Close

Schwerin: Ein rundum gelungener Sommerabend mit dem Schriftsteller Gregor Sander

Wer in der ver­gan­genen Woche im Schleswig-Hol­stein-Haus bei der Lesung des gebür­ti­gen Schw­er­iner Autors Gre­gor Sander dabei war, dem wird der heutige Buchtipp bekan­nt vorkom­men. Alles richtig gemacht hat­ten in

  • Veröffentlicht Juni 22, 2021
Susann Schulz von der Hein­rich-Böll-Stiftung MV und Autor Gre­gor Sander | Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Wer in der ver­gan­genen Woche im Schleswig-Hol­stein-Haus bei der Lesung des gebür­ti­gen Schw­er­iner Autors Gre­gor Sander dabei war, dem wird der heutige Buchtipp bekan­nt vorkom­men. Alles richtig gemacht hat­ten in der ver­gan­gen Woche die Organ­isatoren der Freiluftver­anstal­tung im Garten des Kul­tur­fo­rums in der Puschkin­straße. Der in Berlin lebende Sander las vor sehr aufmerk­sam-inter­essiertem Pub­likum aus seinem 2019 erschienen Buch „Alles richtig gemacht“. Deut­lich über 60 Zuhörerin­nen und Zuhör­er waren bei bestem Som­mer­wet­ter der gemein­samen Ein­ladung der Stiftung Meck­len­burg, dem Kul­tur­fo­rum Schleswig-Hol­stein-Haus und der Hein­rich-Böll-Stiftung MV in Schw­erin gefol­gt.

 

Gregor Sander in seiner Heimatstadt Schwerin

„Ich bin sehr stolz hier in mein­er Heimat­stadt als erster nach den Coro­n­abeschränkun­gen lesen zu dür­fen“, eröffnete der Roman- und Drehbuchau­tor den kurzweili­gen Leseabend. Unter den Zuhörerin­nen und Zuhör­ern waren auch die in Schw­erin leben­den Eltern des Autors. Das gemein­same Erleb­nis eines anre­gen­den Som­mer­abends, den der Autor gekon­nt sowohl mit Nach­den­klichkeit wie Heit­erkeit füllte, sorgte für reich­lich Applaus der Fans von Gre­gor Sander. In bester Erzäh­llaune, unter­stützt durch eine ken­nt­nis­re­iche Mod­er­a­tion von Susann Schulz (Hein­rich-Böll-Stiftung MV), markierte der Schrift­steller Eck­punk­te auch sein­er eige­nen Geschichte in Schw­erin und Ros­tock.

Endlich wieder mit kul­tur­in­ter­essierten Men­schen zusam­men­tr­e­f­fen zu kön­nen, das war das deut­lich spür­bare Gefühl am gelun­gen Leseabend mit Gre­gor Sander. | Foto: schw­erin-lokal / Peter Scher­rer

Am Ende ver­ab­schiedete sich Gre­gor Sander, der selb­st über Jahre aktiv in der deutschen Autoren-Nationalelf kick­te, mit einem Tipp für das EM Spiel Frankre­ich – Deutsch­land. Er tippte auf einen knap­pen 2:1 Sieg der deutschen Ball­treter. Das wäre sicher­lich der Mehrheit des Pub­likums recht gewe­sen. Aber da haben dann die deutschen Kick­er eben nicht alles richtig gemacht!

 

YouTube

Mit dem Laden des Videos akzep­tieren Sie die Daten­schutzerk­lärung von YouTube.
Mehr erfahren

Video laden

Wer mehr über Gre­gor Sanders Buch und seine Pläne wis­sen will, klickt hier zum schw­erin-lokal Inter­view mit unserem Redak­teur Peter Scher­rer

 

„Alles richtig gemacht” – Unser schwerin-lokal-Buchtipp von Manja Wittmann

„Alles richtig gemacht“ ist eine stolze Aus­sage, wenn man auf ein knapp 50-jähriges Leben zurückschaut. Aber es kön­nte auch ein beruhi­gen­des Mantra sein, das sich der Ich-Erzäh­ler im Stillen immer wieder auf­sagt, während ihm sein bish­eriges Leben zu ent­gleit­en dro­ht. Dr. Thomas Piepen­burg, Anwalt in Berlin mit eigen­er Kan­zlei, ver­ste­ht nicht so ganz, warum seine Frau Stephanie mit­samt den Tee­nie-Zwill­ingstöchtern aus­ge­zo­gen ist. Seit ein­er Woche hört und sieht er nichts von ihnen und kann sie nicht erre­ichen. Sehr unan­genehm ist zudem ein Man­dant, für den er einen Wohn­block „ent­mi­eten“ muss. Und dann taucht nach zehn Jahren Abwe­sen­heit völ­lig über­raschend sein alter Kumpel und früher­er bester Fre­und Daniel wieder auf.

