Do, 10. Juli 2025
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Stadtvertreter mit 16 Jahren:
FDP fordert Jugendliche in kommunale Parlamente

Mit 16 Jahren als Stadtvertreter gewählt werden? Die FDP möchte jungen Menschen eine "echte Beteiligung" in den Kommunen geben. Was spricht für und gegen 16-jährige Stadtvertreter?

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  • Veröffentlicht April 22, 2024
Schweriner Rathaus
16-Jährige wer­den in diesem Jahr nicht in die Stadtvertre­tung gewählt wer­den kön­nen. Die FDP möchte das für die Zukun­ft ändern.

Bei der Kom­mu­nal­wahl in Baden-Würt­tem­berg am 9. Juni dür­fen Jugendliche ab 16 Jahren erst­mals in kom­mu­nale Gremien gewählt wer­den. Das geht im Moment in Meck­len­burg-Vor­pom­mern an diesem Tag nicht. Hier dür­fen junge Men­schen ab 16 zwar wählen, kön­nen aber nicht gewählt wer­den. Das würde die FDP gerne ändern.

Faire und gerechte Beteiligung garantieren

Auf ihrem Lan­desparteitag vor zwei Wochen in Wis­mar sprachen sich die Delegierten für eine Reform des pas­siv­en Wahlrechts aus. Einge­bracht hat­te den Antrag die Jun­gen Lib­eralen (Julis) aus Süd­west­meck­len­burg, zu denen auch Schw­erin gehört. „Ich freue mich, dass die FDP MV nun auch das pas­sive Wahlrecht mit 16 beschlossen hat. Durch diesen Beschluss wer­den klare Sig­nale der Wertschätzung an die Jugendlichen gesendet und ihnen wird eine faire und gerechte Beteili­gung garantiert”, kom­men­tiert Juli-Kreisvor­sitzen­der, Patrick Eis­ing aus Schw­erin den Beschluss sein­er Mut­ter­partei.

Patrick Eis­ing auf dem Lan­desparteitag in Wis­mar. Foto: Pri­vat

Ein Kinder- und Jugen­drat ohne Rede- und Antragsrecht stelle, laut Eis­ing, keine echte Beteili­gung von Jugendlichen in der Kom­mu­nalpoli­tik dar. „Damit Jugendliche auf kom­mu­naler Ebene eine echte Beteili­gung spüren ist es notwendig, dass pas­sive Wahlrecht auf die Vol­len­dung des 16. Leben­s­jahres zu senken”, so der Schw­er­iner Juli-Chef. Nach Baden-Würt­tem­berg kön­nte damit in Meck­len­burg-Vor­pom­mern „Vor­re­it­er sein und weit­ere Bun­deslän­der ani­mieren eine echte Jugend­beteili­gung zu garantieren”. Eine adäquate Repräsen­ta­tion gelänge nur, wenn Jugendliche in den kom­mu­nalen Par­la­menten vertreten sind, ist sich Patrick Eis­ing sich­er.

Engagement für soziale und gesellschaftliche Belange

Aktuelle Stu­di­en sprechen tat­säch­lich davon, dass etwa ein Drit­tel der Jugendlichen sich „oft für soziale oder gesellschaftliche Zwecke” engagieren. Weit­ere 42 Prozent beteili­gen sich zumin­d­est gele­gentlich.

Demge­genüber spricht die let­zte Shell-Jugend­studie aus dem Jahr 2019 davon, dass sich nur 40 Prozent der jun­gen Men­schen in Deutsch­land poli­tisch inter­essieren. Bil­dung und Herkun­ftss­chicht bee­in­flussen, laut Stu­di­en, das poli­tis­che Inter­esse stark, wobei höhere Bil­dungs­grade zu größerem Inter­esse an poli­tis­ch­er Beteili­gung führe.

Nach anderen Stu­di­en hal­ten weniger als 40 Prozent der Teil­nehmenden zwis­chen 16 und 29 Jahren Poli­tik­er und Parteien für glaub­würdig und über 60 Prozent der 16 bis 23jährigen fühlen sich von der Poli­tik nicht ernst genom­men. Diese Ablehnung und das geringe Inter­esse gegenüber insti­tu­tion­al­isiert­er Poli­tik kor­re­spondiert mit nur spo­radisch vorhan­den­em Wis­sen über Poli­tik. Poli­tis­ches Inter­esse äußert sich meist in anderen For­men und wird von vie­len Jugendlichen auch nicht als solch­es ver­standen.

Politik für junge Menschen relevanter machen

Die Befür­worter der Wahlrecht­sre­form argu­men­tieren, dass 16-Jährige über genü­gend Reife und poli­tis­ches Wis­sen ver­fü­gen, um wählen zu kön­nen und gewählt zu wer­den. Sie beto­nen, dass Bil­dung und Inter­esse an Poli­tik junge Men­schen zu ver­ant­wor­tungs­be­wussten Wäh­lern machen. Jugendliche soll­ten ein Mit­spracherecht haben, da poli­tis­che Entschei­dun­gen ihre Zukun­ft stark bee­in­flussen und sie auch Steuern zahlen. Eine Absenkung des pas­siv­en Wahlal­ters kön­nte die demografis­che Ungle­ich­heit aus­gle­ichen und die Poli­tik für junge Men­schen rel­e­van­ter machen. Zudem kön­nte dies die poli­tis­che Bil­dung verbessern und die Jugendlichen dazu ermuti­gen, sich stärk­er mit der Demokratie zu iden­ti­fizieren und am poli­tis­chen Leben teilzunehmen, was wiederum die Poli­tikver­drossen­heit ver­ringern würde.

Stadtvertreter zweiter Klasse?

Die Geg­n­er der Absenkung des Wahlal­ters brin­gen ver­schiedene Argu­mente vor. Sie bezweifeln, dass 16-Jährige die notwendi­ge Reife für das Wählen und Gewählt wer­den haben. Sie kön­nten leicht bee­in­flusst wer­den, wird immer wieder argu­men­tiert. Die Schule bere­ite Jugendliche, darüber hin­aus, nicht aus­re­ichend auf das Wählen vor. Junge Men­schen neigten weit­er eher zu Extrem­po­si­tio­nen, was das poli­tis­che Sys­tem radikalisieren kön­nte. Juris­tisch argu­men­tieren sie, dass das Wahlal­ter eng mit der Volljährigkeit ver­bun­den ist und eine Absenkung zu einem „hal­ben” Wahlrecht führen würde. Poli­tisch wird befürchtet, dass die Senkung des Wahlal­ters die Wahlbeteili­gung ver­ringern und die Legit­im­ität von Wahlen unter­graben kön­nte.

In Baden-Würt­tem­berg stimmte die FDP-Land­tags­frak­tion im let­zten Jahr übri­gens aus rechtlichen Bedenken gegen eine Absenkung des pas­siv­en Wahlal­ters auf 16 Jahre. Ihr Haup­tkri­tikpunkt war damals, dass man auf­grund der eingeschränk­ten Recht Min­der­jähriger „Räte zweit­er Klasse” schaffe, da diese Auf­gaben wie stel­lvertre­tende Bürg­er­meis­ter oder Auf­sicht­sräte kom­mu­naler Eigen­be­triebe nicht ausüben dür­fen. Die kom­mu­nale Real­ität mit lan­gen Sitzun­gen bis spät in die Nacht kol­li­diere mit der Erziehungsrecht der Eltern, und dieses wiederum mit dem freien Man­dat als Gemein­der­at.