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Schwerin: „Immer wieder zieht sich dieser Knoten in meinem Bauch zusammen“

Der Wecker klingelt und ich frage mich: Warum soll ich mich überhaupt aufraffen und aufstehen? Das Wetter ist so trist wie meine Laune. Und das schon morgens um 6.00 Uhr.

  • Veröffentlicht Februar 16, 2021
Wenn sie möchte, kann sie sich momentan jeden Tag in ein anderes Kissen vergraben: Nicole Maleßa vom Niederländischen Hof in Schwerin. | Foto: privat

Der Wecker klingelt und ich frage mich: Warum soll ich mich überhaupt aufraffen und aufstehen? Das Wetter ist so trist wie meine Laune. Und das schon morgens um 6.00 Uhr. Vielleicht sollte ich doch lieber wieder die Augen schließen und den Traum weiter träumen. Von unserem vollen Hotel, den lieben Gästen und den freundlichen Gesichtern. Ja, es fehlen mir selbst die Gäste die nicht immer so freundlich sind und überall ein „Haar in der Suppe“ finden. Ich träume davon, wie wir alle, nachdem unsere Hotelgäste mit dem Frühstück durch sind, gemeinsam am Tisch sitzen und frühstücken. Wie wir uns dann von unserem Alltag und den Problemen erzählen, die nichts mit Corona zu tun haben.

 

Ängste und Sorgen, mit denen man einschläft und aufwacht

Doch dann klingelt noch mal der Wecker, und ich raffe mich auf. Wecke meinen Sohn, der es irgendwie immer schafft, mir ein Lächeln auf mein Gesicht zu zaubern. Der mir aber in der nächsten Minute mindestens zwei gefühlte Wutanfälle bringt, weil er nicht das richtige Kuscheltier für den Kindergarten findet. Oder weil ihm das Outfit nicht gefällt, das ich abends bereits rausgesucht habe. Immer wieder frage ich mich dann, warum ich so schnell sauer oder wütend werde. Dabei sollte ich doch bei so viel erzwungener „Freizeit“ tiefenentspannt sein. Jeder sagt einem: Nutze die Zeit doch mal für dich. Lese, treibe Sport oder fange eine Serie an. Ja das könnte ich, aber all dieses ändert ja nichts an den Ängsten und Sorgen, mit denen man abends einschläft und morgens wieder aufwacht.

 

„Immer wieder zieht sich der Knoten in meinem Bauch zusammen“

Im Lockdown abgedeckte Tische und Stühle im Wintergarten. | Foto: privat / Schwerin

Nachdem ich meinen Sohn zur Kita gebracht habe, geht es in unser Geisterschloss. Ich parke auf dem leeren Parkplatz und atme tief ein. Jedes Mal ist es ein komisches Gefühl. Klar der Jahresbeginn war nie die Touristenzeit in Schwerin. Aber dennoch ist ein Hotel ohne Gäste wie ein Patient, der im Wachkoma liegt. Herr Amtsberg begrüßt mich wie immer mit einem freundlichen Lächeln.  Er bewacht seit Mitte Dezember unser Häuschen. Denn seitdem ist unser „Niederländer“ im Dornröschenschlaf und geschlossen.
Es ist in unserem Wintergarten gefühlt genauso eisig wie draußen. Unsere Tische sind abgedeckt und wieder zieht sich dieser Knoten in meinem Bauch zusammen. Wann kehrt hier endlich wieder das „normale“ Leben ein? Wenn diese alten  Wände dieses historischen Hauses sprechen könnten (1901), würde ich sie gern fragen, ob sie sowas jemals gedacht hätten. Dass es so lange mal so still wird hinter ihren Mauern.

 

Zum Glück sind Nadine und ich nicht allein in dieser Zeit

Ich setze mich an meinen Schreibtisch und gehe die Mails durch, schaue aufs Konto und bespreche mit meiner Geschäftspartnerin Nadine telefonisch die nächsten Schritte. Wir wechseln uns beide gerne ab mit den Besuchen im Hotel, sind aber täglich telefonisch in Kontakt und bauen uns gegenseitig auf. Das ist der große Vorteil wenn man zu zweit ein Unternehmen leitet. Man ist nie allein und kann seine Ängste und Sorgen mit jemandem teilen. Wir sitzen oft zusammen und versuchen neue Ideen zu entwickeln wie wir nach dem Lockdown starten wollen. Nach dem Lockdown – wann das wohl ist?

 

Das Laufrad im Kopf dreht und dreht sich

An der Rezeption wie im gesamten „Niederländischen Hof“ in Schwerin ist alles für ein Leben mit Corona bereit. | Foto: privat / Schwerin

Das Laufrad in meinem Kopf fängt sich wieder an zu drehen. Immer wieder diese Fragen: Wie lange halten wir diesen Zustand noch aus, finanziell und psychisch? Wann startet das Leben mit Corona? Wenn alle geimpft sind? Wann wird das sein? Wie viele wird es dann von uns noch geben? Wird es den kleinen Laden um die Ecke noch geben? Die liebe Kosmetikerin oder den tollen Friseur, nach dem man so lange gesucht hat? Wird es von unserer Kultur und den Freizeitangeboten noch alles geben? Unser Lieblingsrestaurant oder das schöne Hotel zu dem man jedes Jahr für ein Wochenende immer verreist ist, werden sie noch da sein? Wie viele Dinge wird es nicht mehr geben, die für uns einmal so selbstverständlich waren und nun noch ein Funke der Erinnerung in unseren Gedanken sind?

 

Wir werden diese Krise überstehen!

Nein! Das Laufrad muss stoppen. Denn nach Regen folgt bekanntlich auch irgendwann wieder Sonnenschein. Und daran glauben wir fest. Wir werden diese Krise überstehen, denn wir haben mit unserem „Niederländer“ schon so vieles überwunden. Wir werden bald wieder ausgebucht sein, unsere Mitarbeiter wiedersehen. Mit Ihnen lachen und mit Hoffnung in die Zukunft schauen.

 

Mein Mann und mein Sohn geben mir Kraft

Es ist spät abends, wieder geht ein Tag im manchmal so tristen Corona-Alltag  zu Ende. Ich gehe nochmal ins Zimmer meines Sohnes und schaue ihm zu, wie er so friedlich schläft. Noch einmal tief einatmen und so viel wie möglich von diesem Moment einsaugen. Ich gebe meinem Mann einen Kuss und bin glücklich und sage mir: Mit Hoffnung und Zuversicht, lassen sich alle Stürme des Lebens überstehen.

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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