 

Eine besondere Männerfreundschaft in 15 Kapiteln

Die bei­den Jungs ken­nen sich seit den 1980er-Jahren als sie zusam­men in ihrer Geburtsstadt Ros­tock zur Schule gin­gen. Dass ihre famil­iären Hin­ter­gründe kaum kon­trär­er sein kon­nten, war ihnen total egal, schnell wur­den sie beste Fre­unde. Sie brauchen nicht viele Worte, um zu ver­ste­hen, was im anderen vorge­ht. Selb­st als Thomas Daniel nicht ret­ten kann, während rechte Skin­heads ihn ver­prügeln, wird darüber nie wieder gesprochen. Bald nach der Wende lan­det erst Daniel, dann Thomas in Berlin. Daniel, der poli­tisch im linken Spek­trum aktiv ist, hat seine Kochlehre abgeschlossen und macht eine gren­zw­er­tig legale Kneipe auf. Thomas begin­nt nach kleinen Umwe­gen schließlich ein Juras­tudi­um. Er hat mit­tler­weile eine feste Fre­undin. Ker­stin ist eine unternehmungslustige Kun­st­stu­dentin und hat oft ihre Kom­mili­tonin Stephanie im Schlepp­tau. Zu viert feiern sie schräge, aus­ge­lassene Kün­stler­feste an der Ost­see wie auch das wilde und freie Berlin der 1990er Jahre.

Daniel trifft seine Entschei­dun­gen spon­tan und unter dem Ein­fluss sein­er häu­fig wech­sel­nden Lebens­ge­fährtin­nen. So bleibt er nach einem Zelt-Urlaub in Irland, weil eine Irin ihn vol­lends begeis­tert. Thomas hat sich in diesem Urlaub nach und nach in Stephanie ver­liebt und tren­nt sich von Ker­stin. Er ist der Sesshaftere mit funk­tion­ieren­der Kar­riere, auch Stephanie find­et eine sehr gut passende Anstel­lung in ein­er Galerie. Bald heirat­en sie und grün­den eine Fam­i­lie.

 

Eine Verschränkung aus Rückblicken und Jetztzeit

In fün­fzehn Kapiteln, die zwis­chen Gegen­wart und beson­deren Momenten der gemein­samen Ver­gan­gen­heit hin und her sprin­gen, erzählt Gre­gor Sander aus der Per­spek­tive von Thomas den Werde­gang dieser außeror­dentlichen Män­ner­fre­und­schaft. Auch mit seinen weib­lichen Pro­tag­o­nistin­nen gelin­gen ihm sehr glaub­würdi­ge und vielschichtige Frauen­porträts. Das beson­dere an dieser Ver­schränkung aus Rück­blick­en und Jet­ztzeit ist, dass man wirk­lich erstaunliche Wen­dun­gen erlebt, die ein ganz neues Licht auf das bish­er Geschehene wer­fen. Die ver­meintlich ver­wöh­nte Ehe­frau des Anwalts lernt man so auf ganz andere Weise in ihren Zwanzigern und Dreißigern ken­nen. Selb­st bei Thomas, der nicht von vorn­here­in ein Sym­pa­thi­eträger ist, kom­men ganz andere Facetten zutage. Eben­so wird die Beschrei­bung der jew­eili­gen Städte vor und nach der Wende durch diese Meth­ode sehr lebendig und plas­tisch. Manch­mal geht man beim Lesen in Gedanken mit durch die sich verän­dern­den Vier­tel in Ros­tock und Berlin.

 

Die Vergangenheit beeinflusst das Jetzt

Immer wenn Daniel plöt­zlich wieder auf der Bild­fläche erscheint, hat es eine wichtige Verän­derung in Thomas‘ Leben gegeben. So wie jet­zt mit­ten in der Ehekrise. Daniel hat ger­ade ein Restau­rant in der Bre­tagne zugemacht und kehrt zurück, ohne eine feste Bleibe zu haben. Auch wenn Thomas zunehmend von Daniels Art gen­ervt ist, kann er ihm in den wirk­lich wichti­gen Momenten seine Hil­fe nicht ver­weigern. Selb­st dann nicht, wenn ihn das in große Schwierigkeit­en bringt.

Welche Brock­en die gemein­same Ver­gan­gen­heit den bei­den noch in den Weg legt, sei hier nicht ver­rat­en. Aber auf das witzige Ende dieses sehr kurzweili­gen Romans darf man sich freuen. Hier kom­men nochmal alle Wahrheit­en auf den Tisch, und Gre­gor Sanders beson­deres Kön­nen in Bezug auf knappe, lakonis­che Dialoge kann glänzen. Wer Lust hat auf intel­li­gente Beziehungs-Beobach­tung ver­woben mit der deutsch-deutschen Geschichte der let­zten 40 Jahre, dem wird diese Geschichte gefall­en.

Und wie Gre­gor Sander im Inter­view mit Peter Scher­rer ver­rät, steckt er schon mit­ten im Schreibprozess für sein näch­stes Buch. Wir sind ges­pan­nt.

 

Gre­gor Sander

„Alles richtig gemacht“

Pen­guin Ver­lag

240 S., 20,- €

  • Peter Scherrer

    geb. 1959, gel­ern­ter Met­all­fachar­beit­er und grad. His­torik­er, arbeit­ete für Gew­erkschaften und poli­tis­che Stiftun­gen in Europa u.a. 2015–2019 als stel­lvertre­tender Gen­er­alsekretär beim Europäis­chen Gew­erkschafts­bund (EGB), in Brüs­sel. Schw­er­punk­te: Indus­trie- und Sozialpoli­tik sowie Lokalgeschichte und Kul­turelles. Wohnt seit 2017 in Schw­erin.

    Alle Beiträge anse­hen

Kommentiere den Beitrag

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert