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Nach kontroverser Debatte:
Stadtvertretung macht Weg für Migrationsbeirat frei

Der Anteil von Menschen ohne deutschen Pass hat sich seit 2015 in Schwerin verdoppelt. Um diese Menschen einzubinden, wird seit Längerem schon über einen Migrationsbeirat diskutiert.

  • Veröffentlicht Januar 30, 2024

Der Anteil von Menschen ohne deutschen Pass hat sich seit 2015 in Schwerin verdoppelt. Um diese Menschen einzubinden, wird seit Längerem schon über einen Migrationsbeirat diskutiert. Gestern machte die Stadtvertretung den Weg dafür frei. CDU, FDP und AfD kritisierten das Vorhaben. Dabei stieß ihnen vor allem ein Punkt heftig auf.

 

Sitzung Stadtvertretung
Archivbild /Screenshot: Sitzung der Stadtvertretung

 

In Schwerin lebten vor der Wende einmal 130.000 Menschen. Davon kann die Stadt heute nur träumen. In den letzten Jahren hörte man immer wieder, dass es das Ziel sein müsse von der Mittelstadt wieder zu einer Großstadt zu werden. Dieses Ziel wäre erreicht, wenn die Landeshauptstadt wieder 100.000 Einwohner zählen würde. Bei der letzten Kommunalwahl 2019 wurde dieses Ziel von verschiedenen Parteien ausgegeben. Kurz vor Ende der laufenden Periode der Stadtvertretung kratzt Schwerin plötzlich sehr nahe an den magischen 100.000.

Ende September des letzten Jahres waren es nur noch 1.018 Einwohner, die Schwerin von dem Titel Großstadt trennten. Das in den letzten Jahren so viele Neuschweriner nach Schwerin kamen hängt vor allem mit den geflüchteten Menschen zusammen. So kamen vor allem nach 2015 viele Menschen aus Syrien als Flüchtlinge nach Schwerin. Die nächste große Zuzugswelle erlebte die Stadt dann mit dem Angriff Russlands auf die Ukraine im Jahr 2022. Der Anteil der Schweriner ohne deutschen Pass ist inzwischen mit zehn Prozent doppelt so hoch wie vor 2015. Ohne diesen Zuzug würde die Stadt schrumpfen, da es mehr Sterbefälle als Geburten gibt.

Trotzdem gehen die Vorstellungen, wie man diese zehn Prozent der Schwerinerinnen und Schweriner in die Belange der Stadt einbindet bei den Fraktionen in der Schweriner Stadtvertretung weit auseinander. Das zeigte die Debatte um die Erweiterung des Integrationsbeirates, die gestern Abend in der Stadtvertretung stattfand.

Mehr Mitsprache von Menschen ohne deutschen Pass

Die Idee der Einrichtung eines Migrationsbeirates kam im Mai 2022 das erste Mal vom Schweriner Verein „Miteinander-Ma’an.“. In Zusammenarbeit mit der Stadtverwaltung soll er die Informations-, Beratungs- und Kulturarbeit der ausländischen Einwohnerinnen und Einwohner, sowie der Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler fördern. Auf Grundlage einer Satzung, die von der Stadtvertretung der Landeshauptstadt Schwerin zu verabschieden wäre, bekäme ein solcher Beirat das Informations- und Anhörungsrecht zu allen Fragen, die Ausländerinnen und Ausländer sowie die Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler betreffen. Mit beratender Stimme soll er, so der Vorschlag, in Ausschüssen der Stadtvertretung und in den Ortsbeiräten mitarbeiten.

Mit einer Verwaltungsvorlage an die Stadtvertretung wurde Oberbürgermeister Badenschier (SPD) aufgefordert, den schon heute existierenden Integrationsbeirat mit einer entsprechenden Satzungsvorlage weiterzuentwickeln. Migrantische Mitglieder des Integrationsbeirates sollen über die Stadtvertretung bestellt sowie abberufen werden. Die Satzung soll sich dabei an die  Rechte des Kinder- und Jugendrates  orientieren.

