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Rechter Vordenker im Demmlersaal:
Wirbel um Auftritt von Götz Kubitschek in Schwerin – den Konsens stören

Bis zum Schluss blieb der Auftritt von Götz Kubitschek in Schwerin umstritten. 120 Demonstranten machten ihrem Ärger Luft. Der Vordenker der "Neuen Rechten" hatte dann durchaus politischen Zündstoff im Gepäck.

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  • Veröffentlicht März 17, 2024
Im Demm­ler­saal des Rathaus­es sprach Götz Kubitschek. Foto: Dario Rochow

 

Die Lan­deshaupt­stadt Schw­erin erlebte in den let­zten Tagen eine Welle der Aufre­gung, seit dem die Junge Alter­na­tive (JA) in Meck­len­burg-Vor­pom­mern den Ver­leger und Pub­lizis­ten Götz Kubitschek in den Demm­ler­saal des Rathaus­es ein­laden hat­te. Kubitschek wird als ein­er der promi­nen­testen Vor­denker und Intellek­tuellen der soge­nan­nten Neuen Recht­en in Deutsch­land betra­chtet. Die JA erhoffte sich laut ihrer Darstel­lung auf Face­book von Kubitschek einen „nüchter­nen und scho­nungslosen Blick auf die poli­tis­che Lage sowie Fra­gen zur Rolle der AfD und des patri­o­tis­chen Vor­feldes”.

Nach­dem bekan­nt wurde, dass Kubitschek, den der Ver­fas­sungss­chutz als recht­sex­trem ein­stuft, im Rathaus sprechen sollte, kündigte die Stadt den Mietver­trag. Am Fre­itag entsch­ieden jedoch sowohl das Ver­wal­tungs­gericht in Schw­erin als auch das Oberver­wal­tungs­gericht in Greif­swald, welch­es eine Beru­fung abwies, dass die Stadt unrecht­mäßig gehan­delt hat­te und der Demm­ler­saal der AfD-Jugend zur Ver­fü­gung gestellt wer­den muss.

120 Demonstranten gegen Kubitschek-Auftritt

Kurz vor Beginn der Ver­anstal­tung ver­sam­melten sich rund 120 Men­schen auf dem Mark­t­platz, um gegen den Auftritt Kubitscheks zu demon­stri­eren. Die Ver­samm­lung wurde unter dem Mot­to „Nie wieder ist jet­zt – gegen rechte Het­ze” angemeldet, nach­dem die Gericht­sentschei­dun­gen bekan­nt wur­den. Mit Trillerpfeifen, Trom­meln und Plakat­en bracht­en die Protestieren­den ihren Unmut über die geplante Ver­anstal­tung zum Aus­druck.

 

Gegendemonstranten zur Veranstaltung mit Götz Kubitschek in Schwerin
120 Men­schen demon­stri­erten gegen die Ver­anstal­tung mit Götz Kubitschek. Foto: Dario Rochow

 

Unter­dessen füllte sich der Demm­ler­saal nach und nach. Die Ver­anstal­tung sollte um 19 Uhr begin­nen, und alle warteten ges­pan­nt auf den angekündigten Ref­er­enten. Doch Götz Kubitschek war zu diesem Zeit­punkt noch nicht im Rathaus angekom­men – sein Zug hat­te sich ver­spätet. Als er schließlich gute 15 Minuten später ein­traf, verzögerte sich die Ver­anstal­tung erneut, da Demon­stran­ten den Ein­gang zum Rathaus block­ierten und Kubitschek sowie den AfD-Frak­tionsvor­sitzen­den Niko­laus Kramer, der zusam­men mit dem Ref­er­enten ankam, den Ein­lass ver­wehrten. „Nazis raus”-Rufe hall­ten den Män­nern ent­ge­gen.

 

Blockierer Eingang Rathaus_Veranstaltung Kubitschek in Schwerin
Vor der Rathaustür musste die Polizei den Weg frei machen. Foto: Dario Rochow

 

Trotz dreima­liger Auf­forderung durch die Polizei, den Weg freizugeben, fol­gten die Block­ier­er nicht. Schließlich mussten Polizis­ten die Demon­stran­ten wegschieben, um den Weg freizu­machen. Gegen die Block­ier­er wurde ein Ermit­tlungsver­fahren wegen des Ver­dachts der Nöti­gung ein­geleit­et, und ein weit­eres Ver­fahren wurde gegen einen Ord­ner der Ver­anstal­tung im Rathaus ein­geleit­et, dem die Polizei ver­suchte Kör­per­ver­let­zung gegen einen Block­ade­teil­nehmer vor­wirft.

