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Schwerin: Auch Kosmetikbranche im Lockdown

Ebenso wie die Gastronomie und die Beherbergungsbranche sind auch die Kosmetikunternehmen in Deutschland vom derzeitigen „Lockdown light“ betroffen. Dabei ähneln sich die Stimmen aus den sonst doch sehr unterschiedlichen Branchen

  • Veröffentlicht November 25, 2020
Während des Lockdowns bleiben auch die Kosmetikstudios in Schwerin leer. | Motiv: Kosmetik-Salon „Wunderwerk“; Foto: schwerin-lokal

Ebenso wie die Gastronomie und die Beherbergungsbranche sind auch die Kosmetikunternehmen in Deutschland vom derzeitigen „Lockdown light“ betroffen. Dabei ähneln sich die Stimmen aus den sonst doch sehr unterschiedlichen Branchen ziemlich. Denn alle drei hatten nach dem ersten Lockdown viel Geld in Hygienekonzepte und vor allem Schutzmaßnahmen für Kunden und Personal investiert. Auch galten sie eigentlich nicht wirklich als Hotspots des Infektionsgeschehens. Und doch sind sie derzeit auch in Schwerin geschlossen. Und alle Vorzeichen der vergangenen Tage deuten darauf hin, dass sich auch nach dem heutigen Bund-Länder-Gespräch daran in den kommenden Wochen nichts ändern dürfte.

Ebenso wie wir in der vergangenen Woche im Hotel „Niederländischer Hof“, im Traditionslokal „Das Martins“, in „Steinis“ „The Scotsman Pub“ und in der Cocktailbar „Kabana“ vorbeischauten, um mit den Betreiberinnen und Betreibern über die momentane Zeit zu sprechen, besuchten wir auch Unternehmerinnen aus dem Kosmetikbereich. Dabei zeigten sich, ähnlich wie bei den Besuchen in der vergangenen Woche, ein grundsätzliches Verständnis für die Notwendigkeit von Maßnahmen, aber durchaus auch das eine oder andere Fragezeichen. Und erneut wurde deutlich, dass es – wenn man es so nennen möchte – auch positive Folgen der Situation gibt.

 

„Wunderwerk“: Viel Engagement auch im Lockdown

Lisa Zimmermann vom „Wunderwerk“ ist derzeit telefonisch und online für ihre Kundinnen und Kunden da. | Foto: schwerin-lokal

Entspannende Massagen, Wimpernverlängerung & -verdichtung, Nagelpflege & -design, Waxing/Sugaring zur Haarentfernung, all dies findet man im Angebot von Julia Wiechmann. Und genau darauf müssen ihre Kundinnen aufgrund des Lockdowns  momentan leider verzichten. Die junge
Unternehmerin darf nichts aus ihrem “Wellness”-Repertoir anbieten.
An der Tür des Salons „Wunderwerk“ in der Arsenalstraße 34, in dem auch Julia für ihre Kundinnen da ist, hängt daher ein Schild: Der Salon ist geschlossen. Aber Lisa Zimmermann, die zweite der beiden Betreiberinnen, ist dennoch telefonisch erreichbar. Und per Mail natürlich auch. So stellt Lisa sicher, dass ihre Kosmetik-Kundinnen und -Kunden auch in diesen Wochen jederzeit zumindest die benötigten Produkte bekommen können. Denn viele sind auf eine regelmäßige Anwendung angewiesen.

 

Wellness-Kosmetik und medical beauty in der Arsenalstraße

Die Leistungen, die Lisa ihren Kundinnen und Kunden bietet, gehen nämlich deutlich über reine „Wellness-Kosmetik“ hinaus. Als zertifiziertes Fachinstitut für REVIDERM Skinpeeling, Micro-Needling & Ultraschallanwendungen liegt der Focus auf „medical beauty“. Auf Anwendungen der medizinischen Kosmetik also. So kommen unter anderem Kundinnen und Kunden mit starken Akne-Problemen oder Couperose zum „Wunderwerk“, die von ihren Hautärzten Hormonmedikamente oder auch der Haut nicht nur gut tuende Salben verschrieben bekommen haben. Die wirkliche Ursache aber wird dabei nicht angegangen. Lisa nimmt sich im Salon, in dem Wohlfühlatmosphäre und Hygiene perfekt harmonieren, ausreichend Zeit, analysiert die Gesamtsituation, erstellt Pflegepläne und bietet eine therapiebegleitende Behandlung.

