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Kurswechsel nach Kritik: Schwesig will Auflösung der umstrittenen „Klimaschutz-Stiftung“

Die Kritik an Ministerpräsidentin Manuela Schwesig war am Wochenende mehr als deutlich geworden. Nun vollzieht auch sie scheinbar eine Kehrtwende und möchte eine Auflösung der wiederholt als "Fake-Stiftung" bezeichneten "Klimaschutzstiftung

  • Veröffentlicht März 1, 2022
Manuela Schwesig (SPD), Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, wehrt sich gegen Kritik | Foto: Staatskanzlei MV

Das vergangene Wochenende dürfte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig noch einige Zeit in Erinnerung bleiben. Die erfolgsverwöhnte Politikerin mit sehr eigenen Entscheidungsmustern aus dem Nordosten hatte mit einem Twitter-Tweet einen zweifellos unerwarteten Shitstorm ausgelöst. Ihr Versuch, sich hinter eine Sympathiebekundung des Landtags für die tapfer gegen das von Kriegsverbrecher Wladimir Putin in Marsch gesetzte Militär Russlands kämpfende Volk der Ukraine zu stellen, stieß landauf, landab auf wenig Gegenliebe. Im Gegenteil. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk bezichtigte sie öffentlich der Heuchelei. Zahlreiche Antworten auf Schwesigs Tweet forderten gar ihren Rücktritt.

 

Schwesig geriet am Wochenende stark in die Kritik

Noch am Wochenende hatte sich Schwesigs Regierungssprecher, Andreas Timm, um Schadensbegrenzung bemüht, indem er auf angeblich klare Worte Schwesigs gegen Putin und dessen Angriffskrieg verwies, und die Vorwürfe des ukrainischen Botschafters damit zurückwies. Eines der Probleme: Entsprechend deutliche Worte der Regierungschefin ließen sich zu diesem Zeitpunkt allerdings nicht finden. Vielmehr hatte sie zuletzt noch versucht, der Kritik auszuweichen, indem sie sich schon lange öffentlich erhobenen Forderungen nach entsprechenden persönlichen Konsequenzen von Ex-Kanzler Gerhard Schröder, ein enger Vertrauter und persönlicher Freund Putins, anschloss. Ohne aber eigene Konsequenzen aus der aktuellen Situation zu ziehen.

Dabei war es maßgeblich Manuela Schwesig, die in den vergangenen Jahren – auch im Angesicht der bereits völkerrechtswidrigen Annexion der Halbinsel Krim durch Russland – ein immer engeres Verhältnis zu dem von Putin regierten Staat suchte und dabei auch vor Forderungen nach Sanktionslockerungen gegenüber Russland nicht Halt machte. Klar entgegen der Außenpolitik der Bundesregierung und ihres Parteikollegen und damaligen Außenministers Heiko Maaß. Vielmehr noch gründete Schwesig – mit sehr kurzfristig eingeholter Rückendeckung des Landtags – eine Fake-Klimastiftung, die vor allem auch das Ziel verfolgte, um jeden Preis die Fertigstellung und Inbetriebnahme von Nord Streem 2 zu realisieren. Speziell auch vor dem Hintergrund seitens des transatlantischen Bündnispartners USA gegen den Bau verhängter Sanktionen, die mittels eines wirtschaftlichen Agierens der Stiftung „umschifft“ werden sollten, sorgte dies für einiges Aufsehen und viel Kritik. Im Angesicht von 20 Millionen Euro Stiftungs-Grundkapital aus der Tasche von Gazprom konnte wohl niemand eine Unabhängigkeit der Stiftungsarbeit auch nur ansatzweise glauben.

 

Allen Realitäten zum Trotz stetige Nähe zu Moskau

Das Nachrichtenportal t-online brachte es Ende Januar dieses Jahres auf den Punkt: „Es ist der 27. April 2018. […] Seit nicht einmal einem Jahr regiert die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommern, hat aber die Russlandpolitik bereits zum Chefthema gemacht. Mit einer Wirtschaftsdelegation ist sie nach St. Petersburg gefahren, den russischen Botschafter hat sie in Schwerin empfangen. Sanktionen will sie abbauen, sich an den Kreml annähern. Trotz Angriffskriegen. Trotz Auftragsmorden. Und trotz Krim-Annexion, Spionage und Wahlbeeinflussung im Westen. Der neue Kurs des damaligen Außenministers Heiko Maas, der auf eher untypische SPD-Weise den Ton gegenüber dem Kreml verschärfte, stößt bei Schwesig auf Ablehnung. Während die Parteispitze vorsichtig auf Distanz zu Machthaber Wladimir Putin und seinem Großmachtstreben zu gehen versucht, ist zu diesem Zeitpunkt wohl kaum eine führende deutsche Sozialdemokratin näher an Moskau“.

