Schwerin: Oberbürgermeister legt Widerspruch ein
Auf der letzten Sitzung der Stadtvertretung Schwerin debattierten die Kommunalpolitiker über eine Vielzahl an Themen. Darunter auch solche, die durchaus spürbar finanziellen Einfluss auf den Haus halt der Stadt Schwerin
Auf der letzten Sitzung der Stadtvertretung Schwerin debattierten die Kommunalpolitiker über eine Vielzahl an Themen. Darunter auch solche, die durchaus spürbar finanziellen Einfluss auf den Haus halt der Stadt Schwerin haben. Da nicht alles dabei so verlief, wie es Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier aus kommunalrechtlicher Sicht sieht, legte er nun in zwei Fällen Widerspruch ein. Begründung: Dem OB fehlt die Gegenfinanzierung.
Stadtvertretung beschließt kostenlosen Schülernahverkehr – OB widerspricht
So beschloss die Mehrheit der Stadtvertretung die Einführung einer kostenfreien Beförderung für alle Schülerinnen und Schüler der Stadt Schwerin mit dem städtischen Nahverkehr. Die Verwaltung schätzt den finanziellen Mehraufwand für die Stadt auf etwa 2 Millionen Euro. Soweit, so gut. Damit entsprach dieser Antrag, der schon in der Einreichung von mehreren Fraktionen getragen wurde, durchaus auch den eigentlichen politische Forderungen und Wünschen wohl nahezu aller in der Stadtvertretung vertretenden Fraktionen. Denn eine Verlagerung des täglich zu beobachtenden Elterntaxi-Verkehrs auf den Nahverkehr entspricht dem Wunsch nahezu aller.
SPD und AfD mit eigenen Anträgen
Dennoch aber brachte die SPD-Fraktion einen eigenen Antrag ein. Dieser sah, entgegen ihrer eigentlichen wiederholt öffentlich getätigten Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr für alle Schülerinnen und Schüler, nur eine Lösung für Kinder zwischen 7 und 12 Jahren vor. Das damit verbundene Finanzvolumen bezifferte man auf ca. 1,1 Millionen Euro. Hierfür sollten die Parkgebühren im öffentlichen Raum verdoppelt werden. Eine Idee, die durchaus bei einigen Gewerbetreibenden der Stadt gerade nach und in der Corona-Krise auf wenig Gegenliebe stößt. Vorsichtig ausgedrückt. Aus der AFD-Fraktion kam in einem eigenen Antrag die Forderung, der Oberbürgermeister möge sich beim Land für eine finanziell Lösung einsetzen, die die Forderung nach einem kostenfreien Nahverkehr für alle Schülerinnen und Schüler aus Schwerin ermöglicht, realisierbar macht. Ansonsten pflichtete die Fraktion ebenso wie die der SPD der Darstellung des Oberbürgermeisters bei: Ohne Gegenfinanzierung sei der Antrag rechtswidrig.
Politische Mehrheit für die Gesamtlösung
Letztlich fand sich nach einer hitzigen Debatte, die teilweise auch persönlich wurde, eine Mehrheit für den mehrfraktionellen Antrag. damit ist das politische Signal klar: Die Politik in Schwerin will einen kostenfreien Nahverkehr für alle Schülerinnen und Schüler. Der Oberbürgermeister möge im Rahmen der noch laufenden Haushaltsplanung entsprechende Finanzierungsvorschläge unterbreiten. Und genau in diesem Punkt sahen zumindest einige der Antragsunterstützer einen elementaren Unterschied zu Dr. Badenschier.
Unterschiedliche Auffassung, wer Finanzierungsvorschläge unterbreiten muss
Er vertrat die Auffassung, kommunalrechtlich seien die Antragsteller gezwungen, eine Gegenfinanzierung vorzuschlagen. „Auch wenn ich die Forderung nach einem kostenlosen Nahverkehr für alle Schweriner Schülerinnen und Schüler inhaltlich befürworte, muss ich als Oberbürgermeister diesen rechtswidrigen Beschlüssen widersprechen“, so Dr. Badenschier. Die Antragseinbringer hingegen argumentierten, dass der Haushalt bisher nur ein Wunschplan des Finanzdezernenten und Oberbürgermeisters in Personalunion sei. Solange der Haushalt nicht verbindlich beschlossen sei, bestünde eben diese Verpflichtung nicht zwingend. Daher der Auftrag des politischen Gremiums an Dr. Badenschier, Finanzierungslösungen im Rahmen der noch laufenden Haushaltsdebatte vorzuschlagen. Der Oberbürgermeister aber blieb bei seiner Sichtweise, und widersprach nun formell dem Beschluss.
