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Schwerin: Zu Gast bei Martin Petr im „Treffpunkt Nord“

Gefüllte Paprikaschote, Hühnerfrikassee, Schollenfilet, Bratwurst, Schnitzel, Nudeln mit Tomatensoße,  Fischfilet mit Gurkensalat – die Breite der Angebote lässt bereits erahnen, dass e kein typisches Restaurant ist, um das es geht.

  • Veröffentlicht Dezember 7, 2020
Martin Petr ist Betreiber und Koch im „Treffpunkt Nord“ in Schwerin. | Foto: schwerin-lokal

Gefüllte Paprikaschote, Hühnerfrikassee, Schollenfilet, Bratwurst, Schnitzel, Nudeln mit Tomatensoße,  Fischfilet mit Gurkensalat – die Breite der Angebote lässt bereits erahnen, dass e kein typisches Restaurant ist, um das es geht. Stimmt, wir sind in der Kantine von Martin Petr. Einer Kantine im Norden von Schwerin mit viel Tradition. Wir sind im „Treffpunkt Nord“. Einem Ort, der eben für den kurzweiligen Mittagstisch und das morgendliche Frühstück steht. Einem Ort aber, der auch Partyservice übernimmt und an dem es schon so manch rauschende Party im großen Saal gab.

 

Frühstück, Mittag und ein engagiertes Team

Am und teilweise auch auf dem Gelände des KGW zwischen Ärztehaus und Fast-Food-Restaurant besteht seit vielen, vielen Jahren die Möglichkeit, in der Mittagspause preiswert und ehrlich zu essen. Sicherlich kann man hier kein Mehrgängemenü, keine Servicekräfte am Tisch und keinen Champagner erwarten. Dafür ist der „Treffpunkt Nord“ der falsche Ort. Aber man kann auf frische Speisen, faire Preise und – außerhalb der Corona-Zeiten – auf Wunsch auch das Zusammenkommen mit vielen anderen Menschen bauen. Und, das ist vermutlich das wichtigste, auf das engagierte Team um den 34-jährigen Martin Petr, das tagtäglich ab frühmorgens mit Spaß an der Arbeit für die Gäste da ist.

 

Ein „Kind“ des „Treffpunkt Nord“

Petr selbst ist, das kann man mit Fug und Recht behaupten, ein „Kind“ des „Treffpunkt Nord“. Bereits 2001, also im Alter von 15 Jahren, war der heutige Vater von zwei Kindern (7, 4) das erste Mal hier tätig. Damals noch als Praktikant, erlebte er die durchaus tagtäglich anfallenden Arbeiten das erste Mal hautnah. Während sicherlich so mancher nach einer doch so kraftraubenden Zeit eher nach etwas anderem Ausschau hält, hatte Martin direkt Feuer gefangen. Ihm war klar, was er werden möchte: Koch.

Und er blieb dafür dem „Treffpunkt Nord“ auch treu, denn hier absolvierte er schon zwei Jahre später auch seine Lehre, bevor es ihn erst zur Bundeswehr und dann an andere Wirkungsstätten zog, um dort als Koch weitere Berufspraxis zu bekommen. Ganz aber ließ den jungen Vater die Kantine am KGW nie los. Immer dann, wenn sein früherer Chef Wolfgang Gesecus ihn brauchte, und es die Zeit erlaubte, war der leidenschaftliche junge Koch da. Da war es beinahe logisch, dass es ihn irgendwann auch wieder an den Ursprung seiner Berufslaufbahn zurückzog.

 

Zweifacher Vater und Koch mit Seele

Martin Petr kocht nicht nur. Er gibt auch häufig die Essen aus. | Foto: schwerin-lokal

Nun hieß es wieder von früh morgens an für die Gäste da zu sein. Frühstück ab 6:30 Uhr – und ab 11 Uhr mussten die täglich neuen zur Auswahl stehenden Gerichte fertig sein. Das bedeutet durchaus eine große Anstrengung. Eine Wochenkarte musste rechtzeitig geschrieben sein, die Einkäufe galt es zu organisieren, gemeinsam mit dem Team musste alles rechtzeitig stehen, damit die Ausgabe auch wirklich pünktlich starten und reibungslos ablaufen kann. Für Martin Petr war und ist das kein Problem. Er weiß, für wen er es tut. Er möchte seinen Gästen einen Moment der Auszeit vom Arbeitsalltag und vor allem natürlich ein gutes Essen dazu ermöglichen.

