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WGS muss zahlen! Wiederholt sich Geschichte?

Ist der Beschluss der Stadtvertretung, der Oberbürgermeister möge die kommunale Wohnungsgesellschaft WGS anweisen, sich mit 10.000 Euro an der Stelle der Quartiersmanagerin in der Weststadt zu beteiligen, der Auftakt einer

  • Veröffentlicht Februar 10, 2022
Wenn Geld fehlt, reizt der Griff ins Portemonnaie anderer. | Foto: privat

Eigentlich heißt es ja, „Geschichte wiederholt sich nicht“. Dieses Teil eines Zitates, dessen Herkunft nicht abschließend geklärt ist und irrtümlich Mark Twain zugeschrieben wurde, ist in vielerlei Hinsicht Hoffnung spendend. Denn es gibt so einige geschichtliche Momente, deren Wiederholung sich ein demokratisch denkender und entsprechend lebender Mensch wohl kaum wünschen kann. Aber hier soll es gar nicht um weitreichend linguistische, demokratierechtliche, weltgeschichtliche oder ähnlich große Fragen gehen. Wenngleich der Fokus schon auf ein Thema gerichtet werden soll, dass schnell auch weitreichende Konsequenzen haben kann. Denn ein Blick nach Schwerin lässt zumindest die Befürchtung zu, dass sich Geschichte eben doch wiederholt.

 

Eingriffe in Unternehmenspolitik nicht neu

Derzeit sind hier Impfungen möglich. | Foto: LHS / M. Christen

Blicken wir zurück in die 1990er Jahre, als man durchaus behaupten konnte, dass die Stadt und auch Teile der Kommunalpolitik ihre kommunalen Unternehmen hier und da gern als eine Art „Selbstbedienungsladen“ betrachteten. Speziell die Wohnungsgesellschaft Schwerin (WGS) bekam dies seinerzeit wiederholt schmerzhaft zu spüren. So dürften so einige heute zuständige Personen durchaus die Stirn runzeln, blicken sie auf diverse Immobiliengeschäfte speziell der 1990er Jahre zurück, die das Unternehmen auch mit Beschluss der Stadtvertretung eingehen musste. Auch gehört in diese Reihe die Geschichte um den Finanzdezernenten Harald Scheffler, der 1998 das Unternehmen anwies, im Rahmen der geplanten Sanierung der Sport- und Kongresshalle durch einen Privatinvestor ein Darlehen über mehrere Millionen D-Mark zur Verfügung zu stellen. Versehen mit entsprechendem Druck des damals stellvertretenden Oberbürgermeisters folgte ein entsprechender Barscheck. Und weg war das Geld.

Dies sind nur zwei extreme Fälle, der zurückliegenden Selbstbedienung seitens der Stadt – mit und ohne Mitwirkung der Kommunalpolitik – an einem der kommunalen Unternehmen. So manch weitere, meist kleinere Fälle, in denen Geld auf Weisung der Verwaltung und auch der Stadtvertretung fließen musste, dürfte so mancher aus der damaligen Zeit noch kennen.

 

WGS inzwischen wieder auf Kurs

Nun ist all das mehr oder minder Geschichte. In gewisser Weise, aber noch nicht so ganz. Denn derartige Aktionen hatten auch  nicht unwesentlichen Anteil daran, dass die WGS seinerzeit in eine Schieflage geriet, die bis heute nachwirkt. Inzwischen ist das Unternehmen, vor allem aufgrund eines strikten Sanierungskurses seitens des aktuellen WGS-Geschäftsführers Thomas Köchig, wieder auf Kurs. Wurde es auch nicht laut kommuniziert, so holte man den ausgewiesenen Kenner des Metiers 2014 durchaus als Sanierer. Und Köchig lieferte, das zeigt der heutige Stand der WGS. Die WGS steht stabil. Dennoch muss die auch weiterhin sehr genau geschaut werden, was wo investiert wird und wohin welche Gelder fließen. Denn das Unternehmen befindet sich weiterhin auf einem Konsolidierungs- und vor allem Stabilisierungskurs, den nicht zuletzt auch die Banken natürlich sehr genau beobachten.