„In seiner Besetzung ist der Rat dahingehend weiterzuentwickeln, dass gesichert Sitze für die Beteiligung migrantischer Personen zur Verfügung stehen. Dies ist in der aktuellen Form des Rates nicht der Fall.“

heißt es in der Vorlage der Verwaltung an die Stadtvertretung.

SPD, Linke und Grüne, die sich für so eine Erweiterung der Satzung aussprachen, betonten die Notwendigkeit, Menschen ohne deutschen Pass in Schwerin an Entscheidungen zu beteiligen und ihnen Mitsprecherechte einzuräumen. Das sei ein wichtiger Schritt für die Integration in die Stadtgesellschaft. Darüber hinaus betonten die unterstützenden Fraktionen, dass es schon in mehreren Städten, unter anderem in Rostock, einen Migrationsbeirat gebe und man dort gute Erfahrungen mit so einem Gremien gemacht habe.

Mitwirkungsrechte auch für illegal eingereiste und abgelehnte Migranten

Kritischer sahen gestern allerdings die CDU/FDP-Fraktion und vor allem die AfD-Fraktion die Erweiterung des Integrationsbeirates. Die AfD-Fraktionsvorsitzende, Petra Federau, kritisierte in ihrem Wortbeitrag, dass durch so einen Beirat „Ausländer, also Personen ohne deutsche Staatsbürgerschaft, Einfluss auf unsere inländische Politik nehmen“ würden.

Besonders sauer stößt der AfD auf, so sagte die Stadtvertreterin gestern weiter, dass man ihr auf mehrmaliger Nachfrage hin bestätigt habe, dass auch illegal eingereiste Migranten und Asylbewerber, deren Gesuch rechtskräftig abgelehnt ist, in so einem Gremium mitwirken dürften. „Das ist absolut inakzeptabel!“, so Federau. „Die politische Teilhabe und somit Einflussnahme auf die inländische Politik darf erst am Ende einer gelungenen Integration stehen“, betonte Petra Federau.

Keine Verbesserung der Mitsprache von einzelnen Migranten

Ihr Fraktionskollege, Steffen Beckmann, verwies in seinem Wortbeitrag darauf, dass er in den vorgelegten Plänen der Erweiterung des Integrationsbeirates keine wirkliche Verbesserung der Mitbestimmung des einzelnen Migranten erkennen könne. Vielmehr bestünde die Gefahr, dass sich in diesem Gremium Lobbygruppen zusammenfinden würden, die sich lediglich „anmaßen, für die Migranten in der Stadt zu sprechen.“ Darüber hinaus habe die Bundesregierung inzwischen den Weg frei gemacht, auch schon nach drei bis fünf Jahren die deutsche Staatsbürgerschaft erwerben zu können. Damit hätte jeder Migrant in einem überschaubaren Zeitraum die Möglichkeit, sich in das politische Geschehen der Stadt einzubringen.

Der FDP-Stadtvertreter, Dietmar Tackmann, kritisierte ebenfalls, dass sich auch illegal eingereiste und abgelehnte Migranten sich im Integrationsbeirat engagieren könnten. Im schlimmsten Fall wisse man noch nicht einmal, ob Name und Nationalität überhaupt stimmen, da viele Migranten ohne Papiere einreisen. Das alles trägt laut dem FDP-Stadtvertreter nicht zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit bei.

Die Mehrheit der Stadtvertreter stimmten am Ende der Vorlage der Stadtverwaltung zu und machten damit den Weg für die Einrichtung eines Migrationsbeirates in der Stadt frei. Der Ball liegt nun beim Oberbürgermeister, die entsprechenden Satzungsänderungen auf den Weg zu bringen.

 

 

Written By
Stefan Rochow

ist Journalist, Unternehmer und Gründer von SNO | Schwerin-Lokal. Mail: redaktion@schwerin-lokal.de

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