Aber das Ganze hat noch einen weiteren Vorteil: Für einen Koch, der gleichzeitig auch ein liebender Vater ist, sind die Arbeitszeiten wirklich optimal. Denn anders als viele Kolleginnen und Kollegen kam und kommt Martin nachmittags nach Hause, und kann für seine zwei wohl allerwichtigsten Menschen auf der Welt da sein. Wenn er von den beiden spricht, ist seine Liebe für die zwei unübersehbar.

 

Chef bietet Unternehmensübernahme an – Martin sagt zu

Das große Engagement des jungen Kochs fiel natürlich auch Gesecus auf, der seinen Blick irgendwann auf die Nachfolgefrage richtete. Jemand Fremdes sollte sein Lebenswerk eigentlich nicht übernehmen. Es sollte schon jemand sein, den er selbst ausgebildet hat. In Martin hatte er da natürlich sofort einen geeigneten Kandidaten. Und der nutzte diese Chance nach kurzem Überlegen auch. Komplett geräuschlos übernahm er den „Treffpunkt Nord“ Anfang 2019. So geräuschlos, dass es wirklich den allerwenigsten auffiel. Selbst viele Stammgäste wussten es erst einmal nicht. Denn für sie änderte sich wenig. „Ihr“ Martin, mit dem manchmal verschmitzten Grinsen, war ja da. Martin kochte und Martin war durchaus auch an der Ausgabe zu sehen. Alles wie immer. Und eine Zeit lang war sogar auch noch Gesecus vor Ort. Denn er arbeitete noch, auf verringerter Stundenzahl, ein Jahr für den Jungunternehmer, und unterstützte ihn, bevor er sich ganz zurückzog.

 

Seit 2019 Koch und Jungunternehmer

Ein eigener Saal mit Bühne und Technik steht im „Treffpunkt Nord“ bereit. | Foto: schwerin-lokal

Nur für den engagierten Koch und nun auch Jungunternehmer war nicht mehr alles ganz so wie immer. Denn mit der Übernahme des „Treffpunkt Nord“ kam zusätzliche Verantwortung auf den damals 32-jährigen zu. „Die Verantwortung dafür, dass die Gäste gern immer wieder zu uns kommen, die hatte ich schon immer – und das auch sehr gern. Denn für sie machen wir das alles hier mit viel Engagement und Freude. Nun aber kam auch noch die Verantwortung für das gesamte Team dazu. Und auch diese wiegt wirklich schwer. Denn mir ist es total wichtig, dass unser Team zusammenbleibt. Ich weiß, dass ich mich auf meine Kolleginnen und Kollegen verlassen kann. Wir kennen uns. Und das ist in einem solchen Betrieb unglaublich wichtig“, beschreibt der heute 34-jährige seine Situation. Denn bei etwa 100 Plätzen im Speiseraum und durchaus nicht selten auch mehr als 300 essen am Tag, ist das gegenseitige Vertrauen ganz wichtig.

 

Nicht alles umwerfen – die Gäste stehen im Mittelpunkt

Viel also änderte sich erst einmal nicht. Zumindest nicht viel für die Gäste Erkennbares. Denn hinter den Kulissen stellte Martin doch das eine oder andere um – passte Arbeitsabläufe etwas an. Auch am Speiseplan gab es kleinere Veränderungen. So finden inzwischen zunehmend auch vegetarische Gerichte darauf Platz. „Aber das passiert alles Schritt für Schritt. Denn wir reden viel mit unseren Gästen, auch wenn die Zeit oft knapp ist. Daher wissen wir eben auch, dass sie genau das Angebot, das wir hatten und weitestgehend noch haben, schätzen“.

