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Ein Croissant zum Frühstück?

Endlich Wochenende. Zeit für sich selbst, Zeit für die Familie. Das galt früher einmal bei vielen sowohl für Samstag als auch Sonntag. In der schnelllebigen, von Arbeit geprägten Zeit sieht

  • Veröffentlicht Januar 29, 2022
Ein echtes Handwerksprodukt von Bäckerei Zander bei Baker’s Kitchen in Schwerin: Das Croissant | Foto: schwerin-lokal

Endlich Wochenende. Zeit für sich selbst, Zeit für die Familie. Das galt früher einmal bei vielen sowohl für Samstag als auch Sonntag. In der schnelllebigen, von Arbeit geprägten Zeit sieht die heutige Realität ein wenig anders aus. Oftmals ist der Samstag zumindest noch bis in den Nachmittag hinein eher hektisch. Aufräumen, Saubermachen, Einkauf – die Aufgaben sind vielfältig. Nicht überall ist da schon in den Morgenstunden Zeit für ein ruhiges, ausgiebiges Genießer-Frühstück. Spätestens am Sonntagmorgen aber klappt es bei den meisten. Da dürfen dann auch möglichst frische Bäcker-Brötchen nicht fehlen. Und auf vielen Frühstückstischen findet sich inzwischen auch das Croissant wieder. Ein Gebäck, das am morgigen Sonntag seinen eigenen Ehrentag hat: Den „Tag des Croissants“. Ein ganz besonderes Gebäck – sowohl in seiner Geschichte, die mit einer Legende verbunden ist, als auch mit Blick auf die Besonderheiten der Herstellung. Und die Art des Essens.

Croissants sind vielerorts Teil des gemütlichen Frühstücks

Denn häufig setzen gerade wir Deutschen gern – wie beim Brötchen – das Messer an, und versuchen, es durch das luftige, von feinen Teigschichten durchzogene Gebäck zu ziehen. Um dann auf die beiden Hälften Butter und Marmelade zu schmieren. Tatsächlich ist dies ein typisch deutsches Phänomen – das oft zu einem kleinen Croissant-Massaker auf dem Teller führt. Besser, so weiß Anne Zander, Betreiberin der gleichnamigen Bäckerei mit einer Filiale in der Weststadt und zweier Baker’s Kitchen-Filialen – am Schelfmarkt sowie in der Schloßstraße – lässt sich das Croissant essen, wenn man das Messer ganz weg lässt, die frische Backware in Marmelade stippt und dann abbeißt. „Butter braucht man dabei eigentlich nicht“, so Anne Zander. Denn wer das Corissant kennt und liebt weiß, dass es an sich schon recht fettig ist.

 

Eine kleine Sünde – vor allem aber ein echter Genuss

Der Grund dafür liegt natürlich in den Zutaten. Denn eine sehr dominante dabei ist Butter. Zuerst wird der Teig ausgerollt und mehrfach umgeklappt – gefaltet. Dazwischen kommt dann: Butter. Beim späteren Backvorgang im Ofen tritt das Wasser aus dem Fett aus, die Falten schieben sich auf und die beliebte Blätterung entsteht. Ein Prozess, den die großen Industriebäckereien natürlich längst automatisiert haben und komplett maschinell umsetzen. Heraus kommt dabei dort ein uniformes Massenprodukt – sicherlich mit Geschmack, aber ohne Herz. Ein Croissant sieht dabei wie das andere aus.

Anders ist es dort, wo das Croissant noch ein echtes Handwerksprodukt ist. In den wenigen verbliebenen echten Bäckereien, wie eben der Bäckerei Zander – deren Produkte es auch bei Baker’s Kitchen gibt – in denen noch vor Ort Brot, Brötchen, Kuchen, Torten und eben auch Croissants entstehen. „Wir sprechen hier von echter Handwerksarbeit. Da sieht natürlich nicht jedes Croissant aus, als käme es aus ein und derselben Form. Jedes für sich ist ein Unikat. Die Stimmung der Bäckerin oder des Bäckers, die Luftfeuchtigkeit und verschiedenste andere Einflüsse spielen mit hinein. Darauf, dass jedes Croissant letztlich ein Qualitätsprodukt ist, können die Kunden aber immer zählen“, unterstreicht Anne Zander.

