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Montagsgedanken: Schwerin hat einen neuen Oberbürgermeister

Schwerin, 19.09.2016 (red/sr). Gestern Abend wurde ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Mit Rico Badenschier hat die Wahl ein Kandidat gewonnen, der Menschen mitnehmen kann.Trotzdem bleiben die Handlungsspielräume gering.

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  • Veröffentlicht September 19, 2016

Schw­erin, 19.09.2016 (red/sr). Gestern Abend wurde ein neuer Ober­bürg­er­meis­ter gewählt. Mit Rico Baden­schi­er hat die Wahl ein Kan­di­dat gewon­nen, der Men­schen mit­nehmen kann.Trotzdem bleiben die Hand­lungsspiel­räume ger­ing. 

Von Ste­fan Rochow

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Rico Baden­schi­er im Gespräch auf der SPD-Wahlpar­ty gestern Abend in Schw­erin  Foto: Schw­erin-Lokal

 

Als die SPD im Juli des let­zten Jahres bekan­nt gab, dass für sie Dr. Rico Baden­schi­er als Ober­bürg­er­meis­ter kan­di­dieren wird, da schienen die Ver­hält­nisse in Schw­erin noch einiger­maßen klar zu sein. Die amtierende Ober­bürg­er­meis­terin Ange­li­ka Gramkow (DIE LINKE) hat die allerbesten Chan­cen auf die Wieder­wahl. Hörte man sich damals in der Stadt um, dann hätte kaum jemand in Zweifel gezo­gen, dass auch die neue Ober­bürg­er­meis­terin im Jahr 2016 Ange­li­ka Gramkow heißen wird.

 

Im Grunde genom­men galt jed­er Kan­di­dat gegen Gramkow mehr als Zäh­lka­n­di­dat als dass man ihm eine ern­sthafte Chance bei der Bewer­bung auf den Chef­ses­sel im Stadthaus ein­räumte. Daher hat­ten sich alle Parteien in der Stadt, außer die LINKE, auch reich­lich schw­er damit getan, über­haupt Bewer­ber zu find­en.

 

Monate vor der Nominierung Baden­schiers, fiel sein Name immer wieder als möglich­er Bewer­ber. Leicht hat­te er sich die Entschei­dung aber dann wohl doch nicht gemacht. Am Ende rang er sich, sehr zur Freude sein­er Partei, dann doch durch und ließ sich auf­stellen.

 

Handeln statt Reden

 

Zu Rico Baden­schiers starken Eigen­schaften gehört, dass er das macht, was viele Men­schen heute so oft bei Poli­tik­ern ver­mis­sen: Han­deln statt Reden!

 

Über seine Hil­fs­bere­itschaft kön­nen seine Kol­le­gen in der Helios-Klinik viel erzählen. Baden­schi­er hat­te im Betrieb­srat einen Extra-Bonus für Mitar­beit­er aus­ge­han­delt, die aus der Ruf­bere­itschaft zum Dienst erscheinen mussten. Viele Men­schen dank­ten es dem Radi­olo­gen, in dem sie ihn 2014 in die Schw­er­iner Stadtvertre­tung wählten. So einem, das hörte man immer wieder, kann man ver­trauen.

 

Im Stre­it um die Ladenöff­nungszeit­en im Rock­palast, dro­hte Ende 2014 dem Wirt Heiko Stein­müller das finanzielle Aus. Die Stadtver­wal­tung ver­langte die Ein­re­ichung eines weit­eren Gutacht­ens, dass dem Wirt Geld kostete, was er ein­fach nicht mehr hat­te. Stein­müller startete damals eine Spende­nak­tion, mit der er das Geld zusam­men­brin­gen wollte. Ein­er sein­er Spender hieß Rico Baden­schi­er. Noch heute erzählt der Rock­palast-Wirt, dass ihn die ansehn­liche Spende damals ver­wun­derte. „Ich kon­nte mit dem Namen damals über­haupt nichts anfan­gen“, geste­ht Stein­müller. Erst sehr viel später erfuhr er, wer ihm da unter die Arme gegrif­f­en hat. Vor weni­gen Wochen, lud er daher den dama­li­gen OB-Kan­di­dat­en in den Rock­palast ein.

 

Den Menschen zuhören

 

Wer Rico Baden­schi­er im Wahlkampf erlebt hat, der begeg­nete einem eher zurück­hal­tenden Men­schen. Einem Men­schen, der sich – ungewöhn­lich für einen Poli­tik­er – nicht in den Vorder­grund rückt. Er hört den Men­schen zu. Vielle­icht ist die größte Stärke des neuen Ober­bürg­er­meis­ters, dass er genau das nicht verkör­pert, was Poli­tik­ern immer wieder anhängt: Baden­schi­er wirkt nicht pro­fil­ierungssüchtig. „Er ist Men­sch geblieben“, das kon­nte man während des Wahlkampfes immer wieder hören. Genau das ist ver­mut­lich sein Erfol­gsrezept.

