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Schwerin: Läuft der Gastronomie das Personal davon?

Auf die Corona-Krise folgt die Fachkräfte-Krise. Nach monatelangen Lockdowns können Hotels und Gastronomien auch in Schwerin unter Auflagen wieder öffnen. Nun aber gibt es nahezu überall ein nochmals verschärftes Problem.

  • Veröffentlicht Juli 6, 2021
Ohne Personal bleiben Restaurants geschlossen – auch in Schwerin. | Foto: privat

Auf die Corona-Krise folgt die Fachkräfte-Krise. Nach monatelangen Lockdowns können Hotels und Gastronomien auch in Schwerin unter Auflagen wieder öffnen. Nun aber gibt es nahezu überall ein nochmals verschärftes Problem. Sie finden nämlich häufig kein Personal mehr, das die Gäste bedient. In den Küchen, am Herd, sieht es besonders verheerend aus. „Das Gastgewerbe blutet seit Beginn der Pandemie personell aus. Dringend gebrauchte qualifizierte Kräfte sind in andere Branchen abgewandert“, konstatiert Jörg Dahms von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). Nach Angaben der Arbeitsagentur hätten in der Landeshauptstadt Schwerin allein zwischen Juni 2019 und Juni 2020 knapp 500 Beschäftigte das Gastgewerbe verlassen – das ist jeder fünfte Arbeitnehmer (minus 21 Prozent), so die NGG. Angesichts weiterer Lockdowns dürfte sich der Fachkräftemangel seit dem Herbst bis heute nochmals zugespitzt haben, warnt die Gewerkschaft.

 

Personal ist gerade auch während des Lockdowns abgewandert

Erste Unternehmen konnten auch in Schwerin nach dem Lockdown bereits aufgrund von Personalmangel vorerst gar nicht oder nur auf Sparflamme öffnen. In anderen sind Personal und Betreiber schon jetzt kräftemäßig wegen Unterbesetzung am Anschlag. „Wenn die Branche nicht rasch gegensteuert, könnte der von vielen Menschen lang ersehnte Urlaub oder Restaurantbesuch am Personalmangel scheitern“, so Dahms.

Der Geschäftsführer der NGG-Region Mecklenburg-Vorpommern macht für die Situation insbesondere die Einkommenseinbußen durch das Kurzarbeitergeld verantwortlich. Angesichts der niedrigen Löhne im Hotel- und Gaststättengewerbe kämen die Beschäftigten selbst mit 80 Prozent des Kurzarbeitergeldes, das ab dem siebten Bezugsmonat gezahlt werde, nicht über die Runden. Sie seien förmlich dazu gezwungen, sich beruflich umzuorientieren. Eine gelernte Köchin kommt nach NGG-Angaben in Mecklenburg-Vorpommern lediglich auf einen Verdienst von 10,49 Euro pro Stunde. Ungelernte Kräfte lägen bei einem Stundenlohn von 9,79 Euro. Selbst der gesetzliche Mindestlohn, der im Januar auf 9,82 Euro steigt, würde dann die Hotel- und Gastro-Branche im Nordosten überholen.

 

Gewerkschaft nennt Löhne, die in Schwerin wohl kaum noch einer zahlt

Zahlen, die durchaus erschrecken. Andererseits dürfte so manch Gastronomin oder Gastronom bei diesen Werten Fragezeichen im Gesicht bekommen. Denn zumindest in Schwerin sind nicht einmal ungelernte Aushilfen noch für unter 10 Euro je Stunde zu bekommen. Für tatsächlich komplett ausgebildete Köchinnen und Köche dürfte kaum noch jemand 10,49 Euro je Stunde zahlen. Da gibt es wohl keine. So manch Gastronomiebetriebe dürften daher verleitet sein, bei der Gewerkschaft anzurufen und zu fragen, woher diese Zahlen kommen, und wie man Kontakt mit diesem Personal aufnehmen könnte, um die Personen zum Wechsel zu bewegen.

Aber die Gewerkschaft bleibt bei ihrer Darstellung – natürlich nicht in jedem Fall zu Unrecht. Auch das muss gesagt sein. „Schon vor Corona waren die Arbeitsbedingungen im Gastgewerbe alles andere als rosig. Die Betriebe haben es versäumt, die Arbeit attraktiver zu machen. Das rächt sich jetzt“, so Dahms. Nach Beobachtung des Gewerkschafters sei ein Großteil des Personals in den Lebensmitteleinzelhandel, zu Drogerie-Ketten oder in die Lieferbranche abgewandert. „Die Menschen wieder für die Arbeit in der Küche oder an der Rezeption zu gewinnen, ist eine Mammutaufgabe – und kann nur durch armutsfeste Löhne und bessere Arbeitsbedingungen gelingen“, ist Dahms überzeugt.

 

Gewerkschaft fordert Zukunftsplan für die Branche in der Region

Die NGG Mecklenburg-Vorpommern ruft den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) dazu auf, gemeinsam einen Zukunftsplan für die Region zu entwickeln. Zwar seien viele Betriebe durch die Pandemie hart getroffen. Doch strukturelle Probleme gebe es schon seit langem. So müsse das Gastgewerbe das Mindestlohn-Image überwinden, um für Schulabgänger und Fachleute attraktiv zu sein. Mit Blick auf die Sommersaison habe zugleich der Schutz der Beschäftigten vor Infektionen höchste Priorität. „Wirte und Hoteliers müssen erkennen, dass die Mitarbeiter im Dienstleistungsbereich das höchste Gut sind – und sie auch so behandeln und bezahlen“, so Dahms weiter.

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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