Sa, 24. Mai 2025
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Schwerin: Auf dem schmalen Grad zwischen Vorsicht, Vernunft und Öffnungsforderungen

Es dürfte wohl inzwis­chen für nie­man­den mehr ein Geheim­nis sein: Die Inzi­denz­zahlen in Meck­len­burg-Vor­pom­mern sinken auf bre­it­er Lin­ie. Gestern erfol­gte daher der erste große Öff­nungss­chritt. Kitas und Schulen gehen ohne

  • Veröffentlicht Mai 18, 2021
Ab Son­ntag wird die Ter­rasse des Kabana in Schw­erin bes­timmt wieder gut besucht sein. | Foto: schw­erin-lokal

Es dürfte wohl inzwis­chen für nie­man­den mehr ein Geheim­nis sein: Die Inzi­denz­zahlen in Meck­len­burg-Vor­pom­mern sinken auf bre­it­er Lin­ie. Gestern erfol­gte daher der erste große Öff­nungss­chritt. Kitas und Schulen gehen ohne die Umwege der vorheri­gen Male direkt aus dem Not- in den Öff­nungsmodus. Während für die Jüng­sten der Nor­mal­be­trieb wieder startet, ste­hen Wech­selun­ter­richte in den Schulen an. Wie sin­nvoll es ist, so knapp vor Pfin­g­sten alles aufzureißen, obwohl man mit ehrlichem Bewusst­sein eingeste­hen muss, dass vor dem Lock­down ger­ade Schulen und Kitas zumin­d­est äußerst „neu­ral­gis­che Punk­te” waren – um nicht Infek­tion­streiber zu sagen – dürften die kom­menden Tage und Wochen zeigen. Statt aber zu warten – ursprünglich hat­te die Lan­desregierung jew­eils 14 Tage zwis­chen den Öff­nungss­chrit­ten vorge­se­hen – kommt nun aus allen Rich­tun­gen ein unüber­hör­bar­er Öff­nungs­druck. 

 

„Jeder Tag zählt”

So reagierte Kristin Just von der IHK zu Schw­erin am ver­gan­genen Fre­itag auf einen Beitrag der Ost­see Zeitung zu den Einzel­han­del­söff­nun­gen im Land­kreis Vor­pom­mern-Rügen auf Face­book mit dem Post: „„Fol­gt Schw­erin ab Mitte kom­mender Woche […]? Jed­er Tag zählt!” Und ihr Haupt­geschäfts­führer Sieg­bert Eise­nach antwortete am Sam­stag: „Jed­er Tag zählt! Einzel­han­del in Schw­erin öff­nen!” Bleibt allerd­ings die Frage, welch­er „jed­er Tag” nun zählt. Jed­er, man dem um jeden Preis nicht mehr geschlossen ist? Oder doch jed­er, der zukün­ftig nicht wieder geschlossen wer­den muss?

 

OB Badenschier könnte heute Entscheidung treffen

Aus dem Stadthaus in Schw­erin war bere­its zu hören, dass Öff­nungsszenar­ien dur­chaus im Blick sind. Ober­bürg­er­meis­ter Dr. Rico Baden­schi­er aber wollte keine Harakiri-Öff­nun­gen. Mit Blick auf die Sit­u­a­tion, dass die aktuellen Inzi­denz­zahlen dur­chaus durch den Feiertag und das anschließende Woch­enende bee­in­flusst sein kön­nten, nutzt er nicht die erst­beste Gele­gen­heit. Den­noch kön­nte heute eine Entschei­dung fall­en. Dann kön­nten am Don­ner­stag die Geschäfte in Schw­erin wieder öff­nen. Baden­schi­er zählte in der Pan­demie eher zu der vor­sichtig-ver­ant­wor­tungsvollen Frak­tion, was ver­mut­lich auch auf seinen medi­zinis­chen Back­ground zurück­zuführen ist. So gelang es ihm, Schw­erin bis­lang – abge­se­hen von eini­gen über­schaubaren Inzi­den­zspitzen – doch recht gut durch die Pan­demie zu führen. 

