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Hollywood-Star wirbt für Engagement gegen Rechts

  (sr). Ein Weltstar in Schwerin. Am vergangenen Samstag besuchte Hardy Krüger das Schweriner Rathaus, um für Engagement gegen Rechts zu werben. Anhand seiner eigenen Biografie erläuterte Krüger, warum er

  • Veröffentlicht Juni 8, 2015
Hardy Krüger warb am vergangenen Samstag in Schwerin für Unterstützung von Projekten gegen Rechts
Hardy Krüger warb am vergangenen Samstag in Schwerin für Unterstützung von Projekten gegen Rechts

 

(sr). Ein Weltstar in Schwerin. Am vergangenen Samstag besuchte Hardy Krüger das Schweriner Rathaus, um für Engagement gegen Rechts zu werben. Anhand seiner eigenen Biografie erläuterte Krüger, warum er einen Kampf gegen Rechts für wichtig hält.

 

Er ist ein Weltstar. Als Schauspieler ebenso erfolgreich wie als Schriftsteller oder als Weltenbummler. Hardy Krüger ist für viele Menschen eine lebende Legende. Schon frühzeitig eine Filmkarriere gemacht, ist er auf den großen Bühnen der Welt aufgetreten. Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, gehörte die Kinolegende Hardy Krüger neben Hildegard Knef zu den einzigen deutschen Schauspielern, die am Broadway in Amerika spielen durften. In einer Zeit in der es keinem deutschen Schauspieler möglich gewesen ist, sich auf der internationalen Bühne zu etablieren, da das Land als Urheber von unsäglichen Grausamkeiten und Not geächtet gewesen ist, spielte Krüger als erster Deutsche Hauptrollen in Hauptrollen in Filmen, die in London, Paris, Moskau, Australien und Hollywood entstanden. Im Jahr 1957 feierte die englische Presse den Schauspieler als »Botschafter seines Landes«.

 

»Ich bin als Nazi erzogen worden«

 

Am vergangenen Samstag war Krüger, inzwischen 87 Jahre alt, in Schwerin zu Gast. Er kam mit einem klaren Anliegen: Mit seiner Initiative »Gemeinsam gegen rechte Gewalt« warb Hardy Krüger für Projekte gegen Rechts. Mit einer »Rathaus-Tour« reist der international erfolgreiche Weltschauspieler im Moment durch Deutschland und möchte Flagge gegen menschenverachtende Einstellungen zeigen. In sechs Rathäusern in Deutschland ist Krüger bisher schon gewesen, unter anderem in Leipzig, Stuttgart, Dortmund und Köln. Die siebte Station ist nun Schwerin gewesen. »Wenn ich sehe, dass Neonazis heute vielerorts ungestört aufmarschieren und ihre Parolen verbreiten können, macht mich das wütend. Die demokratische Mehrheit muss aktiv werden und klar machen, dass sie das nicht duldet.«, sagt Hardy Krüger als Eingangsstatement.

 

Das waren markige Worte des 87-jährigen und man hätte sich dieses Statement dort gewünscht, wo Menschen tagtäglich mit dem Problem Rechtsextremismus zu tun haben. Ein Auftritt Hardy Krügers an einer Schule, wo Lehrer sich mit rechtsextremistischen Einstellungen auseinandersetzen müssen, wäre eine wünschenswerte Aktion gewesen. Krüger gehört heute zu den wenigen Zeitzeugen, die jungen Menschen anhand ihrer eigenen Biografie berichten können, wohin ideologische Verblendung hinführen kann und warum aus einer historischen Schuld ein Auftrag für die Zukunft zu machen ist.

 

Hardy Krüger ist selber in einem nationalsozialistischen Elternhaus aufgewachsen. Als er sechs Jahre als ist, gehört das Hitlerbild zu einem festen Einrichtungsgegenstand in den deutschen Klassenräumen. »Meine Eltern haben sich verblenden lassen«, sagt Krüger im Rückblick auf seine Kindheit. »Ich bin als Nazi erzogen worden«, so der spätere Weltenbummler. Als er dann 1941 als damals 13-jähriger Junge an die Adolf-Hitler-Schule (AHS) nach Sonthofen delegiert wurde, war es für seine Eltern ein Glückstag. »Meine Eltern fühlten sich als wenn ich eine Olympiamedaille gewonnen hätte«, sagte der Schauspieler am Samstag in Schwerin. Für Krüger selbst war die Ausbildung auf der Ordensburg Sonthofen »keine glückliche Zeit«. Sehr bald wurde er für eine Hauptrolle im Film „Junge Adler“ ausgesucht. In Babelsberg machte er während der Dreharbeiten die Bekanntschaft von Hans Söhnker und Albert Florath, die dem Jungen in einer für alle Beteiligten mehr als gefährlichen Situation die Naziverbrechen vor Augen führten und ihn bei ihren Aktionen im Untergrund als Kurier einsetzten. Darüber hat Hardy Krüger ausführlich in seinen autobiografischen Erzählungen »Wanderjahre« berichtet. Aus dem in der Ideologie des Nationalsozialismus erzogenen Jugendlichen, wird ein Mensch der sich immer mehr von der anerzogenen Ideologie entfernt. Trotzdem wird Krüger im Alter von sechzehn Jahren, im März 1945 − also zwei Monate vor Kriegsende – zur Waffen-SS-Division »Nibelungen« eingezogen und dort in heftige Kämpfe verwickelt. 1945 geriet er in Tirol in US-amerikanische Kriegsgefangenschaft.

