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Schweigen war keine Zustimmung! – Forderung nach automatischer Gebühren-Rückerstattung bleibt

In diesen Tagen holte Stadtvertreter Stephan Martini (ASK) ein Thema, um das es schon still geworden war, wieder auf die Tagesordnung. Denn auch weiterhin lehnt die Sparkasse Mecklenburg-Schwerin die automatische

  • Veröffentlicht März 29, 2022
Da Schweigen keine Zustimmung darstellt, hat ein Teil der Kundschaft deutscher Kreditinstitute Anspruch auf Rückzahlung von Anteilen der gezahlten Gebühren. | Foto: privat

Ende April vergangenen Jahres kam aus Karlsruhe eine Nachricht, die wohl die gesamte Landschaft deutscher Kreditinstitute ins Schwitzen brachte. Unter dem Aktenzeichen „XI ZR 26/20“ hatten die Richterinnen und Richter des Bundesgerichtshofs entschieden, dass eine bis dahin gängige Praxis von Banken und Sparkassen, rechtswidrig sei. Nämlich, die Erhöhung von Gebühren oder auch anderweitige Umsetzung „ungüns­tiger Veränderungen der Bedingungen“, nur weil die Kunden dieser nicht widersprachen. Kurzum: Veränderungen zu Ungunsten der Kunden, denen diese nicht ausdrücklich zugestimmt hatten.

 

Urteil war ein Paukenschlag

Bis zu diesem Zeitpunkt sah die Praxis so aus, dass die Kreditinstitute ihre Kundschaft anschrieben, wenn sie neue Gebühren einführen, bestehende anheben oder andere für das Unternehmen eher positive Ideen umsetzen wollten. Verbunden mit dem Schreiben war dann der Hinweis, dass wer nicht binnen zwei Monaten widerspricht, automatisch zustimmt. Dieser Praxis schob der Bundesgerichtshof nun im vergangenen Jahr einen Riegel vor und stellte damit klar: Schweigen war und ist keine Zustimmung!

 

Schweigen war keine Zustimmung!

„Erhöhungen der Konto­führungs­gebühren und anderer Preise sind nur da wirk­sam, wo Kunden einverstanden waren. Das gab es jedoch allenfalls ausnahms­weise mal, wenn zum Beispiel Kunden den Konto­typ gewechselt haben oder wenn sie ihr Konto als Schüler, Auszubildende oder Studierende kostenlos eröffnet haben und schon bei Konto­eröff­nung fest­stand, dass nach Ende der Ausbildung oder ab einem bestimmten Alter bestimmte Preise zu zahlen waren“, so Stiftung Warentest.

Mit einem Schlag waren so ziemlich alle Gebührenerhöhungen hinfällig. Bis zu zehn Jahre – das nämlich ist, wie sich durch Rechtsprechungen des Europäischen Gerichtshofs herausstellte, die Frist der Verjährung – ließen und lassen sich nun sämtliche Veränderungen zu Lasten der Kundschaft zurückfordern. Verschiedene Kreditinstitute reagierten schnell, und entschieden sich, die aus dem Urteil resultierend zu viel eingenommenen Gebühren freiwillig und automatisch zurückzuzahlen. Und man sollte meinen, gerade die Unternehmen, die stets mit der regionalen Nähe und einem besonderen Vertrauensverhältnis zu ihrer Kundschaft werben, wie die Sparkassen beispielsweise, würden in diese Gruppe gehören.

 

Palais des Erbgroßherzogs Friedrich II. von Baden, heute Sitz des Bundesgerichtshofs, Vorderseite zur zentralen Parkanlage, Karlsruhe | Foto: ComQuat  (Eigenes Werk) / CC BY-SA 3.0

Sparkasse verweigert weiter automatische Rückzahlung

Dem war und ist bis heute aber zumindest im Fall der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin nicht so. Darauf wies kürzlich der ASK-Stadtvertreter Stephan Martini in diesen Tagen hin. Das Institut habe noch immer nicht die in der Vergangenheit zu Unrecht eingenommenen Gebühren automatisch an alle Kunden zurückerstattet. Weiterhin sei ein Antrag der Kunden erforderlich. „Kundenfreundlichkeit sieht anders aus“, so Martini. Will also heißen, zahlreiche sonst als so „kalt“ und „fernab der Menschen“ bezeichneten Großbanken handelten in dieser Angelegenheit bereits im Kundeninteresse, während das öffentlich-rechtliche Institut, in dessem Verwaltungsrat unter anderem auch der Schweriner Oberbürgermeister einen Stellvertreterposten inne hat, der Kundschaft eine automatische Gebührenrückerstattung verwehrt.

 

Sind Rückforderungen wirklich nicht richtig?

