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Literaturtipp: Auf den Spuren eines Mauerseglers von der Ostsee bis nach Afrika

Schon wieder eine Anfangdreißigerin in der Krise? Schon wieder eine Familiengeschichte um ein Geheimnis in der Vergangenheit? Schon wieder ein Flug durch fast das gesamte 20. Jahrhundert? Ja! Und das

  • Veröffentlicht März 1, 2021
Cover des Buchs „Mauersegler“ von Valerie Jakob | Kindler Verlag

Schon wieder eine Anfangdreißigerin in der Krise?
Schon wieder eine Familiengeschichte um ein Geheimnis in der Vergangenheit?
Schon wieder ein Flug durch fast das gesamte 20. Jahrhundert?

Ja! Und das in sehr lesenswerter Weise und im wahrsten Sinne des Wortes:

Eine Pilotin gehört nämlich in den 1920er Jahren zu den Vorfahrinnen von Juliane, die sich im Jahre 2020 mit ganz modernen Sorgen wie Jobwechsel, Beziehungsende und momentaner Perspektiv­losigkeit herumschlägt. Die Auszeit bei ihrem 80jährigen Großcousin Johann, dem Sohn der Pilotin, an der Ostseeküste nahe Greifswald kommt ihr da nur recht. Und eher zufällig erwacht dort ihr Interesse an der gemeinsamen Familienhistorie.

Und die hat es in sich.

Juliane erfährt bei ihren Recherchen vom aufregenden und unkonventionellen Leben der Pilotin, die mit ihrem Flugzeug „Mauersegler“ sogar bis nach Afrika flog. Durch die politischen Entwicklungen der 1930er Jahre und gefangen in einer unglücklichen Ehe wurde sie aber zu einer Entscheidung gezwungen, die nicht nur ihr eigenes Leben massiv veränderte.

Es dauert ein wenig, bis die Autorin Valerie Jakob, die als Übersetzerin arbeitet und hier unter einem Pseudonym schreibt, in ihren Sprachfluss findet. Ihre Stärke liegt in den Dialogen, die schlag­fertig und humorvoll sind und dabei sehr genau zu den jeweiligen Figuren passen. So wie es ihr auch gelingt, Stimmungen sehr fein spürbar zu machen und das Ungesagte mit zu erzählen. Oft hat das fast etwas Filmisches, wie sie Bilder entwirft und Perspektiven wechselt.

Insgesamt werden viele große Themen des letzten Jahrhunderts aufgegriffen: der große Aufbruch besonders der Frauen in den 20er Jahren, die Verwüstungen durch den Nationalsozialismus, der 2. Weltkrieg, die Härten der Nachkriegszeit in der DDR, aber auch im Westen, Heimatlosigkeit und zerstörte Lebenspläne. Doch der Autorin gelingt es elegant, die beiden zeitlich weit auseinander liegenden Handlungsstränge miteinander zu verflechten und eine immer spannender werdende Geschichte zu erzählen.

Wie sehr werden Menschen in ihrem Handeln von Familiengeheimnissen beeinflusst, von denen sie nicht einmal etwas ahnen? Können Lügen manchmal mehr Mut erfordern als die Wahrheit? Zeitlose Fragen, die hier bis zum überraschenden Schluss auf unterhaltsame und doch eindrückliche Weise behandelt werden.

Und Juliane hat nach diesem Ostseesommer auch mehr als eine Idee, was sie aus ihrem Leben machen will…

Valerie Jakob „Mauersegler“,
Kindler Verlag, 3562 S., 16,-€, auch als ebook erhältlich

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Redaktion

der digitalen Tageszeitung Schwerin-Lokal. Kontakt: redaktion@schwerin-lokal.de

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