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„Man kann die Welt nicht aus den Angeln heben“

Ich will etwas tun – ich möchte mich politisch engagieren. Diesen Impuls haben in den letzten Jahren wieder verstärkt Menschen verspürt. Die großen Parteien können von dem Trend nicht profitieren.

  • Veröffentlicht September 1, 2020
„Ich bin ein Dreesch-Kind“. Seit 25 Jahren engagiert sich Daniel Meslien in der SPD | Foto: schwerin-lokal

Ich will etwas tun – ich möchte mich politisch engagieren. Diesen Impuls haben in den letzten Jahren wieder verstärkt Menschen verspürt. Die großen Parteien können von dem Trend nicht profitieren. Dort gehen die Mitgliedszahlen seit Jahren kontinuierlich zurück. Einer Studie des Politikwissenschaftlers Oskar Niedermayer zufolge hat sich die Mitgliederzahl zwischen 1990 und 2014 nahezu halbiert, insbesondere der Anteil jüngerer Parteimitglieder geht immer weiter zurück. Was motiviert Menschen also sich in Parteien zu engagieren?

„Helmut Kohl hat mich aktiviert“

Einer, der es wissen muss, ist Daniel Meslien. Seine Mitgliedschaft in der SPD jährt sich heute, am 1. September 2020, zum 25. Mal. Zu den Sozialdemokraten stieß er 1995. Der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl war für Meslien der „Hauptgrund“. Der damals 17-jährige ärgerte sich über die Sozialgesetze der Bundesregierung. „Nur schimpfen, das war mir dann aber doch zu wenig. Helmut Kohl hat mich aktiviert. Ich wollte etwas machen. Ich wurde dann Mitglied der SPD.“

Bereits vor seiner Parteimitgliedschaft engagierte sich Daniel Meslien in der Gewerkschaft  Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) und beim Umweltverband Naturfreunde. Insofern war der Weg zur SPD damals nicht so weit entfernt. Bei den Naturfreunden hatte sich der heute 1. Stellvertreter des Stadtpräsidenten schon vorher für die Einführung eines Dosenpfands engagiert. „Klima und Umwelt waren für mich damals schon wichtige Themen. Insofern bin ich dankbar, dass es zu Umweltthemen heute eine breite gesellschaftliche Debatte gibt“, freut sich das nun seit einem Vierteljahrhundert engagierte SPD-Mitglied rückblickend.

 

Seit 2002 Mitglied der Schweriner Stadtvertretung

1998 wird Daniel Meslien bereits Kreisvorsitzender der Jusos in Schwerin und engagiert sich in den nächsten Jahren im SPD-Jugendverband. Bereits ein Jahr zuvor wurde der damals 19-jährige in den SPD-Kreisvorstand gewählt. Im Rahmen der Kommunalwahl 1999 bewarb sich Meslien dann zum ersten Mal als Stadtvertreter. Dabei gelang es ihm nicht sofort, in die Stadtvertretung einzuziehen. 2002 allerdings konnte er nachrücken. Der Anlass war aber alles andere als erfreulich. Zuvor nämlich war der SPD-Stadtvertreter Reiner Riegner überraschend verstorben. „Freude wollte bei mir damals nicht aufkommen. Reiner Riegner hatte mich in die SPD aufgenommen, und wir arbeiteten seit dem eng zusammen. Insofern machte mich der Tod damals besonders traurig.“

 

Daniel Meslien ist stets ein ebenso interessierter Zuhörer wie engagierter Kämpfer. | Foto: schwerin-lokal / Haring

Spitzenkandidat zur Kommunalwahl

Zur Kommunalwahl 2004 trat die SPD Schwerin dann mit fünf Spitzenkandidaten an. Daniel Meslien und Manuela Schwesig gehörten dazu. Mit 17,4 Prozent wurden die Sozialdemokraten im Ergebnis die drittstärkste Kraft in der Stadt. Bereits fünf Jahre später, 2009, kandidierte Daniel Meslien dann als einziger Spitzenkandidat der SPD zur Kommunalwahl und konnte sich über 22,01 Prozent für seine Partei und damit einen satten Zugewinn freuen. Der erfolgreiche Spitzenkandidat wurde daraufhin erneut Fraktionsvorsitzender der SPD in der Stadtvertretung.

Bis 2016 leitet der SPD-Mann nun weiterhin die Geschicke der Stadtfraktion. Dann allerdings stellte er sich nicht wieder zur Wahl auf – trat nicht erneut an. „Familie, Beruf und das Ehrenamt als Stadtvertreter unter einen Hut zu bringen, das ist nicht immer leicht. 2016 ging das für mich nicht mehr. Daher entschied ich mich damals, den Fraktionsvorsitz aufzugeben.“ Seinem grundsätzlichen Engagement in der Kommunalpolitik aber tat dies keinen Abbruch. Weiterhin konnten seine Fraktion und die SPD auf den inzwischen erfahrenen und bei vielen geschätzten Kommunalpolitiker in ihren Reihen zählen.