Also kein kompletter Umbruch. Wer in den „Treffpunkt Nord“ kommt, kann sich auch weiterhin auf ehrliche Küche freuen. Und selbst die Einrichtung hat Martin erst einmal so gelassen, wie sie war. Rustikal und einfach – aber eben auch so, wie es die Menschen kennen. Nicht gleich mit einem großen Kredit alles verändern, und dann mehr für eine Bank als für das Unternehmen an sich arbeiten, war die Devise. Erst einmal für alle Stabilität und eine gewisse Sicherheit schaffen. Und das war auch gut so. Denn dann kam Corona und auch im „Treffpunkt Nord“ war plötzlich alles anders.

 

Corona als bislang größte Herausforderung

„Die Essensanzahl damals brach praktisch komplett ein“, erinnert sich Martin im Rückblick auf den ersten Lockdown. „Alles ist zu. Das war fest in den Köpfen der Menschen. Wir haben dann allerdings auch mit einem Außer-Haus-Service angefangen. Unsere Gäste konnten sich ihr Essen also holen kommen“. Nur klappte das erst einmal eher nicht so wirklich.

 

Kompletteinbruch im 1. Lockdown und Spagat zwischen Familie und Unternehmen

Speiseraum und Saal im „Treffpunkt Nord“ Schwerin. | Foto: schwerin-lokal

„Einerseits kommen viele unserer Gäste aus den umliegenden Unternehmen. KGW, Ärztehaus, aus den Bürohäusern in Richtung Stadt, natürlich von der Deutschen Bahn  und auch von Helios. Viele aber waren zu der Zeit ja gar nicht in den Büros. Die Mitarbeiter aus der Klinik haben das Haus zwischendurch aus Sicherheitsgründen kaum verlassen. Und auch ansonsten waren ja alle sehr verunsichert. Sie alle haben uns wirklich gefehlt – und nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen. Das ist schon etwas besonderes, Tag für Tag so viele Gesichter wiederzusehen, und mit dem einen oder anderen auch mal flachsen zu können – und plötzlich sind alle weg.“ Und auch die anderen Standbeine des Unternehmens – der Partyservice und die Veranstaltungen im eigenen großen Saal mit Bühne – brachen komplett weg.

Für ihn als Unternehmer und Vater hatte diese Zeit noch eine besondere Herausforderung zu bieten. Denn, viele werden sich erinnern, der 1. Lockdown war mit geschlossenen Schulen und Kitas verbunden. Martins Partnerin aber musste tagsüber arbeiten. Für ihn bedeutete das, mitten in der Nacht – in die Kantine zu fahren und zu kochen. Morgens dann kam er nach Hause und übernahm die Kinder. Nachmittags gings dann zur Abrechnung, Bestellung und Büroarbeit wieder in die Wismarsche Straße. Danach nach Hause, kurz versuchen zu schlafen, und wieder los. „Dafür, dass wenig Menschen zu uns kamen, war das eine besonders harte Zeit.“

 

Auch nach dem Lockdown ging der Kampf weiter

Selbst als der Lockdown endete musste der „Treffpunkt Nord“ weiter kämpfen. Denn anders als die meisten Gastronomien hat die Kantine ihr Jahreshoch in den kühlen und kalten Monaten. „Im Sommer ist immer weniger los“, weiß Martin. Aber auf den Lockdown folgte der Sommer. Während dies zweifellos vielen Gastronomen in Schwerin die Existenz rettete, mussten Martin und sein Team weiter kämpfen. Denn zu den ohnehin geringeren Zahlen im Sommer kam nun hinzu, dass viele Menschen weiterhin im Homeoffice arbeiteten. „Und Veranstaltungen fanden vorerst ja auch nicht statt. Da nutzte mir der Saale wenig.“

Aber Martin wäre nicht er selbst, wenn er nicht aus der Not eine Tugend machen würde. Denn die nun geltenden Mindestabstände reduzierten ja auch sein Platzangebot deutlich. Also kam die Hälfte der Tische und Stühle in den großen Saal. „Damit stehen zumindest grundsätzlich genauso viele Plätze zur Verfügung wie vorher. Nun allerdings auf über 400 Quadratmetern“. In den ersten herbstlichen Wochen war das auch sehr gut. Denn das Geschäft pegelte sich wieder ein. Auch erste Veranstaltungen  wurden im Saal und auch in einem kleinen Raum, der noch zur Verfügung steht, wieder gebucht. Selbst beim Partyservice merkte der engagierte Jungunternehmer eine positive Tendenz. Gerade, als er etwas hätte aufatmen können, kam der „Wellenbrecher-Lockdown“, in dem wir uns seither befinden.