„Bleierne Jahre” vorbei

Mit ein­er Ver­spä­tung von gut 45 Minuten betrat Götz Kubitschek schließlich den Demm­ler­saal und wurde von den Anwe­senden mit Applaus emp­fan­gen. Wer war dieser Mann, dessen Auftritt die Stadt Schw­erin zu ver­bi­eten ver­suchte? Den der Ver­fas­sungss­chutz als Recht­sex­trem­is­ten ein­stuft? Der als wichtiger Vor­denker der Neuen Recht­en gilt?

Diejeni­gen, die einen Red­ner erwartet hat­ten, der zum Umsturz aufrufen würde, wur­den ent­täuscht. Kubitschek betonte zu Beginn, dass er es nach den Ereignis­sen der let­zten Tage für unmöglich gehal­ten hätte, doch noch im Demm­ler­saal auftreten zu dür­fen. Die Tat­sache, dass es am Ende doch möglich wurde, sei etwas Beson­deres, so Kubitschek.

Der Ver­leger sprach von den „bleier­nen Jahren”, die kurz nach der Wende begonnen hät­ten und bis zu den Wahler­fol­gen der AfD ange­hal­ten hät­ten. Nun seien diese aber vor­bei. Die AfD als Partei, aber auch er mit sein­er ver­legerischen Tätigkeit als poli­tis­ches „Vor­feld”, wür­den nun die „Demokratiewirk­lichkeit” auf die Probe stellen. „Es geht nun wieder um etwas”, so Kubitschek. Die Rechte sei der „Lack­mustest” für die Demokratie. „Was wir tun, ist ein Demokratiefest”, so der Pub­lizist aus Schnell­ro­da in Sach­sen-Anhalt.

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Kubitschek warf den anderen Parteien vor, dass sie sich in der Ver­gan­gen­heit in einem gemein­samen Kon­sens ein­gerichtet hät­ten. Dies sei daran zu erken­nen, dass alle anderen die poli­tis­che Land­schaft bes­tim­menden Parteien sich zwar in Nuan­cen unter­schieden, aber im Kern einig seien. Die AfD störe nun genau diesen Kon­sens, berechtigter­weise, wie Kubitschek betonte. Genau das sei Demokratie. Es gehe um den „Kampf um Denkmöglichkeit­en”. Der AfD attestierte der parteilose Ver­leger, dass sie zeige, was es heißt, eine „wirk­liche Alter­na­tive” zu haben. „Lassen Sie sich hier nicht die But­ter vom Brot nehmen”, ermutigte Kubitschek die Anwe­senden. Dieser Kampf um Mei­n­ung­shoheit, Redean­teile und Wäh­ler­stim­men müsse geführt wer­den. In der Demokratie gehe es genau darum, genau auf einen bes­timmten Zeit­punkt aus­gerichtet, die Masse zu überzeu­gen. Dieser Kul­mi­na­tion­spunkt seien in der Demokratie die Wahlen.

Bezug auf Carl Schmitt

Unweiger­lich musste man an dieser Stelle an die „Fre­und-Feind-The­o­rie” des Staat­srechtlers Carl Schmitt denken. Kubitschek hat­te schon 2010 auf seinem Blog geschrieben: „Schmitt zu lesen ist wie Bach zu hören: Beiläu­fig, schla­gar­tig, nach­haltig stellt sich Klarheit in der eige­nen Gedanken­führung ein.”  An Schmitt, der 1985 gestor­ben ist, schei­den sich bis heute die Geis­ter. Er gilt als Kro­n­jurist des Drit­ten Reich­es, als kar­ri­eris­tis­ch­er und ein­flussre­ich­er Jurapro­fes­sor und Gutachter, der sowohl das Vorge­hen der Nazis während des Röhm-Putsches als auch die Nürn­berg­er Rassege­set­ze recht­fer­tigte. Nach dem Krieg war er Per­sona non gra­ta.