 

Ein handwerkliches Unikat mit Herz

Lisa und Anne Zander | Foto: schwerin-lokal

Ein handwerkliches Unikat mit Herz also, das eine Art uniformen „Gegenspieler“ aus der Industrie hat. Wir wollten es genauer wissen, was da in der Bäckerbranche passiert, und fragten bei Anne Zander genauer nach. Okay, Backfactory, Backwerk, und diverse Hersteller und Lieferanten von Aufbackware, die sich inzwischen leider auch in vielen Gastronomien und Hotels wiederfindet, kennen wir alle. Diese Massenware wird dabei derzeit eher dominanter. Auf der anderen Seite sind, schaut man genau hin, die wirklich handwerklich arbeitenden Bäckereien deutlich weniger geworden. „In Schwerin sind es noch konkret fünf, die hier vor Ort auch produzieren und die entsprechend echte Handwerks-Backwaren anbieten“, weiß Anne Zander zu berichten. Rothe, Kopf, Schulz, Berner und eben Zander. Und letztlich auch Baker’s Kitchen, denn dort kommt ausnahmslos jedes Teigprodukt aus Zanders Backstube.

In den Filialen dieser Bäckereien gibt es noch tatsächlich handwerklich in Schwerin produzierte Ware. „Und in einigen wenigen Gastronomien und Hotels, sowie hier und da bei einigen anderen Dienstleistern, die von uns oder unseren Handwerkskolleginnen und -kollegen vor Ort beliefert werden.“ Anne Zander macht keinen Hehl daraus, dass sie sich freuen würde, es wären mehr. „Denn letztlich sind viele der Industrieprodukte nicht wirklich preiswerter. Der reine Einzeleinkaufspreis mag ohne Frage niedriger sein. Aber hinzu kommen dann die Kosten für Lagerung, Kühlung und Aufbacken. Das alles zusammengerechnet, sieht dann oftmals schon ganz anders aus.“

 

Nachhaltigkeit und Ökobilanz im Blick behalten

Neben diesen Gedanken von Anne Zander ließen sich auch die Nachhaltigkeit und Umweltfragen erwähnen – aktuell ja von vielen teilweise lautstark eingefordert und hoch im Trend – die es beim Kauf der Industrieprodukte zu berücksichtigen gilt. Denn der Weg des Croissants aus der Bäckerei vor Ort auf den heimischen Tisch – oder auch auf den von Gastronomie und Hotellerie – ist faktisch CO2-neutral möglich. Anders sieht es mit der Industrieware aus. Sie muss von irgendwo in Deutschland erst einmal zum (Groß-)Handel und von dort zum Konsumenten. Dort wird sie dann häufig noch tiefgekühlt. Eine alles andere als dem Trend entsprechende Ökobilanz.

Und auch der Gedanke eines Miteinanders vor Ort kann und sollte eine Rolle spielen. Ein Blick auf die Karte von „Baker’s Kitchen“ zumindest zeigt, dass man dort den Regionalgedanken durchaus lebt. Wurst- und Fleischprodukte von Fleischerei Lange, Käse aus dem Käseladen Mühlenberg und Honig, der auch perfekt zum Croissant passt, aus der Imkerei Lenuweit. Und natürlich sämtliche Backwaren aus der Backstube der Bäckerei Zander. Sicherlich gibt es noch ausreichend Potenziale in und um Schwerin, um auf ähnliche Weise auch mehr frische, handwerkliche Backwaren „von vor Ort“ auf viele Tische zu bekommen.

