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Schwerin: Land weicht wohl weiter vom vereinbarten Corona-Kurs ab

Es war bereits am Dienstag, kurz nach der gemeinsamen Sitzung von Bund und Ländern klar, dass auch Mecklenburg-Vorpommern es offenbar nicht so genau damit nimmt, wenn man gemeinsam etwas vereinbart.

  • Veröffentlicht Januar 8, 2021
Erneut zwei Todesfälle in Schwerin in Zusammenhang mit dem Corona-Virus. | Foto: Symbolbild

Es war bereits am Dienstag, kurz nach der gemeinsamen Sitzung von Bund und Ländern klar, dass auch Mecklenburg-Vorpommern es offenbar nicht so genau damit nimmt, wenn man gemeinsam etwas vereinbart. Bereits kurz nach der Einigung auf das neue Vorgehen im Kampf gegen die Corona-Pandemie verkündete Ministerpräsidentin Manuela Schwesig in Schwerin, dass man u.a. in Sachen Schulen einen etwas abweichenden Kurs einschlägt. Zwar hatten am Montag bundesweit anerkannte Experten unterstrichen, dass sie in Schulen und Kitas durchaus Treiber des Infektionsgeschehens sehen, und daher deren Schließung deutlich empfohlen. Aber ein Kinderarzt in der Runde sah dies, so Schwesig, anders. Und auch die Landesexperten sollen „keine große Gefahr“ in Schulen und Kitas gesehen haben.

 

Nach der Einigung folgte das Abweichen

Damit allerdings befand und befindet sich die Ministerpräsidentin, das gehört zur föderalen Wirklichkeit, durchaus in guter Gesellschaft. Auch in anderen Bundesländern galt schon Minuten oder Stunden nach der „Einigung“ nicht mehr 1:1 das, worauf man sich noch kurz zuvor „geeinigt“ hatte. Damit setzen verschiedene Länderchefinnen und -chefs ihre „Tradition des Abweichens“ von eigentlich doch gemeinsam getroffenen Vereinbarungen und des Aufweichens der vom Kanzleramt vorgeschlagenen Maßnahmen fort. Nicht erst einmal hatte sich dies im Nachhinein als falsch erwiesen. Und längst ist es nicht mehr nur ein Kommentartor der taz, der in diesem Verhalten durchaus einen Grund für die negative Entwicklung der Situation in ganz Deutschland sieht.

 

MV weicht nun auch von vereinbarter Kontaktbeschränkung ab

Aus den bisherigen Fehlern zu lernen, das scheint u.a. mit Blick auf eine Bundestagswahl und die eine oder andere Landtagswahl allerdings vielerorts schwierig. Und davon hat sich nun offenbar auch der Landtag in MV anstecken lassen. Schon vor der gestrigen Sondersitzung, auf der die Verlängerung des Lockdowns und die zusätzlichen neuen Maßnahmen – teilweise angepasst – beschlossen wurden, hatte Ministerpräsidentin Schwesig öffentlich darüber nachgedacht, ob das Land nicht eventuell vom vereinbarten Verschärfungskurs bei den Kontaktbeschränkungen zumindest bedingt abweichen könnte.

Und genau so kam es nun auch. Denn in MV sollen nach Meinung der Mehrheit im Landtag eben nicht die Regelungen ähnlich wie im Frühjahr gelten, die Manuela Schwesig noch am Dienstagabend in einer Pressekonferenz als auch in ihren Augen richtig präsentierte. Vereinbart war eigentlich, dass sich ein Hausstand nur mit einer Person aus einem weiteren Hausstand treffen durfte. Ministerpräsidentin Schwesig aber brachte nun in Schwerin ins Spiel, dass man Kinder bis 14 Jahren – wie aktuell noch – von dieser Regelung ausnehmen könnte.

