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Ernüchternde Bilanz am Internationalen Frauentag

Aus Anlass des heutigen Internationalen Frauentages wirft das Eine-Welt-Netzwerk Mecklenburg-Vorpommern einen Blick auf die weltweite Situation von Frauen. So muss sich eine 22-jährige Künstlerin aus Kabul wieder verstecken, täglich leisten

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  • Veröffentlicht März 8, 2022
Qua­si­mi mit einem ihrer Werke an ein­er Wand der Kab­uler Sayyi­dal-Shuha­da-Schule | Foto: M.-Aman-Anosh

„Wir feiern in Meck­len­burg-Vor­pom­mern heute den Frauen­tag – ab dem kom­menden Jahr sog­ar als geset­zlichen Feiertag. Als Lan­desnet­zw­erk begrüßen wir das“, sagt Andrea Krön­ert, Geschäfts­führerin des Eine-Welt-Lan­desnet­zw­erks Meck­len­burg-Vor­pom­mern, aus Anlass des heuti­gen Inter­na­tionalen Frauen­t­ages. Hin­ter­grund der Feiertags-Freude ist die Vere­in­barung von SPD und Die Linke im gemein­samen Koali­tionsver­trag, den Frauen­tag zu einem bun­des­land-weit­en Feiertag zu machen. Auf höch­ster Pri­or­itätsstufe stand dieses Vorhaben allerd­ings nicht. Denn prob­lem­los hätte die Koali­tion­s­mehrheit dieses Ziel schon für dieses Jahr real­isieren kön­nen. Aber heute ist noch ein ganz nor­maler Arbeit­stag. Im Dezem­ber hat­te die Frak­tionsvor­sitzende der Linken, Jean­nine Rösler, angekündigt, ab 2023 sei es dann soweit.

 

Täglich 12,5 Milliarden unbezahlter Arbeitsstunden

Um so wichtiger ist es, auch heute auf die Sit­u­a­tion der Frauen in aller Welt zu blick­en. Dies tut das Eine-Welt-Lan­desnet­zw­erk MV daher auch. So leis­ten Frauen laut ein­er Oxfam-Studie von 2020 weltweit 12,5 Mil­liar­den unbezahlter Arbeitsstun­den Arbeit – täglich. „Würde man ihnen auch nur einen Min­dest­lohn für diese Arbeit zahlen, wären das umgerech­net über 11.000.000.000.000 (11 Bil­lio­nen) US-Dol­lar pro Jahr”, so Oxfam Deutsch­land. Sie ver­di­enen zudem nur 63 Prozent des Gehalts von Män­nern, sind sel­tener erwerb­stätig, leben häu­figer in extremer Armut und sind häu­figer von Gewalt bedro­ht. Und Frauen sind sel­tener in Macht- und Entschei­dungspo­si­tio­nen vertreten als Män­ner. Eine Studie der Organ­i­sa­tion Equal Mea­sures 2030 zeigte auf, dass 80 Prozent der Frauen 2019 in ein einem Land lebten, in dem die Geschlechterg­erechtigkeit in einem schlecht­en oder sog­ar sehr schlecht­en Zus­tand ist.

 

22-jährige Künstlerin muss sich wieder verstecken

Eine der vie­len Mil­lio­nen Frauen weltweit, die unter der Ungle­ich­heit lei­den, ist die 22-jährige Kün­st­lerin Hafiza Qua­si­mi aus Kab­ul. Seit der Machtüber­nahme der Tal­iban im Som­mer 2021 hat sich ihre Arbeits- und Lebenssi­t­u­a­tion radikal ver­schlechtert. Die Tal­iban zer­störten viele ihrer Bilder, die sie in ihrer Galerie in Kab­ul aus­gestellt hat­te. Denn sie zeigten Frauen in Frei­heit, in Selb­st­bes­tim­mung und mit poli­tis­chem Aus­druck. Hafiza Qua­si­mi ver­suchte erfol­g­los Afghanistan zu ver­lassen. Zur Zeit lebt sie ver­steckt. Aber sie arbeit­et weit­er. „Die Tal­iban unter­drück­en die Frauen. Ich kann nicht akzep­tieren, dass sie unsere Träume unter­drück­en“, so Hafiza Qua­si­mi.