 

Gerade lief es wieder – Da kam Lockdown 2

Auch im Lockdown ist der Chef täglich für seine Gäste da. | Foto: schwerin-lokal

Und hier begann alles gleich mit einigen Irritationen. Denn nach Medieninformationen, die wiederum auf Aussagen aus der Landesregierung basierten, sollten Kantinen geöffnet bleiben dürfen. Dann aber hieß es in der Landesverordnung: „Der Betrieb von nicht öffentlich zugänglichen Personalrestaurants, Kantinen und ähnlichen Betrieben ist zulässig.“ Und so steht es dort bis heute. damit war klar: Auch der „Treffpunkt Nord“ muss schließen. „Das war und ist natürlich vor allem aus wirtschaftlicher Sicht alles andere als optimal. Keine Frage. Daher ist es jetzt wirklich wichtig, dass die zugesagten Hilfen vom Bund schnell fließen und auch andere meiner Ansätze nachhaltig greifen.“ Angst hat Martin nicht. Aber Respekt vor der Situation. „Denn jede meiner Entscheidungen trifft ja nicht nur mich. Mein tolles Team, meine Partnerin und meine Kinder – alle sind betroffen.“ Aber aufgeben kommt natürlich nicht in Frage.

 

Auch in dieser Zeit für die Gäste da

Zwar sieht Martin Petr vor Januar keine Rückkehr zu einem normaleren Geschäft. Aber er ist fest davon überzeugt, dass diese letzte schwere Etappe zu schaffen ist. Erst einmal hat er die Öffnungszeiten angepasst. Das Frühstück fällt ganz weg vorerst. Und die Kantine öffnet von 11 bis 13 Uhr. Mit einem ausgeklügelten System, das er mit den zuständigen Ämtern der Stadt Schwerin besprochen hat, müssen die Gäste nun nicht draußen stehen  und warten. Denn auch das war zwischendurch schon der Fall. Auf der Homepage und der Facebookseite veröffentlicht er derzeit keine Wochen- sondern immer eine Tageskarte. „Ich muss derzeit deutlich flexibler agieren. Unsere Gäste sollen natürlich die Gewissheit haben, dass es wirklich das gibt, was auf der Karte steht.“ Und eben diese Gäste wissen das offenbar zu schätzen. Denn inzwischen kommen sie wieder täglich, um sich ihr Mittag abzuholen. „Es sind zwar weniger als sonst, aber das ist fast egal. Für uns zählt, dass wir trotz allem für unsere Gäste da sein können.“

 

Ein engagierter Unternehmer, der nach vorn blickt

Und Martin schaut schon nach vorn. Er denkt schon darüber nach, was er Schritt für Schritt in Zukunft vielleicht noch erneuern oder anpassen möchte. Er bietet auch weiterhin für Schülerinnen und Schüler die Chance, ein Praktikum in der beliebten Kantine im Norden von Schwerin zu absolvieren. Und natürlich baut er ganz fest darauf, dass schon bald auch wieder Veranstaltungen  in seinem Saal stattfinden können. Und auch der Partyservice, da ist sich der 34-jährige ganz sicher, wird dann wieder zu vielen gelungenen Veranstaltungen auch außerhalb des „Treffpunkt Nord“ beitragen. Respekt vor so viel Kraft und Kampfgeist und einem solchen Optimismus des Jungunternehmers, der auf seine (Stamm-)Kunden und bestimmt auch auf viele andere Schwerinerinnen und Schweriner auch in der Krise zählen kann. Schauen Sie ruhig einmal vorbei.

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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