Auf Nachfrage bei der Sparkasse erfuhr ein Redakteur unserer Redaktion vielmehr, es habe sich aus Sicht des Instituts lediglich um ein übliches Verfahren gehandelt, das auch in zahlreihen anderen Branchen Anwendung gefunden habe und dazu dienen sollte, beiden Seiten – Kreditinstitut wie Kunden – Aufwand zu ersparen. Darüber hinaus sei man in der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin der Ansicht, die erbrachten Leistungen seien schließlich auch den Gegenwert wert gewesen, und alles sei transparent erfolgt. Die Kundschaft hätte stets klar erkennen können, was sie für welche Leistung bekommt und zahlt. Daher empfände die Sparkasse nun seitens ihrer Kunden geltend gemachte Rückforderungsansprüche als nicht richtig, wie unser Redakteur erfuhr.

 

Zahlreiche Zustimmungen zu Erhöhungen, obwohl dies nicht nötig war?

Dennoch prüfe man natürlich entsprechende Anträge, da man selbstverständlich das Urteil des Bundesgerichtshofes umsetze und vor allem eine gute Kundenbeziehung oberste Priorität habe. Gleichzeitig allerdings heißt es aus der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin, dass nicht allen Kunden tatsächlich auch Erstattungen zustünden. So hätten beispielsweise zahlreiche Kunden den jeweiligen Entgelten ausdrücklich zugestimmt. Das stimmt zweifelsfrei beispielsweise bei Kontoneueröffnungen. Aber man darf doch zumindest ins Zweifeln geraten, wenn es die Erhöhungen betrifft, bei denen man doch schon zustimmte, wenn man nicht widersprach, also schwieg. Weshalb hätte vor diesem Hintergrund jemand ausdrücklich die Zustimmung erklären sollen, wenn dies ohne jede Handlung nach damaliger Rechtsauffassung der Fall war?

 

Die Sparkasse am Marienplatz in Schwerin. | Foto: privat

Sparkasse versucht Thema auf andere Schiene zu lenken

Eine bislang geringe Quote an Rückforderungen sieht die Sparkasse Mecklenburg-Schwerin dabei offenbar nicht als Ergebnis eines umständlichen Antragsverfahrens, das speziell für einen nicht unwesentlichen Teil der älteren Kundschaft eine doch spürbare Hürde darstellt. Vielmehr sei die offenbar nicht all zu große Zahl ein Beleg dafür, dass es auch die Kundschaft als nicht fair empfinden würde, Geld für Leistungen, die sie erhalten habe, zurückzuverlangen. Immer wieder also versucht das Institut, das Gefühl zu vermitteln, die Menschen hätten Leistung bekommen, für die sie entsprechend zahlten. Die Sparkasse spielt dabei sogar mit dem Fairness-Gedanken. Dabei negiert man dort aber, dass es sich eben gar nicht um diese Frage, sondern um das nicht rechtmäßige Zustandekommen der Höhe des Leistungsentgelts durch das Prinzip „Zustimmung durch Schweigen“ dreht. Dass man sich – sicherlich nicht einmal wissentlich oder gar mit boshafter Absicht – rechtswidrig verhalten hat.

Stiftung Warentest hat auf dem eigenen Webportal eine klare Antwort, hinsichtlich der Fairness-Frage: „Der Bundes­gerichts­hof sagt nun: Das [Anm. d. Red.: Die bisherige Praxis der Institute] ist rechts­widrig und benach­teiligt Kunden unfair“.

 

Formloser Antrag auf Erstattung reicht aus

Damit bleibt es für den Augenblick dabei, dass die Sparkasse Mecklenburg-Schwerin aufgrund entsprechend interner Sichtweisen eben nicht, wie von Stephan Martini gefordert und zahlreichen anderen Kreditinstituten umgesetzt, automatisch die zu Unrecht eingenommenen Gebühren an die Kontoinhaberinnen und -inhaber auszahlt. Auf Nachfrage, was man tun muss, um die Erstattung zu erhalten, hieß es, ein formloser Antrag  unter Angabe der Kontonummer sei ausreichend. Auch stünden die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Filialen ebenso wie am Telefon im Kundencenter (0385- 551-2222) zur Verfügung, um Anträge zur Erstattung der Entgelte zu beantragen. Selbst per Mail an info@spk-m-sn.de sei dies denkbar.

 

Martini fordert Badenschier und Lorenzen zum Handeln auf

„Hier sehe ich Oberbürgermeister Dr. Badenschier als stellvertretenden Vorsitzenden des Verwaltungsrates der Sparkasse gefordert, sich aktiv für die Interessen der Schweriner Kunden der Sparkasse einzusetzen. Durch das Zerreden der Problematik und die Beschönigung und Rechtfertigung des Vorgehens seitens der Sparkasse kommen deren Kunden bislang nicht zu den ihnen zustehenden Geldern.“ An den Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Mecklenburg-Schwerin appelliert Martini: „Herr Lorenzen, geben Sie sich gemeinsam mit ihren Vorstandsmitgliedern einen Ruck, und erstatten Sie Ihren Kudnen die in der Vergangenheit zu Unrecht eingezogenen Gebühren ihren Kunden automatisch und vollständig zurück.“

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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