„Und genau hier liegt schon ein großes Problem dieser Lockdown-Zeit“, sagt die engagierte Unternehmerin. „Die wichtigen regelmäßigen Termine können nicht stattfinden. Und je länger wir geschlossen bleiben müssen, um so schwieriger ist das für unsere Kunden“. Auch Lisa ist, wie wohl große Teile der Branche, aufgrund der vielen Maßnahmen, die die Unternehmen nach dem ersten Lockdown realisierten, insgesamt nicht überzeugt davon, dass man die Kosmetikstudios so pauschal geschlossen hat. „Wenn es schon unbedingt sein muss, hätte ich mir etwas mehr Differenzierung gewünscht“. Dass diese grundsätzlich denkbar ist, hat die Landesregierung durchaus bewiesen. So wies die Handwerkskammer Schwerin beispielsweise in einer öffentlichen Mitteilung darauf hin, dass die Landesverordnung sowohl medizinische als auch kosmetische Fußpflege-Behandlungen weiterhin zulässt.

 

Bei Schließung zu wenig differenziert: Gerade medizinische Kosmetik braucht Kontinuität

Moderne Behandlungen in angenehmer Atmosphäre sind in den Behandlungsräumen vom „Wunderwerk“ möglich. | Foto: schwerin-lokal

Ähnlich hätte sich Lisa das auch für den Bereich „medical beauty“ gewünscht. Nicht etwa, weil es ein wichtiges Standbein vom „Wunderwerk“ ist. Nicht zuletzt auch die angekündigten Hilfen, die auch für die Kosmetikbranche 75 Prozent des Novemberumsatzes aus 2019 betragen sollen, lassen die wirtschaftlichen Fragen zumindest etwas zurückstehen. Sie hat viel mehr ihre Kundschaft im Blick. „Für viele, die unsere therapiebegleitenden Behandlungen in Anspruch nehmen, hängen Haut und Psyche noch viel mehr zusammen als dies ohnehin schon der Fall ist“, weiß Lisa aus ihrer Berufspraxis.

Sie meint damit nicht weniger, als dass ein gutes Körpergefühl schon ohne medizinische Gründe für viele Menschen ganz wichtig ist. Sich in der eigenen Haut wohl zu fühlen, stärkt letztlich auch die eigene Psyche. Gerade aber, wenn medizinische Gründe diese Situation noch verstärken, leidet die Psyche schnell darunter, wenn die erforderliche Behandlung unterbrochen wird. Gerade diese Kundengruppe sieht die sympathische Unternehmerin wirklich stark vom Lockdown betroffen. „Und das schon zu Unrecht. Denn wir können die erforderlichen Abstands- und Hygieneregeln einhalten und haben alles haargenau zu Papier gebracht.“ Lisa zeigt uns ein mehrseitiges Hygienekonzept, das nicht nur auf dem Papier vorliegt, sondern in allen „Wunderwerk“-Bereichen schon ind en Wochen und Monaten vor dem Lockdown komplett Anwendung fand.

 

Mehr Zeit für die Familie und viel mehr Online-Aktivitäten für das Unternehmen

Die Realität aber sieht aktuell anders aus. Daher steht sie ihren Kundinnen und Kunden derzeit vor allem am Telefon und per Mail zur Verfügung. Wer ein Produkt benötigt, kann sich bei ihr melden. Dann kommt Lisa natürlich zum Salon oder verschickt das Produkt. Manchmal allerdings steigt sie auch fix auf ihr Fahrrad, und übernimmt den Lieferservice selbst. Ansonsten ist sie momentan viel zu Hause. Am PC, denn nun setzt sie verstärkt auf Online-Marketing mit Social Media. Und Lisa bietet über die „Wunderwerk“-Website nun auch Online-Gutscheine an. Auch ein Online-Shop ist bereits im Entstehen.

So gern Lisa auch wieder arbeiten möchte, da ihr schon auch mal „die  Decke auf den Kopf fällt“, so sieht sie auch das Positive an der Situation. „Man entschleunigt noch einmal etwas. Und aus Sicht einer Mutter mit einem kleinen Kind hat man während dieses ‚Zwangsurlaubs‘ natürlich auch die Chance, viel mehr Zeit miteinander zu verbringen“. Dass es am nächsten Montag wieder losgeht, daran glauben Julia und Lisa übrigens auch nicht wirklich. „Der Lockdown wird wohl doch noch mindestens bis zum Ende des Jahres andauern“. Das klingt realistisch – aber tief im Innern hoffen beide sicherlich, ihre Kundinnen und Kunden vielleicht doch schon früher wieder behandeln zu dürfen.