 

Im Jahr 1959 wird in Köln eine Synagoge mit Hakenkreuzen beschmiert und ist der Auftakt für eine Welle von weiteren antisemitischen Schmierereien in der alten Bundesrepublik. Hardy Krüger, der inzwischen als Schauspieler auch auf internationaler Bühne bekannt, äußert sich unmissverständlich gegen diese antisemitische Stimmungsmache und fordert seine Landsleute dazu auf, den »Kampf gegen Verbrechen an der Menschlchkeit tatkräftig zu unterstützen«. Deshalb ist es folgerichtig, wenn der Künstler zu einer Spendenkampagne für die Aktion „Mut gegen rechte Gewalt“ der Amadeu Antonio Stiftung aufruft. Die Stiftung verbindet bereits eine längere Zusammenarbeit mit Hardy Krüger, aber auch mit der Landeshauptstadt Schwerin. „So unterstützen wir seit 2013 die Kampagne der Amadeu Antonio Stiftung ›Kein Ort für Neonazis‹, um eine Verankerung der Neonazi-Szene in der Landeshauptstadt dauerhaft zu verhindern“, berichtete der stellvertretende Oberbürgermeister Bernd Nottebaum, der am Samstag in Vertretung der Oberbürgermeister den Weltstar in Schwerin begrüßte. Als großen Erfolg wertet Notebaum, dass es gelungen sei »die NPD im vergangenen Jahr aus der Schweriner Stadtvertretung zu drängen«. Damit habe Schwerin keinen NPD-Stadtvertreter mehr in Schwerin.

 

Verdrängung statt Auseinandersetzung?

 

Der Jubel von Nottebaum ist an dieser Stelle kaum nachzuvollziehen. Nicht das zivilgesellschaftliche Engagement, hat die NPD aus der Stadtvertretung verdrängt, sondern die Tatsache, dass die NPD schlichtweg nicht mehr zur Kommunalwahl in Schwerin angetreten ist. Um Details geht es aber nicht. Alles in dieser Runde wirkt wie Symbolpolitik. Die knallgelben Plakate, Aufkleber und Schilder, die an durchgestrichene Ortsschilde erinnern und an den verschiedensten Stellen der Stadt zu sehen sind, passen deshalb ganz gut. Die Botschaft ist unmissverständlich und lautet: »Kein Ort für Neonazis in Schwerin«. Verdrängung statt Auseinandersetzen?

 

Die am Anfang des Jahres begonnenen Aufmärsche des antiislamischen Bündnisses MVgida, waren ein Beleg dafür, dass Symbolpolitik schnell an ihre Grenzen stößt. Nach der anfänglich klar gezeigten Kante gegen Ausländerfeindlichkeit und Rassismus in Schwerin, ging den MVgida-Gegnern schnell die Luft aus und sie waren am Rande der Demonstrationen tatsächlich nur noch eine Minderheit. Das hätte zum Nachdenken anregen müssen. Hat es aber nicht.

 

Anetta Kahane, Hardy Krüger, Caren Marks und Bernd Nottebaum vor dem Schweriner Rathaus
Anetta Kahane, Hardy Krüger, Caren Marks und Bernd Nottebaum vor dem Schweriner Rathaus

 

Kampf gegen antidemokratische, rassistische und extremistische Tendenzen in unserer Gesellschaft, sind nicht billig zu haben. Leider wird an diesem Tag auch wieder klar, dass es mehr um Gefühl als um konkretes Handeln geht. Früher konnte Kampf für eine anständige, freie und demokratische Gesellschaftsordnung das Leben kosten. Heute kostet es nicht mehr als ein Lippenbekenntnis unter Gleichgesinnten in einem Raum, wo Beführworter extremistischer Parolen nicht zu erwarten sind. Das Bekenntnis »Ich bin gegen Rechts« reicht aus. Mehr muss man gar nicht sagen oder darüber wissen. Satteln wir die Pferde und reiten wir los. Alles klar. Schon gehört man zum Kreis der Aufrichtigen, Anständigen, Tapferen.

