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Großer Moor historisch mit schiffbarem Kanal?

Es ist durchaus eine kleine Sensation, die mit archäologischen Funden am Großen Moor verbunden ist. Denn dort scheint einstmals ein schiffbarer Kanal verlaufen zu sein.

  • Veröffentlicht Februar 23, 2022
Großer Moor – Historische Aufnahme. | Quelle: LHS

Teilweise über viele Jahrzehnte hinweg blieb der Untergrund unter den Straßen und Wegen in Schwerin weitestehend unberührt. Mal ein neues Kabel, mal eine Ausbesserung. Aber komplette Sanierungen oder gar Erneuerungen der vorhandenen Leistungssysteme blieben zumindest bis in die 1990er Jahre eher eine Seltenheit. Seither ist Schwerin aktiv dabei,, sogenannte „grundhafte Sanierungen“ durchzuführen. Arbeiten also, bei denen nicht nur der Straßenbelag erneuert wird. Vielmehr kommen verschiedenste Unternehmen zusammen, um die Ver- und Entsorgungsleitungen für Wasser, Abwasser, Gas oder auch Telekommunikation zu erneuern und fit für die Zukunft zu machen. Vielerorts nutzen die Stadtwerke Schwerin den Augenblick, um gleich ihre Fernwärmeleitungen  in die Erde zu legen. Mit dem Zwang zum Anschluss an dieses System hat schon  manch Hauseigentümer „Freude“ gehabt. Und auch die Mieter dürfen sich über durchweg deutlich höhere Betriebskostenabrechnungen freuen, kommen sie in den Genuss der Fernwärme.

 

Baustelle macht Stadtgeschichte sichtbar

So hat also alles seine Sonnen- und auch Schattenseiten. Letztlich aber sind moderne Leitungssysteme unter der Erde und ein komplett neuer Straßen- und Wegebau überirdisch doch überwiegend ein Gewinn für alle. In Städten mit entsprechender Geschichte, zu denen zweifelsfrei auch Schwerin zählt, haben die oftmals in tiefe Tiefen hinabführenden Arbeiten aber noch einen weiteren Effekt: Stadtgeschichte wird sichtbar. So geschehen zuletzt auch am Großen Moor, der aufgrund der Länge der Straße und der Komplexität des Vorhabens eine echte Dauerbaustelle im Herzen der Stadt ist. Dabei aber auch ein Ort, der auf Stadtgeschichte errichtet ist. So war und ist es nicht verwunderlich, dass die Arbeiten dort so manch Fundstück zutage brachten. Funde, die dabei auch neue stadtgeschichtliche Fragen mit sich bringen.

 

Offenbar schiffbarer Kanal am Großen Moor

War Schwerin – die Stadt der Seen und Wälder – möglicherweise einstmals auch eine Stadt der Häfen? Mit einem schiffbaren Kanal den Großen Moor hinauf? Diesen Schluss zumindest legen die Ergebnisse entsprechender archäologischer Grabungen im Bereich der Baustelle Großer Moor nahe. Seit Oktober des vergangenen Jahres liegt dazu nun auch ein ausführlicher Grabungsbericht vor. Verfasst hat diesen Gert Reichelt für das Landesamt für Kultur und Denkmalpflege Mecklenburg-Vorpommern.

„Mit dem jetzt kurz vor der Vollendung stehenden Bauvorhaben haben die Straßenbauverwaltung und die städtischen Leitungsträger nicht nur den Großen Moor und den Schlachtermarkt saniert. Sie haben auch eine große archäologische Bergung und Dokumentation von Teilen des Bodendenkmals ‚Altstadt Schwerin‘ ermöglicht, die einige neue Erkenntnisse zur Stadt- und Siedlungsgeschichte ergaben“, so Holger Bonnke. Er ist der Projektleiter der Baumaßnahme im städtischen Verkehrsmanagement. Die Grabung selbst wurde von der Schweriner Abwasserentsorgung (SAE) beauftragt, die im Zuge der Straßensanierung ihre Kanäle erneuert hat und dafür entsprechend tief in den Untergrund musste.

 

Fundstücke als wichtige Informationsquelle

Schon der Schlachtermarkt hatte bemerkenswerte Objekte zu Tag gefördert, die über die Stadtgrenzen hinaus Beachtung erfuhren. Dort waren allerdings auch Artefakte erwartet worden. Die Bergungen im Großer Moor kamen schon überraschender und brachten besondere Funde.  „Es freut uns natürlich, dass bei einem so schwierigen Projekt am Ende auch noch die Stadthistorie zum Gewinner wird“, sagt Lutz Nieke, Werkleiter der SAE. Das zentrale, dominierende Resultat ist der Nachweis eines schiffbaren Kanals den Großen Moor hinauf. Seine Anfänge liegen im 13. Jahrhundert. Er ist der Grund für den auch heute noch breiten Straßenraum des Großen Moor, der untypisch für viele Altstadtstraßen ist. Denn neben dem schiffbaren Kanal lagen zusätzlich die begleitenden Wege. So ergaben sich die heute noch prägenden weiten Hausabstände.

Auch Schiffbau und Hafenaktivitäten fanden hier im Spätmittelalter und der frühen Neuzeit statt. Geborgene eiserne Kaltfatklammern und Nägel mit Nietplatten verweisen darauf. „Gegenstände aus den Bereichen Alltagskultur, Fischerei, Bootsbau und Bewaffnung stammen aus der Zeit vom 13. bis ins 19. Jahrhundert. Sie stellen eine wichtige Informationsquelle zur Geschichte der Stadt Schwerin dar. Insbesondere zur Nutzung des Kanals und seiner Umgebung“, schreibt Gert Reichelt in seinem Grabungsbericht.

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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