 

 

„Schöne Nägel Schwerin“: Schließung schwer nachvollziehbar

Kateryna Golowina ist in ihrem Nagelstudio „Schöne Nägel Schwerin“ ohne Lockdown jederzeit gern für ihre Kundinnen da. | Foto: schwerin-lokal

Nur etwa 300 Meter entfernt vom „Wunderwerk“ betreibt Kateryna Golowina in der Wismarschen Straße 148 ihr Nagelstudio „Schöne Nägel Schwerin“. Die gebürtige Ukrainerin lebt inzwischen seit neun Jahren in Schwerin. Kommt man durch die Tür ihres Unternehmens steht man sofort in einem ebenso modernen wie erkennbar den aktuellen Anforderungen angepassten Nagelstudio. Mit extrem viel Enthusiasmus, Engagement und einiger Unterstützung hat Kateryna, die Mutter von zwei Kindern ist, das Ladenlokal 2018 vor der Eröffnung erst einmal komplett renoviert. Stuck an der Decke, gläserne Lampen, ein durchweg durchdachtes Ambiente. „Und seither habe ich immer wieder dies und das gemacht, um es meinen Kundinnen so angenehm wie möglich zu machen“. Zuletzt nutzte die lebenslustige junge Frau die ungewollte Lockdown-Pause, um im Eingangsbereich einen neuen Fußbodenbelag auszulegen. Viel lieber aber würde sie natürlich für ihre Kundinnen da sein.

 

Nochmals viel in Hygiene und Schutzmaßnahmen investiert

Eigentlich hatte Kateryna auch nicht wirklich damit gerechnet, wieder schließen zu müssen. „Ich habe hier, genau wie meine vielen Kolleginnen in anderen Studios, wirklich alles getan, was gefordert war“, so die Nageldesignerin, der man die Enttäuschung über die aktuelle Situation ansieht. Und blickt man sich in ihrem Studio um, bestätigt sich dies auch. Auf großzügigen 40 qm sind Empfangstresen, Waschbecken und Arbeitsplatz weit auseinander. Kateryna ist allein in dem Studio – mit Kundin wären sie zwei. „Wir haben die ganze Zeit Maske getragen – meine Kundinnen und ich. Ich habe Handschuhe an, wir haben ausreichend Platz um uns nicht zu nah zu sein.“

Und am Arbeitsplatz trennt eine Plexiglasscheibe Kundin und Nageldesignerin. Nur für die Hände ist eine Aussparung im Glas. Seife und Desinfektionsmittel sowie Einmaltücher stehen am Waschbecken bereit. Wie auch bei Julia und Lisa von „Wunderwerk“ fehlt es wirklich an nichts zum Schutz von Kunden und Beschäftigten. Und dennoch muss die Studio-Tür geschlossen bleiben. „Der erste Lockdown war schon wirklich schlimm. Aber ich habe ihn durchgestanden“, erinnert sich Kateryna. Damals haben ihr die Umsatzausfälle wirklich Probleme bereitet. Und anders als bei manch anderen kam es sogar noch zu einem unerwarteten Zwischen-Tief. Denn „nachdem wir wieder öffnen durften, kamen alle auf einmal. Das war viel Arbeit, aber es hat mir viel Spaß gemacht. Nach diesem Hoch wurde es allerdings zwischendurch sehr ruhig“. Alle Nägel waren gemacht. Erst nach und nach pegelten sich die Termine wieder auf Normalniveau ein.

 

Eigentlich bestand die Hoffnung, nicht schließen zu müssen

Plexiglas trennt den Arbeitsplatz von Kateryna vom Platz ihrer Kundinnen. Letzterer bleibt derzeit aber leer. | Foto: schwerin-lokal

Als die Infektionszahlen wieder stiegen, hoffte Kateryna, dieses Mal von einer Schließung verschont zu bleiben. Eben auch, weil sie und ihre zahlreichen Kolleginnen viel in die Hygiene und den Schutz investiert hatten. Und so sehr sie auch Verständnis hat, dass etwas gegen die steigenden Infektionen getan werden muss, wirklich versteht sie die Zwangs-Schließung der Nagelstudios nicht. „Beim Friseur sitzen mehrere Kunden gleichzeitig in einem Raum. Die Angestellten arbeiten direkt an den Menschen. Natürlich haben auch sie viel in Schutzmaßnahmen investiert. Aber sie dürfen geöffnet bleiben, und wir nicht. Obwohl wir viel weniger Körperkontakt zu den Kundinnen haben. Und bei den meisten sind auch nicht so viele Menschen zeitgleich im Raum. Das verstehe ich nicht“.

Kateryna glaubt, es hat eventuell auch etwas mit den Hilfsgeldern zu tun. Sie schätzt, dass der Staat deutlich mehr zahlen müsste, wenn Friseure geschlossen wären. „Das ist natürlich nur eine Theorie. Aber andere Gründe fallen mir nicht ein“. Aber bei allem Unverständnis sieht auch Kateryna dennoch das Positive der Situation. Denn auch sie hat mehr Zeit, die sie mit ihren Kindern verbringen kann. „Es ist total schön, die beiden mehr um mich zu haben, und mehr für sie da sein zu können“. Kateryna strahlt sichtlich, während sie das sagt. Und dennoch möchte sie nichts mehr, als schon bald wieder für ihre Kundinnen da sein.

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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