 

Europa ist auf Toleranz und Solidarität gebaut

 

Hardy Krüger möchte dass die NPD, die in Mecklenburg-Vorpommern im Landtag sitzt, als »Nachfolgeverbrecher« der NSDAP aus dem Parlament verschwinden. »Wir dürfen keine Ausländerfeindlichkeit zulassen«, sagt der Schauspieler.

 

Anetta Kahane, Vorsitzende des Vorstands der Amadeu Antonio Stiftung, geht dann doch noch etwas intensiver auf die Problemstellung ein. Sie erläutert, dass Rechtsextreme vor allem im ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommerns gut verankert seien und dort oft als harmlos wahrgenommen würden. »Dem Rechtsextremismus ist nicht mit Verboten beizukommen. Die Landtagswahlen 2016 sind die Chance, die NPD mithilfe einer inhaltlichen Auseinandersetzung endlich aus dem Landtag von Mecklenburg-Vorpommern zu drängen.«, so Kahane.

 

Sie bringt es dann ziemlich gut auf den Punkt: »Es braucht ein klares Bekenntnis für eine demokratische Kultur in Mecklenburg-Vorpommern, in der Rassismus keinen Platz hat. Über den alltäglichen Rassismus, den Flüchtlinge erleben müssen, wird zu wenig geredet. Flüchtlinge müssen geschützt und willkommen geheißen werden. Die zivilgesellschaftlichen Initiativen, die sich seit vielen Jahren hierfür einsetzen, brauchen dafür eine verlässliche Finanzierung«. Für Kahane gibt es einen »Extremismus in der Mitte der Gesellschaft«, über den man leider sehr ungern redet.

 

Gerade im Hinblick auf die jüngsten Presseberichte, dass Polizisten in Hannover Asylsuchende geschlagen und gedemütigt haben sollen, hätte man sich an diesem Tag eine stärkere Positionierung gegen institutionalisierten Rassismus in unserer Gesellschaft gewünscht. Statt des ausschließlichen Blicks auf die gesellschaftlichen Ränder, muss man akzeptieren, dass Rassismus ein gesamtgesellschaftliches Phänomen ist. Politiker und Meinungsmacher müssen sich an den Teil der Bevölkerung wenden, der Angst vor Migranten hat und dieser Angst mit dem Prinzip entgegentreten, dass Deutschland und Europa auf Toleranz und Solidarität gebaut sind. Das kam am Samstag leider ein wenig zu kurz.

 

Es fehlt an einer »Kultur der Unterstützung«

 

Das rechtsextremistische, rassistisches und menschenverachtendes Gedankengut in der Gesellschaft zu ächten sind, darüber waren sich am Ende alle Beteiligten im Schweriner Rathaus einig. Ein Aspekt wurde aber überhaupt nicht beleuchtet. Wie kann es gelingen, Menschen aus ihrer extremistischen Gedankenwelt hinauszuführen? Ziel von Projekten gegen Rechtsextremismus sollte es doch eigentlich sein, auch diese Menschen im Blick zu haben und ihnen Perspektiven über den Rechtsextremismus hinaus zu vermitteln. Schon im vergangenen Jahr hatte der Politikwissenschaftler Dierk Borstel, der als Professor für praxisorientierte Politikwissenschaften an der Fachhochschule Dortmund zu den anerkannten Rechtsextremismusexperten zählt, kritisiert das es bundesweit an einer »Kultur der Unterstützung« und vertrauenswürdigen Anlaufstellen für Rechtsextremisten, die die Szene verlassen wollen, fehle. Aussteigern aus der rechten Szene müssen aber Optionen angeboten werden, um wieder Teil der demokratischen Gesellschaft zu werden. Darüber wurde im Rahmen des Pressegesprächs leider viel zu wenig gesprochen. Vielmehr stand an diesem Tag Repression und Kampf im Mittelpunkt.

 

Caren Marks, Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, betonte die Bedeutung des Engagements von Hardy Krüger und anderen Akteuren und erklärte: »Wir müssen konsequent gegen Rechtsextremismus und für ein respektvolles Miteinander einstehen. Uns ist es gelungen, mit dem neuen Bundesprogramm „Demokratie leben! Aktiv gegen Rechtsextremismus, Gewalt und Menschenfeindlichkeit“ dieses Jahr 40,5 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, um ziviles Engagement und demokratisches Miteinander zu stärken. Damit unterstützen wir Projekte auch in Mecklenburg-Vorpommern, die demokratische Strukturen fördern.«

 

Das Projekt »Gemeinsam gegen rechte Gewalt« wurde im Frühjahr 2013 von Hardy Krüger, Dieter Hallervorden, Hark Bohm und Klaus Bednarz ins Leben gerufen.

 

Spendenkonto der Aktion „Mut gegen rechte Gewalt“:
GLS Bank Bochum | IBAN: DE32 4306 0967 6005 0000 01 | BIC: GENODEM1GLS

 

 

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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