Da erschien es folgerichtig, dass Daniel Meslien auch 2019, gemeinsam mit dem jetzigen Fraktionsvorsitzenden Christian Masch und dessen heutiger Stellvertreterin Mandy Pfeifer, zu den drei Spitzenkandidaten der SPD bei der Kommunalwahl gehörte. Ihm gelang die Wiederwahl in die Stadtvertretung, die ihn zum stellvertretenden Stadtpräsidenten wählte.

 

Man muss dranbleiben

Wie würde nach den vielen Jahren in der Stadtvertretung nun sein Resümee ausfallen? „Man kann die Welt nicht aus den Angeln heben. Wenn man etwas erreichen möchte, dann muss man dranbleiben“, sagt Meslien. Mit einem weiteren, immer wieder vorgebrachten Vorurteil, räumt der SPD-Politiker auch auf: „Wer wegen des Geldes Stadtvertreter werden möchte, der sollte besser Zeitungen austragen.“ Wer sich für ein kommunalpolitisches Engagement in der Stadtvertretung entscheidet, der muss sich bewusst sein, dass es ein enormer Zeitaufwand ist, der hier erwartet wird. „Von Montag bis Donnerstag existierst Du faktisch für die Familie nicht“, so Meslien. Ausschusssitzungen, Sitzungen der Aufsichtsräte der kommunalen Betriebe oder verschiedene andere Termine – der Terminkalender an den Abenden ist meistens voll. „Dieses Engagement belastet das Privatleben schon. Das setzt ein großes Verständnis des Ehepartners voraus.“

 

Daniel Meslien (re) kandidiert gegen Christian Masch (li) und Mandy Pfeifer (mi). | Foto: schwerin-lokal / Haring

„Ich bin ein Dreesch-Kind“

Im kommenden Jahr möchte es Daniel Meslien dann noch einmal wissen: Für den Wahlkreis 9 möchte er als Landtagsabgeordneter kandidieren. Dazu muss er bereits in wenigen Tagen von den SPD-Mitgliedern nominiert werden. Auch Fraktionschef Christian Masch und Mandy Pfeifer, beide deutlich weniger lange in der Partei, haben ihren Hut in den Ring geschmissen. Bisher hat der Landtagsabgeordnete Jörg Heydorn (SPD) den Wahlkreis als direkt gewählter Abgeordneter im Schweriner Schloss vertreten. Zur Landtagswahl 2021 wird er aber nicht noch einmal kandidieren.

Daniel Meslien sagt, dass er aus der SPD-Basis heraus motiviert wurde, sich für die Kandidatur zu bewerben. Das hat ihm zusätzlichen Schwung gegeben. „Es ist schon etwas Besonderes, wirklich von den Genossinnen und Genossen an der Basis zu so einem Schritt ermuntert zu werden. Das bedeutet mir unheimlich viel.“

Sein Herz schlägt dabei auch weiter für den Dreesch, der der größte Teil in seinem Wahlkreis wäre. Dort ist Meslien aufgewachsen, und dieser Stadtteil lässt ihn nicht mehr los. 2001 war er der erste Vorsitzende des Ortsbeirates dort. „Ich bin ein Dreesch-Kind. Aktiv für die ‚Platte‘ zu sein, das lässt einen nicht mehr los“, sagt Meslien. Er möchte sich daher, wenn er nominiert werden sollte, vor allem auch für den Dreesch – zu dem hier noch einmal Neu Zippendorf, das Mueßer Holz und der heutige „Dreesch“ vereint zählen sollen – einsetzen und stark machen. „Ich möchte Anwalt der dort lebenden Menschen sein. Das ist eine für mich ganz zentrale Motivation, mich um die Aufstellung zu bewerben.“ Sollte seine Partei ihm das Vertrauen aussprechen, dann würde aus dem bisher ehrenamtlichen Kommunalpolitiker nach 25 Jahren ein Landtagsabgeordneter und damit ein Berufspolitiker. Zumindest eine Legislaturperiode lang – und wenn das Wahlergebnis entsprechend ausfällt.

 

Meckern kann jeder – Engagement ist wichtig!

25 Jahre Engagement und Einsatz für eine Partei. Das ist schon etwas Besonderes. Vor allem dann, wenn diese Zeit sich nicht dort abspielt, wo man das vermeintlich „große Geld“ verdienen kann. Sondern genau dort, wo der Einsatz zuerst eines kostet: viel Zeit. Und dazu viel Kraft, viel Engagement und sicherlich oft auch eine gehörige Portion Überzeugung. Unsere Demokratie braucht aber genau dieses Engagement. Dass Parteien als Struktur es den Menschen nicht immer leicht machen sich einzusetzen, davon können auch Parteimitglieder ein Lied singen. Zu wenig Spielraum für eigene Ideen, zu viele Skandale und Machtspielchen. Das ist alles nicht falsch. Es ist aber zu  leicht, jeden Fehler mit einem Fehler der Parteien oder des Systems zu begründen. Meckern kann jeder.  Sicher könnten die Parteien mehr machen, mehr in den Dialog mit den Bürgern treten. Umgekehrt könnten aber auch die Bürger mehr machen, sich mehr engagieren.

Written By
Stefan Rochow

ist Journalist, Unternehmer und Gründer von SNO | Schwerin-Lokal. Mail: redaktion@schwerin-lokal.de

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