Sa, 8. Februar 2025
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Boxhandschuhe an den Nagel:
Mit 28 Jahren in die Boxer-Rente

Der Ukrainer Yaroslav Samofalov hat seine aktive Laufbahn beendet. Der BC Traktor Schwerin will seinen langjährigen Bundesliga-Boxer jetzt offiziell aus dem Ring verabschieden.

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  • Veröffentlicht Mai 2, 2024
Yaroslav Samo­falov wird am Sam­stag in die Box­er­rente ver­ab­schiedet. Foto: Diet­mar Albrecht

Zum Abschluss ein­er Sai­son wer­den üblicher­weise ver­di­ente Mitar­beit­er ver­ab­schiedet. Auch die Bun­desli­ga-Box­er des BC Trak­tor Schw­erin wer­den beim Meis­ter­schafts­fi­nale am 4. Mai ab 19 Uhr in der Schw­er­iner Käst­ner-Halle in der Ham­burg­er Allee vor dem entschei­den­den Kampf gegen den MBR Hamm einige Aktive in die sportliche Rente ver­ab­schieden. Ein­er davon soll Yaroslav Samo­falov sein.

Es ist Sonnabend, der 2. Dezem­ber 2023. Bei der deutschen Box-Meis­ter­schaft in der Schw­er­iner Palm­berg-Are­na ertönt der let­zte Gong im Finale des Wel­tergewichts. Yaroslav Samo­falov wird zum Sieger in diesem Ver­gle­ich mit dem Gifhorner Nick Bier erk­lärt. Der 69-Kilo-Mann aus Schw­erin ist damit zum drit­ten Mal in Folge deutsch­er Meis­ter in dieser Gewicht­sklasse – und ab diesem Moment Box-Rent­ner.

Keine Aussicht auf Olympische Spiele


“Ich hat­te die Hoff­nung, bei den Olymp­is­chen Spie­len im Som­mer ‘24 in Paris antreten zu kön­nen”, begin­nt “Yaro” seine Erk­lärung für den Rück­tritt vom aktiv­en Sport, den er mit nur 28 Jahren und damit eigentlich im besten Box­er-Alter beschlossen hat. “Aber weil ich in Deutsch­land lebe, habe ich keine Chance auf einen Start­platz für meine ukrainis­che Heimat. Und als Ukrain­er darf ich nicht für Deutsch­land starten. Ohne Aus­sicht auf inter­na­tionale Turniere fehlte mir die Moti­va­tion.” Auch einige Ange­bote aus dem Pro­fi­lager kon­nten den Box­er nicht überzeu­gen, weit­er­hin seinen Sport zu betreiben. 

Der inzwis­chen 29-Jährige lebt seit Anfang 2022 in Schw­erin. Als Rus­s­land sein Heimat­land angriff, war er ger­ade mit der National­mannschaft bei einem Turnier in Sofia. Seine Heimat­stadt Sumy im Nor­dosten der Ukraine gehörte zu den ersten, die von den Russen ein­genom­men wur­den. Der Deutsche Boxs­port-Ver­band bot in Zusam­me­nar­beit mit den Bun­des­be­hör­den und dem Deutschen Olymp­is­chen Sport­bund (DOSB) Unter­stützung für die Sportler an, die nicht in ein Kriegs­ge­bi­et zurück­kehren kon­nten oder woll­ten.

Schnell Publikumsliebling beim BC Traktor

Samo­falov kam bei Paul Döring unter. Den Sport­di­rek­tor des BC Trak­tor kan­nte der Wel­tergewichtler von einem Gast­spiel aus 2019, als er bere­its für die Schw­er­iner Bun­desli­gastaffel in den Ring gestiegen war. “Paul, der Vere­ins-Vor­sitzende Frank Klein­sorg und der Beiratsvor­sitzende Jens Hadler sind schon bald für mich eine Art Fam­i­lie gewor­den”, erin­nert sich Samo­falov an die ersten Monate nach sein­er Flucht.