 

Geschichte scheint sich doch zu wiederholen

Da spielen Vertrauen und Zuverlässigkeit in die Handlungen aller Beteiligten natürlich eine wesentliche Rolle. Und eigentlich auch der zumindest bei vielen Mitgliedern der Stadtvertretung und auch in der Verwaltung seinerzeit gewachsene Vorsatz, eben nicht mehr von außen in die Kassen der Unternehmen zu greifen, um Finanzprobleme der Stadt zu lösen. Darauf sollten sich die kommunalen Unternehmen in Schwerin eigentlich verlassen können. Allerdings scheint die Zeit nicht nur viele Wunden zu heilen, sondern bei „alten Hasen“ der Kommunalpolitik ein wenig die Erinnerungen verdrängt zu haben. Und bei den „Neuen“ scheint der Gedanke, dass man sich nicht einfach an den Wirtschaftsgeldern der kommunalen Unternehmen bedient, nicht mehr so stark ausgeprägt zu sein. Geschichte wiederholt sich eben doch.

 

Stadtvertretung beschließt Griff ins Portemonnaie der WGS

Auch die Grundschule John Brinckmann befindet sich in der Weststadt. | Foto: ZGM

Anders zumindest lässt es sich nicht erklären, wie entspannt die Mehrheit der Mitglieder der Stadtvertretung auf der letzten Sitzung in den Haushalt der WGS griff. Um dort per Beschluss 10.000 Euro zur Mitfinanzierung der Stelle der Quartiersmanagerin in der Weststadt herauszunehmen. Genauer gesagt muss, auf Antrag des Ortsbeirates „Weststadt“, der Oberbürgermeister die WGS nun anweisen, „sich mit 10.000 € an der Weiterentwicklung des Quartiersmanagements der Weststadt für das Jahr 2022 zu beteiligen.“ Ein Antrag, den die Verwaltung in ihrer Stellungnahme sichtlich begrüßte. Schließlich verfüge die WGS im Bereich der Weststadt über 1.063 Wohnungen mit geringem Leerstand und geringer Fluktuation.

Nur weil das Unternehmen dort stabil vermietete Wohnungen hat, soll es demnach also Geld in ein einzelnes im Stadtteil laufendes Projekt stecken. Der Umkehrschluss legt ja nahe, dass speziell dieses Projekt die Stabilität der Mieterstruktur zumindest wesentlich beeinflusst. Negiert man dabei nicht, dass es sich hier um oftmals sogar über Jahrzehnte gewachsene Strukturen innerhalb des Stadtteils handelt? Die Bewohnerstruktur belegt dies. Und ignoriert man auch, dass – ganz nebenbei erwähnt – die eigene Wohnungsgesellschaft dort durchaus attraktive Wohnungen zu attraktiven Konditionen und eine im Vergleich zu privaten Vermietern sehr mieternahe Betreuung bietet?

Weshalb wurden nicht weitere Unternehmen gefragt?

Nun soll hier keinesfalls die Arbeit der Quartiersmanagerin geschmälert werden. Deren Engagement steht außer Frage und findet vollkommen zu Recht von verschiedener Seite Würdigung. Aber aus dieser Arbeit dieser einen Person nun einen Zusammenhang zu einer stabilen Mieterschaft in über 1.000 Wohnungen abzuleiten, das zeugt zumindest von Kreativität. Weshalb, diese Frage stellt sich vor dem Hintergrund der Argumentation, wurden nicht auch die Stadtwerke angewiesen, sich zu beteiligen? Schließlich profitieren sie mit ihren individuellen Versorgungsverträgen ebenso davon, dass dort nahezu alle Wohnungen vermietet sind. Oder der Nahverkehr, der gerade in die und aus der Weststadt viele Fahrgäste transportiert. Stadtsprecherin Michaela Christen erklärte dazu, man habe die Stadtwerke nicht gefragt.