 

In Woche mit höchsten Zahlen entschärft man die Vereinbarungen

Wenn nun die Landeschefin über etwas nachdenkt, dann folgt die Koalition offenbar auch direkt. Gemeinsam mit der Fraktion „Die Linke“ beschlossen SPD und CDU gestern bewusst genau diese eindeutige Abweichung vom eigentlich deutschlandweit vereinbarten Kurs. Und das an dem Tag, an dem mit der Mecklenburgischen Seenplatte erstmals ein Landkreis in MV gleich deutlich die 7-Tage-Inzidenz von 200 Fällen je 100.000 Einwohner überschritt (220,9). Bleibt es dabei, dürfte dort ab voraussichtlich Sonntag der maximale Bewegungsradius von 15 Kilometern um den Wohnort gelten. Zudem war das Land MV gerade in diesen Tagen, über eine 7-Tage-Inzidenz von 100 gerutscht. Auch verzeichnete MV in den vergangenen drei Tagen zwei für das Land absolute Spitzenwerte und einen extrem hohen Wert bei den Neuinfektionen binnen 24 Stunden.

 

Kontaktregelungen nun landesspezifisch weniger hart

Offenbar aber scheint man in der Staatskanzlei und den drei Fraktionen – anders als zahlreiche Experten, als verschiedene Studien und auch als das in der Beobachtung zumindest subjektive Empfinden mit Blick auf die vor Weihnachten zahlreichen Infektionsfälle an Schulen – Kinder als keine die Pandemie (mit) treibende Bevölkerungsgruppe zu sehen. Besonders interessant ist der gestrige Beschluss, wenn man sich die bisherige Argumentation ansieht. Denn da hieß es häufig, dass sich Kinder nicht in der Schule, sondern in der Freizeit anstecken würden. Genau damit begründete das Land u.a. auch, dass man beim Offenhalten von Kitas und Schulen einen anderen Weg gehe. Nun aber betrifft die Kontaktregelung, die man zugunsten der Kinder entschärft, aber eben genau diesen Freizeitbereich.

Man lässt also genau dort, wo sich Kinder nach bisheriger Darstellung häufig anstecken, mehr zu, als es vereinbart war. Inwieweit diese Abweich-Aktionen die Akzeptanz der erforderlichen Maßnahmen fördern, bleibt offen. Und auch, wer im Nachhinein die Verantwortung übernimmt, wenn es schief geht.
Damit gelten nun voraussichtlich ab Sonntag die Verlängerung des bestehenden Lockdowns, die landesspezifische Kontaktregelung und auch, ab einer 7-Tage-Inzidenz von 200 Fällen je 100.000 Einwohner ein eingeschränkter Bewegungsradius von 15 Kilometern um den eigenen Wohnort. Hierbei aber gibt es diverse Ausnahmen, die die entsprechende Landesverordnung im Detail regeln dürfte.

 

Erneut 20 Neuinfektionen in Schwerin

Ebenso wie am Mittwoch verzeichnete die Landeshauptstadt Schwerin auch am gestrigen Donnerstag 20 Neuinfektionen mit dem Corona-Virus binnen 24 Stunden. Zudem verstarben an beiden Tagen zusammen drei Personen im Zusammenhang mit dem Virus. Zudem sind bislang mehr als 2.000 Bewohnerinnen und Bewohner sowie Beschäftigte der 20 stationären Pflegeheime sowie zahlreiche ambulante Pflegekräfte das erste Mal geimpft. Am 20. Januar sollen die ersten über 80-jährigen Einwohner von Schwerin im Impfzentrum in der Sport- und Kongresshalle einen Termin bekommen. Sie erhalten im Vorfeld Post vom Land und können dann einen konkreten Termin telefonisch vereinbaren, so die Stadt.

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Henning Kobs

Journalist. Wohnt in Braunschweig. Schreibt seit der Gründung im Jahr 2013 als freier Mitarbeiter gelegentlich für unsere digitale Tageszeitung. Er arbeitet vor allem im Back-Office der Redaktion.

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