der Bevölkerung dürften mit Sorgenmine auf die Details der staatlichen Maßnahmen blicken.

 

Diesel mit geringster Entlastung trotz höchstem Anstieg

Und das sind letztlich nicht wenige – und nicht selten auch jene, die weitere Strecken zur Arbeit fahren. Denn bislang war es die Regel, dass mit Diesel betriebene Fahrzeuge bei häufigem Fahren längerer Strecken gegenüber den Benzinern einen doch spürbaren Preisvorteil im Portemonnaie mit sich bringen. Speziell für Menschen auf dem Land oder auch in den Speckgürteln der Städte – in die zunehmend auch diejenigen ziehen müssen, die sich den Wohnraum in den Städten nicht mehr leisten können – war das Dieselfahrzeug somit eine gute Entscheidung. Auch wenn die Kfz-Steuer deutlich höher ausfällt, als beim Benziner. Dafür war bislang der Literpreis des Diesel – auch durch geringere Besteuerung eben bei höherer Kfz-Steuer – deutlich geringer als der des Benzins.

 

Gerade auch Pendler haben oft Diesel-Fahrzeuge

Das allerdings ist seit geraumer Zeit längst Geschichte. Noch im Februar lag der Dieselpreis bei gut 1,60 €/l. Jetzt sind es teilweise um 2,20 €/l. Kürzlich noch deutlich mehr. Ein Blick an die Anzeigetafeln der Tankstellen zeigt zudem, dass der Preis je Liter Diesel in diesen Tagen teilweise mehr als zehn Cent über einem Liter Super liegt. Längst also zahlen gerade auch zahlreiche Pendlerinnen und Pendler, deren Einkommen sich ohnehin schon durch das viele Fahren reduziert, mehr als die Benzin-Kollegen. Mit dem gestern beschlossenen Energiepreis-Reduzierungs-Kompromiss wird sich diese Schere nun noch weiter öffnen. Denn während Berlin für drei Monate die Benziner um 30 Cent je Liter entlastet, sind es bei Dieselfahrzeugen lediglich 14 Cent. Mehr soll angeblich nicht möglich gewesen sein beim Diesel. Das Mitkassieren beim Anstieg um zeitweise 70 Cent und mehr je Liter ist Christian Lindner und dem Rest der Regierung allerdings nicht schwer gefallen.

Damit dürfte sich der Preisunterschied in Kürze bei knapp 30 Cent je Liter zuungunsten der Dieselfahrzeuge bewegen.

Da parallel dazu keine Erhöhung der Kilometerpauschale beschlossen wurde, bedeutet dies für Vielfahrer – die eben nicht, wie von der Ampelkoalition gern behauptet, zwangsweise Mehr- und Vielverdiener sind – eine weiterhin deutliche Mehrbelastung an den Tankstellen. Von einer besonders sozialen Leistung oder gar einer Entlastung speziell wenig Verdienender kann man daher nicht sprechen.

 

Wirtschaft dürfte not amused sein

Aber nicht nur Privatpersonen mit Dieselfahrzeugen sind betroffen. Auch die Wirtschaft, die in großen Teilen auf Dieselfahrzeuge setzt, trifft diese Entscheidung hart. Bedeutet die gestrigen Entscheidung letztlich doch auch weiterhin unter dem Strich eine deutliche Mehrbelastung. Und diese könnten die Verbraucherinnen und Verbraucher auf Umwegen in ihren Portemonnaies spüren. Denn gerade die Speditionsbranche ist mit einer dieselbetriebenen Fahrzeugflotte auf Deutschlands Straßen unterwegs. Eine Verlagerung der Güter auf die Schiene ist schon aus Kapazitätsgründen des Bahnbereichs nicht möglich. Nicht ausgeschlossen ist daher, dass nun die anhaltend höheren Kosten auf die Auftraggeber umgelegt werden. Diese reichen sie dann an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiter. Die ohnehin teilweise schon drastisch steigenden Lebensmittelkosten aber auch zahlreiche andere transportabhängige Güter würden sich dann noch zusätzlich verteuern.

 

Rentner offenbar außen vor – Nahverkehrsbetriebe dürften Sorgenmine haben

Neben der dreimonatigen Reduzierung der Spritpreise hat die Ampelkoalition aber noch weitere Maßnahmen beschlossen:

 

Es dürfte sehr unterschiedlich und alles andere als sozial gerecht sein, was am Ende bei wem ankommt. | Foto: Klaus-Uwe Gerhardt

 

  • Eine sogenannte Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro sollen all diejenigen erhalten, die Einkommenssteuer zahlen. Ausgezahlt werden soll sie zusätzlich zum Gehalt. Allerdings ist der Betrag steuerpflichtig, so dass sich der Staat hinten herum einen Teil wieder zurückholt. Sogar Sozialversicherungsabgaben sollen wohl anfallen. Laut „BILD“ auf Druck der Grünen.

Da Gutverdiener höhere Steuern zahlen als Geringverdiener, kommt es so zu einer einkommensabhängigen Unterstützung zugunsten weniger gut verdienender Personen. Weil die Auszahlung über das Gehalt erfolgen soll, ist davon auszugehen, dass nur Arbeitnehmerinnen  und Arbeitnehmer sowie Beamten in den Genuss kommen. Ein großer Teil der Bevölkerung – von den Rentnern über Studierende bis hin zu Menschen im Krankengeldbezug profitiert bei diesem Auszahlungsmodell nicht. Wohl auch außen vor: Minijobber.  Selbstständige sollen die Pauschale wohl in Form einer verringerten Steuervorauszahlung erhalten.

 

  • Um besondere Härten abzufedern, zahlt der Staat einen Einmalbonus von 100 Euro an Familien – ergänzend zum Kindergeld. Die Auszahlung soll über die Familienkassen erfolgen. Da der Betrag auf den Kinderfreibetrag angerechnet werden soll, kommt er Gutverdienern letztlich nicht zugute.

 

  • Personen, die zum Bestreiten ihres Alltags Transferleistungen vom Staat erhalten, sollen weitere 100 Euro erhalten.

 

  • Vorgesehen ist bundesweit auch die Einführung eines vergünstigten Nahverkehrstickets. 90 Tage – also tendenziell drei Monate – soll es ein ÖPNV-Ticket für neun Euro im Monat geben. Spannend dürfte werden, ob und in welchem Umfang der Staat die damit verbundenen Einnahmeausfälle der Nahverkehrsunternehmen, die durch die extrem hohen Dieselpreise ohnehin schon zusätzlich belastet sind, kompensiert. Geschieht dies nicht in vollem Umfang, dürfte es für so manch Nahverkehrsunternehmen eng werden. Dann bleiben im Zweifel nur Preiserhöhungen, um die Ausfälle zu kompensieren. Damit hätte sich die Ampel ein Eigentor geschossen.

 

Schwerin, 25. März 2022

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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