 

Angelika Gramkow machte ihren Job gut

 

Dass sich der poli­tis­che eher als „Nobody“ anzuse­hende Rico Baden­schi­er gestern Abend so deut­lich gegen die Amtsin­hab­erin Ange­li­ka Gramkow durch­set­zen kon­nte, über­raschte dann doch. Zwar wuchs in den let­zten Monat­en zunehmend die Unzufrieden­heit mit der Amtsin­hab­erin, eine über­große Abwahlstim­mung gab es aber nicht.

 

Vor allem das mehr als ungeschick­te Agieren der Stadtver­wal­tung im Zusam­men­hang mit den Mißbräuchen im Vere­in „Pow­er for Kids“, wurde Ange­li­ka Gramkow ange­lastet. Als dann auch noch vor 14 Tagen der Vor­sitzende des Jugend­hil­fauss­chuss, Peter Brill, es ablehnte von seinem Amt zurück­zutreten, da geri­et die Ober­bürg­er­meis­terin weit­er unter Druck. Brill galt all­ge­mein als enger Ver­traute von Ange­li­ka Gramkow, und so fiel die Weigerung Brills auf die Ober­bürg­er­meis­terin zurück.

 

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Am Ende liegt Rico Baden­schi­er deut­lich vor der Amtsin­hab­erin Ange­li­ka Gramkow Foto: Screen­shot www.schwerin.de

 

Blickt man auf die acht Jahre Amt­szeit von Ange­li­ka Gramkow zurück, dann muss man der Ver­wal­tungschefin attestieren, dass sie ihren Job gut gemacht hat. Die Lan­deshaupt­stadt entwick­elte sich in den let­zten Jahren gut und Zuzüge führten dazu, dass auch die Ein­wohn­erzahl wieder nach oben gegan­gen ist. Ende 2015 wohn­ten 96.800 Schw­er­iner­in­nen und Schw­er­iner in der Lan­deshaupt­stadt. Noch 2012 waren es lediglich 91.264 Ein­wohn­er.

 

Wenig Handlungsspielräume für den neuen OB

 

Trotz­dem war der über­wiegende Teil der Schw­er­iner­in­nen und Schw­er­iner der Auf­fas­sung, dass es einen Neube­ginn geben muss. Baden­schi­er ver­sprach daher gestern Abend im Inter­view mit dem NDR, er wolle sein Amt „beson­nen, gerecht und fam­i­lien­fre­undlich führen“. „Ich bin über­wältigt von dem Ver­trauensvorschuss der Schw­er­iner, dem will ich gerecht wer­den”, so der neue Ober­bürg­er­meis­ter weit­er. Dabei hat er allerd­ings wenig Hand­lungsspiel­räume.

 

 

Auf­grund der finanziellen Haushalt­slage sind der Lan­deshaupt­stadt Dau­men­schrauben angelegt. Sehr viel Bewe­gungs­frei­heit bleibt daher auch für den neuen Ober­bürg­er­meis­ter nicht. Weit­er steigende Jugend­hil­fe- und Sozialaus­gaben über­fordern die finanzielle Leis­tungs­fähigkeit Schw­erins zunehmend. Die Per­son­alkosten steigen trotz Stel­len­ab­bau weit­er. Neben den Dien­st­bezü­gen der Beschäftigten und Beamten, sind es die Vor­sorge für Zukun­ft­slas­ten wie die Rück­stel­lun­gen für Alter­steilzeit, Pen­sio­nen, Bei­hil­fen und Ver­sorgung­sum­la­gen, die der Stadt schw­er zu schaf­fen machen. Nur wenige Investi­tio­nen kon­nten in der Ver­gan­gen­heit getätigt wer­den und eine Verbesserung ist nicht zu sehen.

 

Es sind also nicht wenige Prob­leme, die Rico Baden­schi­er als neuer Ober­bürg­er­meis­ter übern­immt. Ob er sie alle wird lösen kön­nen, das kann man eigentlich nicht wirk­lich erwarten. Die Auf­gabe von Rico Baden­schi­er wird daher darin liegen, für die Stad­ten­twick­lung die richti­gen Schw­er­punk­te zu set­zen. Hier wird er sich in den kom­menden Jahren beweisen müssen.