 

Sind handwerklich hergestellte Croissants existenzgefährdet?

Ist das Bäckereihandwerk nebst seiner Produkte gefährdet? | Foto: Thorsten Frenzel

Backwaren wie eben die wundervollen Croissants. Dass wir dieses Gebäck, dessen Ursprung viele in Frankreich sehen, der sich aber doch eher in Österreich befunden haben dürfte, noch als echtes Handwerksprodukt genießen können, ist nicht selbstverständlich. „Und ich kann nur hoffen, dass diese Zeit nicht in absehbarer Zukunft ganz endet“, so Anne Zander. Denn, wie gesagt, die uniformen Industrie-Backwaren sind auf dem Vormarsch. Eine Entwicklung, mit der natürlich auch Anne Zander und ihre Kolleginnen und Kollegen in Schwerin konfrontiert sind. „Ich möchte die Industrie-Bäcker gar nicht schlecht reden. Sie bedienen einen vorhandenen Markt und tragen letztlich nicht primär die Verantwortung für das Bäckerei-Sterben in ganz Deutschland.“ Vielmehr seien es eher ganz andere externe Faktoren, die zu dieser Situation geführt haben und diese weiter verschärfen dürften.

„Dabei sind die Preisentwicklungen beim Material, die gerade aktuell schon heftig genug sind, noch nicht einmal das größte Problem“, so Anne Zander. Sind wir beim Preis, dann ist es derzeit vielmehr die explosionsartige Verteuerung von Energie. „Ohne Energie ist Backhandwerk natürlich unmöglich. Hier gibt es auch nur wenig bis gar keine Sparpotenziale. Wir bekommen jeden Cent, um den Strom und Gas teurer werden, direkt schmerzhaft zu spüren.“ Ein anderer Punkt ist die Lohnentwicklung.

„Ich gönne jedem auskömmliche Einkünfte. Und die sollen und müssen unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch ohne Frage bekommen. Sie leisten großartige Arbeit und diese gilt es natürlich auch entsprechend zu entlohnen. Aber ich habe manchmal den Eindruck, manche vergessen, dass mit jeder Lohnerhöhung – und das gilt ganz klar auch für den Mindestlohn – sofort auch eine Erhöhung der Sozialversicherungsbeiträge verbunden ist.“

Preisspirale und fehlendes Personal gefährden echtes Backhandwerk

Und Anne Zander sieht noch ein anderes Problem. Denn bevor die Lohnfrage steht, muss erst einmal Personal da sein. Und eben dieses Personalproblem trifft das Bäckerhandwerk extrem. „Die Ausbildung zum Bäcker ist toll, aber auch hart. Und natürlich verdient man während dieser Phase nicht gleich das große Geld. Da gibt es nicht wenige, die gehen lieber gleich als ungelernte Kräfte in den Einzelhandel und bekommen dort sofort deutlich mehr. Demnächst mindestens 12 Euro die Stunde.“

Zudem gibt es auch noch ein gesellschaftliches Problem, dass die Personalsituation alles andere als positiv befördert. „Unserem Handwerk fehlt zunehmend die Anerkennung. Wenn man sagt, man ist Bäcker, oder sogar Bäcker-Meister, dann passiert es häufig, dass Ihr Gegenüber Ihnen deutlich zu verstehen gibt, zu mehr habe es wohl nicht gereicht.“ Es sei nicht erst einmal vorgekommen, dass Menschen Anne Zander erstaunt angeschaut haben, als sie hörten, sie hätte eine Bäckerei. „Was haben die sich denn vorgestellt, wie man da aussieht?“ In „so einen Bereich“ – so klingt es häufig abfällig durch – wollen viele Eltern, die oftmals für ihre Jüngsten ohnehin das Studium einplanen, ihre Kinder beruflich nicht schicken. Ein gewaltiger Fehler, denn im Bäckerhandwerk liegt gerade für kreative und begabte Jugendliche eine spannende Zukunft.