Den­noch waren die juris­tis­chen Väter des Grundge­set­zes zu einem nicht gerin­gen Teil seine Schüler, eben­so Ver­fas­sungsrichter; die Begriffe „wehrhafte Demokratie“ und „Ver­fas­sungswirk­lichkeit“ gehen auf seinen Ein­fluss zurück. Seine The­o­rien bilden eine wichtige Grund­lage für rechte wie linke Intellek­tuelle. Schmitts Denken scheint eine Grund­melodie der Regierung­sprax­is mod­ern­er, auch (post-)demokratischer Staat­en zu sein.

Ohne den Namen Carl Schmitt zu nen­nen, war schnell klar, wer als Lehrer hin­ter Kubitscheks Lage­analyse stand. In seinem 1932 erschiene­nen Werk „Der Begriff des Poli­tis­chen” entwick­elt Schmitt auf weni­gen Seit­en eine his­torisch-begrif­fliche Analyse des Poli­tis­chen. Die poli­tis­che Welt existiert dem­nach nur, wenn Men­schen die Unter­schei­dung von Fre­und und Feind tre­f­fen und diese Entschei­dung Grund genug ist, ihr Leben im Kampf gegen den Feind zu opfern.

In Schwerin „Kreide gefressen”?

Kubitschek forderte im Demm­ler­saal nicht das Todes­opfer im Kampf gegen den Feind ein. Der Ver­leger machte jedoch deut­lich, dass es in der poli­tis­chen Auseinan­der­set­zung der AfD mit den anderen Parteien nicht darum gehe, irgend­wann ein Teil der Anderen zu sein, son­dern eine grund­sät­zliche poli­tis­che Wende her­beizuführen. „Gewöh­nen Sie sich nie den alter­na­tiv­en, grund­sät­zlich anderen Blick ab”, forderte Kubitschek fol­gerichtig.

Immer wieder nahm Kubitschek an diesem Abend Bezug auf den „Kampf der Ideen”. Der AfD attestierte der Ver­leger einen Platz an der „Front”, während er mit sein­er Tätigkeit in der „Etappe” sitze und das „Rüstzeug” lieferte.

Im „Kampf um die Mei­n­ung­shoheit” komme, laut dem Pub­lizis­ten, vor allem den „freien Medi­en” eine wichtige Rolle zu. Kubitschek meinte hier Medi­en, die aus dem von ihm emp­fun­de­nen „Main­stream” her­aus­fie­len. Auch diese wür­den den Kon­sens der „Zeit­geistme­di­en” stören. Das könne in der Auseinan­der­set­zung auch zur Radikalisierung der Leser führen, so Kubitschek. Weit­er sah er dur­chaus auch Ten­den­zen bei den soge­nan­nten „alter­na­tiv­en Medi­en”, nicht nur die andere Sicht der Dinge zu ver­bre­it­en, son­dern auch „zu lügen”. Für Kubitschek war dies zwar ein kri­tik­würdi­ger Umstand, den man aber im Kampf um die Mei­n­ung­shoheit in Kauf nehmen müsse. „Was zählt, sind Mei­n­un­gen, die geglaubt wer­den”, so Kubitschek. Damit meinte der Ver­leger vor allem, dass es notwendig sei, eine Gegen­mei­n­ung zu etablieren und die Medi­enkon­sumenten damit kri­tisch gegenüber dem zu machen, was täglich in den Medi­en berichtet wird. “Die öffentliche Mei­n­ung ist im Moment die veröf­fentlichte Mei­n­ung“, so Kubitschek . Daher gelte es, Alter­na­tiv­en zu etablieren. 

Miter­lebt hat an diesem Abend auch Dr. Daniel Treps­dorf, Kreisvor­sitzen­der der Linken in Schw­erin und Leit­er des Region­alzen­trums für demokratis­che Kul­tur. Gegenüber dem  NDR sagte der Stadtvertreter: Kubitschek habe in Schw­erin „Krei­de gefressen” und hielt einen eher gemäßigten Vor­trag. Treps­dorfs schätze dies als „gefährlich” ein, da so die „eigentliche poli­tis­che Leitlin­ie über­spielt und weich gespült wurde”.

 

 

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