Zwanzig Bilder von ihr und vier weit­eren Kün­st­lerin­nen und Kün­stlern aus Afghanistan sind seit Fre­itag und noch bis zum 20. März immer von 10–16 Uhr im Nord­schiff der Petrikirche, Ros­tock, zu sehen. Darauf weist Andrea Krön­ert hin. „Der Mut von Hafiza Qua­si­mi ist groß. Sie und alle Frauen weltweit, die für ihre Rechte kämpfen, ver­di­enen unsere Sol­i­dar­ität“, sagt sie. „Heute ist ein guter Tag, die Ausstel­lung zu besuchen und anschließend aktiv zu wer­den, um Mäd­chen und Frauen ein bessere Zukun­ft zu ermöglichen. Wir müssen uns gemein­sam dafür ein­set­zen, diese Ungerechtigkeit zu been­den“. Eines der Instru­mente dazu ist SDG 5, das fün­fte Entwick­lungsziel der Vere­in­ten Natio­nen, das Geschlechter­gle­ich­stel­lung und Selb­st­bes­tim­mung von Frauen und Mäd­chen fordert.

 

Mandy Pfeifer (SPD), Land­tagsab­ge­ord­nete MV | Foto: Susie Knoll

Auch in Deutschland noch Ungleichheit

„Auch in Deutsch­land haben Frauen noch lange nicht die gle­ichen Chan­cen wie Män­ner. Sie leis­ten mehr Sorgear­beit, ver­di­enen weniger Geld für die gle­iche Arbeit, erlei­den häu­figer sex­u­al­isierte Gewalt und sitzen sel­tener in unseren Par­la­menten und Regierun­gen. Auch das muss sich ändern“, so die Geschäfts­führerin des Eine-Welt-Net­zw­erks M‑V.

Auch die SPD-Land­tagsab­ge­ord­nete Mandy Pfeifer unter­stre­icht, dass in Deutsch­land in Sachen Chan­cen­gle­ich­heit und Gle­ich­berech­ti­gung noch viel Luft nach oben steckt. Etwa bei den Löh­nen und der Beset­zung der Führungspo­si­tio­nen. „Im bish­eri­gen Sch­neck­en­tem­po kann es nicht weit­erge­hen. Die Stärkung der Frauen­rechte und vor allem der Kampf gegen Armut von Frauen im Alter müssen schneller Fahrt aufnehmen”, so Pfeifer. Ins­beson­dere unbezahlte Care-Arbeit im Haushalt gelte es auf mehrere Schul­tern aufzuteilen. „Frauen und Män­ner müssen nicht nur die gle­ichen Startchan­cen haben, son­dern sich tat­säch­lich Fam­i­lie und Beruf part­ner­schaftlich teilen kön­nen.“ Es brauche zudem mehr Anerken­nung für ehre­namtlich geleis­tete Sorgear­beit.

 

SPD-Landtagsabgeordnete sieht sogar Rückschritte

Obwohl Frauen inzwis­chen sta­tis­tisch höhere Bil­dungsab­schlüsse als Män­ner erre­ichen, stün­den ihre Chan­cen für Kar­riere und leis­tungs­gerechte Bezahlung weit­er schlecht. Vielmehr sog­ar seien Frauen über­durch­schnit­tlich im Niedriglohnsek­tor zu find­en. Die Ein­führung des Min­dest­lohns von 12 Euro je Stunde sei daher ein wichtiger Beitrag, um Frauen vor Alter­sar­mut zu schützen.

Mit Blick auf die nun – hof­fentlich – dem Ende ent­ge­gen gehende Coro­na-Pan­demie zieht die SPD-Land­tagsab­ge­ord­nete eine ernüchternde Bilanz. Denn in dieser Zeit habe das The­ma Gle­ich­berech­ti­gung und gle­iche Teil­habe eher einen Rückschritt erlebt. „In der Pan­demie haben sich vor allem wieder Frauen um Haushalt, Home-School­ing, Kinder­be­treu­ung sowie um die Pflege und Ver­sorgung von Men­schen geküm­mert. Es sind vor allem wieder Frauen und Kinder, die während der Pan­demie von häus­lich­er Gewalt bedro­ht sind. Dabei sollte vor allem das eigene Zuhause ein sicher­er Ort sein“, so Mandy Pfeifer.

 

 

 

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