An dieser Linie änderte die Regierungschefin bis zuletzt nichts. Auch nicht im Angesicht des gigantischen Aufmarschs russischer Streitkräfte an der Grenze zur Ukraine. Noch nicht einmal, als Wladimir Putin erneut öffentlich die Souveränität der Ukraine in Frage stellte und mit einem Militärschlag gegen die junge Demokratie auf europäischem Boden drohte.

 

Klare Kritik kam vom ukrainischen Botschafter an Ministerpräsidentin Schwesig. | Screenshot

 

Schwesig reagiert „tief enttäuscht und entsetzt“ im Licht der Kritik

Nun, zwei Tage nach der eindeutigen Reaktion des ukrainischen Botschafters, der nicht als erster den öffentlichen Blick auf das – bis zuletzt russlandfreundliche – „System Schwesig“ lenkte, und nach einer unüberlesbaren öffentlichen Kritik an ihrer Person, scheint die Ministerpräsidentin eine Kurskorrektur, ähnlich wie sie schon Kanzler Olaf Scholz vormachte, vollziehen zu wollen. Anders als der Kanzler, der dabei auch selbstkritisch zurückblickte und klare, nachhaltige Konsequenzen für das zukünftige, von ihm geleitete Regierungshandeln verkündete, ist von Selbstkritik bei der Ministerpräsidentin allerdings „wenig“ zu spüren. Zumindest aber kündigt sie gewisse Konsequenzen an und findet nun doch deutlichere Worte. „Der russische Einmarsch in die Ukraine ist ein brutaler Angriff auf ein Nachbarland, eine klare Verletzung des Völkerrechts und durch nichts zu rechtfertigen. Der russische Präsident Wladimir Putin trägt die alleinige Verantwortung dafür“, so Schwesig, die „tief enttäuscht und entsetzt“ sei, in einer über Facebook am gestrigen Montagmorgen verbreiteten Erklärung.

 

„Klimaschutz-Stiftung“ auflösen und Geld für humanitäre Zwecke

Schwesig kündigt zudem in ihrer Erklärung erste Konsequenzen an. So sei die Partnerschaft mit „unserer russischen Partnerregion rund um die Stadt St. Petersburg“ ruhend gestellt. Ferner werde es „auf absehbare Zeit“ keine Russlandtage mehr in Mecklenburg-Vorpommern geben. „Die Arbeit des ehrenamtlichen Beauftragten des Landes Mecklenburg-Vorpommern wird ausgesetzt. Der Verein Deutsch-Russische Partnerschaft“, gegründet und maßgeblich geleitet von ihrem Amtsvorgänger Erwin Sellering, „wird gebeten, sich dem anzuschließen und seine Arbeit ebenfalls ruhen zu lassen“. Und dann ist da noch diese Sache mit der Klimaschutz-Stiftung. Auch diese solle, so der Wunsch der Ministerpräsidentin, ihre Arbeit ruhen lassen.

„Ich habe den Vorstand der Stiftung gebeten, die Arbeit der Stiftung ruhen zu lassen und im Rahmen der engen rechtlichen Möglichkeiten eine Auflösung der Stiftung auf den Weg zu bringen.“ Zudem wolle sie eine Prüfung, inwiefern sich die Stiftungsgelder – darunter die 20 Millionen Euro des russischen Staatskonzerns Gazprom – für humanitäre Zwecke einsetzen ließen“. Aus der CDU-Landtagsfraktion in Schwerin, die Schwesigs Kurswechsel durchaus interessiert zur Kenntnis nahm, war bereits zuvor die Forderung gekommen, das Geld in der Ukraine entsprechend einzusetzen.

 

Schwesig: „Habe Vorgehen Putins gegen die Ukraine nie unterstützt“

Zuletzt ging Schwesig in ihrer Erklärung auch noch einmal auf die an ihrer Person und ihrer Regierung geäußerte Kritik ein. „In den letzten Tagen ist immer wieder versucht worden, die Landesregierung in Mecklenburg-Vorpommern als ‚Putin-Freunde‘ oder ‚Putin-Versteher‘ zu diskreditieren. Ich will sehr deutlich sagen: Das ist Unsinn. Ich habe niemals ein Gespräch mit Präsident Putin geführt oder sein Vorgehen gegen die Ukraine unterstützt“. Beides mag stimmen. Aber man muss auch nicht mit Putin gesprochen haben, um als „Putin-Freund“ oder -„Putin-Versteher“ wahrgenommen zu werden. Und das Vorgehen des Kriegsverbrechers gegen die Ukraine nicht zu unterstützen heißt eben auch nicht automatisch, sich klar dagegen ausgesprochen und entsprechend klare Konsequenzen gezogen zu haben.