 

Das Überleben der Handwerks-Croissants liegt in unserer Hand

Der gläserne Tresenbereich im „Baker’s Kitchen“ | Foto: schwerin-lokal

Kein Personal und steigende Herstellungskosten – die Löhne eingeschlossen – das führt letztlich zwangsläufig einerseits zu einem Bäckereisterben und andererseits zu höheren Verkaufspreisen, als sie die uniforme Back-Industrie verlangt, die überwiegend Maschinen einsetzt und teilweise die Produktion schon ins Ausland verlagert, um zusätzlich noch Lohnkosten zu sparen. Da ist es nachvollziehbar, dass das Croissant, das sich heute oder morgen auf unserem Frühstückstisch befindet, eben etwas teurer ist, wenn es handwerklich und mit Herz hergestellt ist. Ein wenig liegt es in unser aller Hand, ob also das Croissant mit Herz – dass es bei Baker’s Kitchen und bei Zander in der Weststadt übrigens auch als herzhaftes Laugenspitz aus Croissantteig gibt – in Zukunft noch geben wird. Oder ob der „Tag des Croissants“ eines Tages zu einem reinen Feiertag der maschinellen Backwaren-Industrie wird.

 

 

Hintergrund: Zur Herkunft des Croissants

Wie bereits angedeutet, ist die Geschichte des Croissants, mit einer Legende verbunden. Diese besagt, dass der Ursprung unseres heutigen Croissants im Österreich des Jahres 1683 liegt. So sollen Bäcker, die in Wien gerade bei der Arbeit waren, nachts ein Hämmern und Klopfen vernommen haben. Die Türken sollen nämlich gerade dabei gewesen sein, einen Tunnel unter der Stadtmauer zu graben, um Wien zu erobern. Die aufmerksamen Bäcker schlugen Alarm und so gelang es, den Feind zu vertreiben. Als Zeichen des Sieges formten die Bäcker der Stadt auf Wunsch von König Jean III Sobiesky ein Gebäck in Sichelform – das Hörnchen. Dieses spielte bewusst auf den Halbmond an, der die türkische Flagge ziert. Dank der späteren Heirat zwischen der österreichischen Prinzessin Marie Antoinette mit Luis XVI kam das Gebäck 1770 dann nach Frankreich.

 

Ursprung dürfte Österreich sein

Eine durchaus nett klingende Geschichte. Die allerdings wohl wahrscheinlichere Variante führt allerdings ebenfalls zuerst nach Österreich. Denn Dort gab es bereits um 1400 herum ein mondsichelförmiges Gebäck, das aus einem kompakten, briocheähnlichen Teig bestand. Etwa zeitgleich konnte dann im 19. Jahrhundert zeitgleich in Wien wie auch in Frankreich eine Entwicklung der Kultur der Süßgebäcke beobachtet werden. In Paris entstanden dabei die Pâtisserien. In einer von ihnen soll letztlich das Croissant geboren worden sein. Das damals neue Gebäck war dabei ein wenig knuspriger und vor allem luftiger als der österreichische Kipfel. Aufgrund seiner Halbmondform hieß er Croissant (Croissant de Lune = Halbmond). So, wie wir heute das Croissant kennen, trat es aber erst um 1900 in Erscheinung. Das erste bekannte Croissant-Rezept, das nach Blätterteigtechnik auf Hefeteigbasis entstand, ist aus dem Jahr 1915 bekannt.

Einen besonderen Schwung bekam das Croissant in Deutschland, als das „schnelle Frühstück“ in Mode kam. Kaffee to go und dazu ein Croissant – das war vielerorts eine beliebte Kombination auf Bahnhöfen, an U- und S-Bahn-Stationen oder natürlich auch in Bäckereien. Parallel dazu eroberte es auch den Frühstückstisch der Deutschen, von dem es bei vielen heute nicht mehr wegzudenken ist.

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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