Anfangs lebte er noch im Haushalt von Paul Döring, bald kon­nte Fre­undin Ale­na nachkom­men, eine Woh­nung im Zen­trum Schw­erins war auch gefun­den. Der aus­ge­bildete Sportlehrer startete in der Bun­desli­ga-Staffel des BC Trak­tor, wurde dort schnell zum Pub­likum­sliebling und brachte sich auch in die Train­ingsar­beit des Box­clubs ein. Er wurde zum Inte­gra­tions-Coach, der sich um viele Jugendliche und Kinder küm­mert, die bei Trak­tor ihre ersten sportlichen Schritte gehen. “Wir ver­ständi­gen uns auf ver­schiede­nen Wegen”, schildert der Ukrain­er die Arbeit. “Die Kinder kom­men aus alles Teilen der ehe­ma­li­gen Sow­je­tu­nion, aber auch aus Asien oder Afri­ka. Häu­fig kön­nen wir deutsch, rus­sisch oder ukrainisch miteinan­der reden. Manch­mal geht es aber auch mit Hän­den und Füßen”, fügt er mit einem Schmun­zeln hinzu.

Nicht jeder kann Champion werden, aber ein guter Mensch

Die Kinder sollen sich in erster Lin­ie entwick­eln, nicht nur sportlich, son­dern vor allem men­schlich. “Nicht jedes Kind kann ein Cham­pi­on wer­den, aber ein guter Men­sch”, ist die Devise des Sportlehrers. “Man muss viel machen für den Erfolg – egal, ob im Sport oder in anderen Bere­ichen des Lebens.” Neben Koor­di­na­tion und Ath­letik sind deswe­gen auch Konzen­tra­tion, Diszi­plin und Höflichkeit Schw­er­punk­te sein­er Arbeit.

Auf lange Sicht ist die beru­fliche Sit­u­a­tion aber nicht befriedi­gend für den Box­er. Er ist auf der Suche nach ein­er Anstel­lung als Lehrer, seine ukrainis­chen Abschlüsse sind inzwis­chen alle in Deutsch­land anerkan­nt. “Ich habe Bewer­bun­gen los­geschickt, aber noch keine Antwort. Am lieb­sten wäre mir natür­lich eine Arbeit in Schw­erin, aber ich würde auch eine Stelle annehmen, die etwas ent­fer­nt ist – wenn ich den Weg täglich machen kann.”

Im Sommer steht Heirat vor der Tür

Schw­erin möchte er näm­lich nicht ver­lassen. Schließlich ist inzwis­chen auch sein Vater hier, der auch aus der Ferne stets die box­erische Lauf­bahn seines Sohnes ver­fol­gt hat. Und vor allem soll aus Lebens­ge­fährtin Ale­na, die seit neun Jahren an sein­er Seite ste­ht, im Som­mer auch endlich Frau Somafalo­va wer­den. Den Antrag hat sie angenom­men, jet­zt wird inten­siv nach einem passenden Ter­min und ein­er genau­so passenden Feier­möglichkeit gesucht.


Es gibt nur noch eines, was die Fam­i­lien­pla­nung verzögern kön­nte: die Chance auf eine Olympia-Teil­nahme. “Die näch­sten Spiele sind 2028, dann bin ich 33. Das ist ein gutes Alter”, denkt Samo­falov laut nach. Vielle­icht darf er dann für die Ukraine in Los Ange­les antreten. Oder er bekommt über eine dop­pelte Staats­bürg­er­schaft – den ukrainis­chen Pass will er auf keinen Fall abgeben, kann sich aber dur­chaus auch vorstellen, Deutsch­er zu wer­den – eine Start­möglichkeit. “Dann würde ich noch ein­mal in den Ring zurück­kehren. Aber nur dann”, ste­ht für Yaroslav Samo­falov fest.

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