 

„Kreative“ Begründungen werfen Fragen auf

Dr. Rico Badenschier, Oberbürgermeister Schwerin. | Foto: Timm-Allrich

Interessant liest sich eine Stellungnahme von Oberbürgermeister Rico Badenschier zu dem Beschluss: „Auch die beiden anderen großen Wohnungsgesellschaften, die in der Weststadt zahlreiche Mieterinnen und Mieter betreuen, halten eine anteilige Beteiligung am Quartiersmanagement für sinnvoll, weil es dabei um Mieterbindung und eine hohe Wohnqualität geht. Das unterstreicht, dass es hier um ein ureigenes Anliegen gemeinwohlorientierter Wohnungsgesellschaften, also auch unserer WGS, geht“, so der Verwaltungschef. Weil zwei es machen – von denen eine, nämlich die SWG, zumindest privilegiert von der Stelle profitiert – muss es also der Dritte auch machen? Egal, wie man dort fachlich die Situation bewertet?

Geht es nicht vielmehr darum, den Willen, diese Stelle zu erhalten, mit allen Mitteln umzusetzen? Im Zweifel eben auch zu Lasten eines städtischen Unternehmens? Muss man nicht durchaus die Frage stellen, wieso erst vergleichbar kurzfristig – konkret Ende letzten Jahres – über die Finanzierung einer der Stadtverwaltung und offenbar auch der Kommunalpolitik so wichtigen Stelle gesprochen wurde? Dass eine Finanzierungslücke entstehen würde, war schon lange klar. Keine Frage, es gab Überlegungen, geeignet erscheinende Fördertöpfe zu nutzen. Diese aber ließen sich nicht umsetzen. Aber wenn die Stelle so wichtig ist, weshalb kommt das Geld dann nicht aus dem Stadthaushalt? Spricht doch die Verwaltung selbst in ihrer Stellungnahme von einer eigentlich freiwilligen städtischen Leistung. Beträge in der hier zur Debatte stehenden Größenordnung haben sich nahezu immer finden lassen, wenn es der Politik und der entsprechenden Verwaltungsebene wichtig war.

 

WGS hatte scheinbar andere Sicht

Thomas Köchig, Geschäftsführer WGS | Foto: Christian Möller / MOEgrafie

Ob einer dieser Gedanken auch WGS-Geschäftsführer Thomas Köchig bewegte, lässt sich nicht sagen. Aber scheinbar hatte dieser im Vorfeld die entsprechende Anfrage seitens der Stadt auf „freiwillige Herausgabe“ des Betrags zumindest nicht befürwortet. Zwar bestätigte eine Sprecherin der Wohnungsgesellschaft auf Anfrage ein solches Gespräch nicht. Und auch die Stadt bat um Verständnis, dass man „über zeitliche und inhaltliche Abläufe interner Gespräche zwischen der Gesellschafterin und der WGS-Geschäftsführung keine Auskunft“ gäbe. Aus dieser Antwort, wie auch aus anderen Indizien, lässt sich zumindest ableiten, dass es dieses Gespräch gab. Im Anschluss daran entstand dann der Antrag des Ortsbeirats, der dabei direkt den Weg der Anweisung zur Zahlung wählt – und damit einen Griff in den laufenden Haushalt der städtischen Wohnungsgesellschaft.