Drei Fraktionen beantragen zusätzliche Dezernentenstelle
Ein zweiter, innerhalb der Stadtvertretung noch sehr viel umstrittenerer Antrag, sah die Schaffung eines vierten Dezernats und einer weiteren Dezernentenstelle vor. Wer durchzählt und sich wundert, dass es doch derzeit nur zwei Dezernenten und einen Oberbürgermeister gibt: Oberbürgermeister Dr. Badenschier hatte sich kurz nach seiner Wahl auch das Finanzdezernat zugeordnet. Damit gibt es formell drei Dezernate – ein viertes sollte nun geschaffen werden. Auch diese Debatte war hitzig und emotional. Wiederholt warfen sich Befürworter und Gegner parteipolitisch motivierte Selbstbedienungspolitik vor.
So ging der Vorwurf dabei in Richtung der Antragssteller von CDU/FDP, Unabhängigen Bürgern und Die LINKE, sie wollten das zusätzliche Dezernat, um letztlich für jede Fraktion einen Dezernentenposten zu haben. Die derzeitigen Dezernenten Bernd Nottebaum (CDU) und Andreas Ruhl (SPD) stehen demnächst zur Neuwahl. Dabei geht man aktuell davon aus, dass Nottebaum unter den politischen Konstellationen sein Dezernat behalten könnte. Andreas Ruhl hingegen dürfte nicht auf eine Verlängerung hoffen können. Hier werden Namen aus der Partei DIE LINKE gehandelt. Damit bliebe die UB-Fraktion erst einmal ohne Dezernentenposten. Das könnte eine vierte Stelle ändern. Hier, so hörte man hinter vorgehaltener Hand, rechnen einige mit einer Bewerbung des UB-Fraktionsvorsitzenden Silvio Horn. Das aber ist noch Spekulation.
Gegner wittern machtpolitische Selbstbedienung
Die Befürworter des Antrag hingegen sehen mit dem Anwachsen der Stadt und den stetig neuen Aufgaben eine Notwenigkeit, die Verwaltung entsprechend neu aufzustellen. „Nach Hauptsatzung und Kommunalverfassung ist diese Stelle […] ausdrücklich vorgesehen. Wir haben Zuwächse bei wichtigen Themen, die in der Verwaltung nicht angemessen abgebildet sind, Klimaschutz und Digitalisierung zum Beispiel“, so Silvio Horn gegenüber der SVZ. „Über Personen ist jetzt nicht zu entscheiden, es wird eine Ausschreibung geben.“ Den Vorwurf der Selbstbedienung gaben sie speziell in Richtung SPD freundlich zurück und verwiesen mehrfach auf die zu beginn dieser Legislaturperiode im Land neu geschaffene Position für SPD-Mitglied Patrick Dahlemann als Parlamentarischen Staatssekretär für Vorpommern. Dies sei lediglich ein politisch motivierter Versorgungsposten – er reise nur herum und verteile Geschenke.
So und ähnlich die Darstellungen. Auch Oberbürgermeister Dr. Rico Badenschier sollte in der Bedienungsdiskussion nicht unbedacht bleiben. Hier erinnerte man an dessen eigenmächtige und in Teilen der Verwaltung nicht unumstrittene Entscheidung, gut 30.000 Euro für eine nie zur Anwendung gekommene Corona-App auszugeben.
OB Badenschier widerspricht beiden mehrheitlich beschlossenen Anträgen
Letztlich stand die Mehrheit der Antragsteller – auch, aber nicht nur, da auf Seiten der Gegner einige Fraktionsmitglieder nicht oder nicht mehr vor Ort waren. Damit hatte auch hier die Politik mehrheitlich gesprochen. Und auch hier reagierte Oberbürgermeister Dr. Badenschier mit gleicher Argumentation wie beim kostenlosen Schüler-Nahverkehr: Er legte nun Widerspruch gegen den Beschluss ein. Denn dabei fallen auch zusätzlich etwa 300.000 Euro an Mehrausgaben für die Stadt jährlich an. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie es mit beiden Themen weitergeht.