 

Sellering: Geld für andere Zwecke wäre Untreue

Während Schwesig sich selbst also jede Art der Selbstkritik erspart, schaltet sie in Sachen „Klimaschutz-Stiftung“ offenbar einen Gang zurück. Allerdings kamen exakt zu ihren gestern erhobenen Forderungen bereits am Wochenende vom Stiftungschef und langjährigen Schwesig-Förderer Erwin Sellering klar ablehnende Worte, die er am gestrigen Montag im wesentlichen unterstrich. Die Mittel seien für Umweltprojekte in Mecklenburg-Vorpommern gedacht. Es fehlte nur ein Schrödersches „Basta!“ am Ende dieses Satzes. Gegenüber dem NDR hatte Sellering bereits am Wochenende erklärt, wer die Stiftung auffordere, das Geld für andere Zwecke auszugeben, fordere zur Untreue auf. Auch eine Auflösung sei nur möglich, wenn sie den Stiftungszweck nicht mehr erfüllen könne.

Es dürfte also spannend werden, wie Schwesig und Sellering einen Ausweg aus dieser Situation finden. Möglicherweise darin, den wirtschaftlichen Zweig der Stiftung abzuwickeln, der zur Umgehung der US-Sanktionen und Fertigstellung von Nord Streem 2 entstand. Wenn dies so einfach möglich ist.

 

Chef der Staatskanzlei ohne jede Vorstellung, wozu Putin fähig wäre

Neben Sellering hatte übrigens zuletzt auch Schwesigs umstrittener Chef der Staatskanzlei, Patrick Dahlemann, erklärt, die Frage nach einer anderen Ausgabe der Stiftungs-Gelder „stelle sich nicht“. Ob er dies noch immer so sieht, bleibt offen. Dafür allerdings stellte der knapp 34-jährige gestern Abend im NDR-Nordmagazin unter Beweis, dass es zumindest nicht besonderer Kenntnisse in jüngster europäischer Geschichte bedarf, um sich für den Posten als Chef der Staatskanzlei zu qualifizieren: „Ich hätte mir niemals vorstellen können, das will ich ganz persönlich dazu sagen, was Putin bereit ist zu tun“, so Dahlemann. „Was er bereit ist, den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine anzutun. Und deswegen ist das eine Zäsur. Das ist eine völlige Zeitenänderung. Und deswegen sind wir so entschlossen in unserem jetzigen Handeln.“

 

Patrick Dahlemann, Chef der Staatskanzlei MV. | Foto: Staatskanzlei MV

 

Wo war Dahlemann in den letzten Jahren?

Fehlt dem Mann, dessen wichtigste Aufgabe es laut der Website der Staatskanzlei von Mecklenburg-Vorpommern ist, die Arbeit der verschiedenen Ministerien zu koordinieren, der für die Vorbereitung der wöchentlichen Kabinettssitzungen verantwortlich zeichnet, der die wöchentlichen Besprechungen der Staatssekretärinnen und Staatssekretäre leitet und der das Land bei den Besprechungen der Chefs der Staats- und Senatskanzleien der Länder sowie bei Gesprächen mit dem Chef des Bundeskanzleramtes vertritt, tatsächlich das Erinnerungsvermögen an die vergangenen Wochen, Monate und Jahre? Einem Mann also, der eine derart große Verantwortung für unser Land tragen müsste?

An die völkerrechtswidrige Annexion der Krim, als Putin den Bürgerinnen und Bürgern der Ukraine ein Stück ihres Landes entriss? An jede denkbare Art von Unterstützung prorussischer Separatisten in ihrem Bestreben, sich brutal Teile aus dem östlichen Staatsgebiet der Ukraine zu reißen, und Ukrainerinnen und Ukrainer zu vertreiben und zu ermorden? Daran, dass Putin schon deutlich vor der aktuellen Zuspitzung der Situation und seinem kriegsverbrecherischen Treiben der Ukraine die Souveränität gänzlich absprach? Die Liste ließe sich noch beliebig verlängern. Und wenn Dahlemann dies doch weiß, dann konnte er gestern ohne zu Zucken in eine Kamera sagen, er hätte sich nicht vorstellen können, was Putin bereit ist, den Ukrainerinnen und Ukrainern anzutun?

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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