Für die Verwaltungsspitze scheint dieser Weg zumindest kein wirtschaftliches Problem darzustellen. Schließlich sei „der hier genannte Einmalaufwand i.H.v. 10.000 Euro für die Sicherstellung des Quartiersmanagements […] aus finanzieller und betriebswirtschaftlicher Sicht hinnehmbar“, heißt es in der Stellungnahme zum Antrag. Wenn dieser Satz aus der Feder des Geschäftsführers der WGS stammen würde, dann wäre er absolut beim richtigen Absender. Aber man kann schon eine gewisse Sportlichkeit bestätigen, von außen – wenn auch in der Funktion des Hauptgesellschafters – so etwas „order di mufti“ festzulegen. Denn hinzu kommt ja, dass das Geld nun sicherlich aus dem laufenden Haushalt des Unternehmens abgezweigt werden muss. Geld also, das längst anderweitig verplant wäre.

 

Verwaltung bezeichnet Beschlussinhalt als „nicht hinnehmbar“

Interessant allerdings liest sich noch ein anderer Satz in der Verwaltungs-Stellungnahme, von dem in den Äußerungen des Oberbürgermeisters schon während der Debatte keine Rede war. Im Gegenteil, es war vielmehr unausweichlich zu spüren, dass er inhaltlich klar hinter dem Antrag des Ortsbeirates stand. Dabei weist die Verwaltung aus Badenschiers Haus genau genommen darauf hin, dass der getroffene Beschluss, alles andere als gut und richtig ist. So heißt es nämlich in der Stellungnahme ganz eindeutig, dass im konkreten Fall durch die WGS eine freiwillige, rein städtische Leistung finanziert werden soll. Dann wird die Stellungnahme sehr deutlich.

So sei „eine Finanzierung durch städtische Gesellschaften für im Haushalt als freiwillig zu qualifizierende Aufgaben, dann nicht hinnehmbar, wenn dies mittels einer Gesellschafterweisung erfolgen soll“. Genau diese Situation lag im konkreten Fall vor. Außerdem „sollte grundsätzlich die Position der Geschäftsführung und ggf. des Aufsichtsrates berücksichtigt werden. Nur so kann dauerhaft die Leistungsfähigkeit der städtischen Gesellschaften gewährleistet werden.“ Der getroffene Beschluss ist somit – nach Argumentation der Verwaltung, deren Chef der Oberbürgermeister ist, also „nicht hinnehmbar“. Da stellt sich sogar die Frage, ob sich hinter dieser Formulierung nicht der eigentliche Hinweis verbirgt, er sei nicht rechtens. Weshalb die Verwaltung daher nicht „Ablehnung“ empfahl, und weshalb nirgends in den Unterlagen und auch nicht während der Sitzung die „grundsätzlich zu berücksichtigende Position der Geschäftsführung“ dargestellt wurde, bleibt offen.

 

Start der Selbstbedienungs-Mentalität?

Manchem mag diese Diskussion auf den ersten Blick kleinlich erscheinen. 10.000 Euro sind gerade in der heutigen Zeit „kein Geld“. Für die WGS schon gar nicht. Und weshalb soll die Verwaltung nicht einen Antrag, den sie durchaus positiv begleitet, im selben Atemzug als „nicht hinnehmbar“ bezeichnen? Auch mag mancher meinen, bei einem kommunalen Unternehmen könne sich die Stadt doch ohnehin bedienen, wie sie wolle. Das aber ist alles nicht korrekt. Es ist vielmehr der Rückfall in eine Zeit der kommunalpolitisch gestützten Selbstbedienungs-Mentalität. Dies muss allen Beteiligten klar sein. Für die kommunalen Unternehmen bedeutet dies letztlich nicht weniger, als finanzplanerische und auch strategische Unsicherheit.

Eine Situation, die Innovation und Investitionen bremst und auch auf Dritte keinen vertrauensvollen Eindruck erweckt. Denn den kommunalen Unternehmen bleibt bei entsprechenden Gesellschafterbeschlüssen in der Regel nur, entsprechend zu handeln, soll es nicht krachen. So wie es nach Angaben der WGS-Sprecherin auch Thomas Köchig tun wird. Er will abwarten, bis der Beschluss offiziell vorliegt, und diesen dann weisungsentsprechend umsetzen.

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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