 

Öffnungsforderungen aus Reihen der CDU

Wie aber die Stim­men aus der IHK – nicht erst seit Fre­itag und nicht nur auf Face­book – zeigen, gibt es auch dur­chaus mas­siv­en Druck von außen, lieber gestern als heute zu öff­nen. Druck, der auch aus der Poli­tik zunimmt. So fordern Tom Brüg­gert, stel­lvertre­tender Vor­sitzen­der der CDU Nord­west­meck­len­burg, Jascha Dopp, Vor­sitzen­der der CDU Schw­erin, sowie Daniel Peters, Vor­sitzen­der der CDU Ros­tock, in ein­er gemein­samen Erk­lärung schnelle Öff­nungss­chritte. Nicht zulet­zt auch mit Blick auf Schleswig-Hol­stein (Inzi­den­zw­ert am Sam­stag: 36,5) heißt es: „Es spricht viel für ein schnelleres Voran­schre­it­en auf dem hiesi­gen Weg aus dem Lock­down”.

 

„Schnelleres Voranschreiten […] aus dem Lockdown”

Die Öff­nun­gen in Meck­len­burg-Vor­pom­mern – übri­gens mit einem Inzi­den­zw­ert von 58 – gehen den drei CDU-Poli­tik­ern nicht schnell genug. „Ich halte es nicht für sin­nvoll und übri­gens auch nicht für fair, dass in Boltenhagen, Zierow und Wis­mar noch vier Wochen lang Eiszeit herrschen soll, während ein paar Kilo­me­ter weit­er schon alles wieder im Nor­malmodus läuft”, so Tom Brüg­gert. Er ver­weist auf „gut funk­tion­ierende Hygien­ekonzepte” der Hotels und Testzen­tren allerorten. 

 

Spekulation über Wirksamkeit der „Aussperrungen”

Sein Parteifre­und aus Schw­erin ergänzt: „Nach wie vor und schon seit Monat­en dür­fen Auswär­tige Meck­len­burg-Vor­pom­mern nicht betreten, ohne dass es sich bei uns auf die Inzi­denz im nord­deutschen Ver­gle­ich beson­ders gün­stig aus­gewirkt hätte. Schw­erin ist eine weltof­fene Stadt in einem vielfälti­gen Land. Ich halte das Absper­ren und Aussper­ren für nicht sachgerecht, vor allem ist es ruf­schädi­gend”, so Jascha Dopp. „Ein wenig” Speku­la­tion steckt allerd­ings let­zten Endes schon in dieser Analyse. Natür­lich lässt sich im nord­deutschen Ver­gle­ich die Behaup­tung auf­stellen, dass die sehr restrik­tiv­en Aufla­gen ger­ade gegenüber Touris­ten und Zweit­woh­nungs­be­sitzern nicht zu gerin­geren Inzi­den­zw­erten als beispiel­sweise in Schleswig-Hol­stein geführt haben. Dopp über­sieht dabei allerd­ings, dass sie umgekehrt wohlmöglich eine noch drama­tis­chere Entwick­lung ver­hin­dert haben kön­nen. Auch Speku­la­tion – aber nicht mehr als die andere.

 

Forderung nach schnelleren Gastro-Öffnungen

Aus der Ros­tock­er CDU kom­men von Daniel Peters Blicke in Rich­tung Gas­tronomie, die in voraus­sichtlich ganz MV am Son­ntag öffnet. „Wir müssen nicht bis Pfin­g­sten warten, um der Gas­tronomie wieder etwas Luft zu ver­schaf­fen. Es geht nicht darum, die Gas­tronomen dazu zu zwin­gen, vor Pfin­g­sten zu öff­nen. Es geht darum, es den­jeni­gen zu erlauben, die es möcht­en. Und sei es auch mit frühzeit­iger Sperrstunde. Inzwis­chen hat in Ros­tock ohne­hin schon eine weitre­ichende Selb­stver­sorg­er-und-Pick­nick-Kul­tur Einzug gehal­ten. Diese hat, wenn es um Hygien­e­s­tandards, Abstand­sregelun­gen und Abfallbe­sei­t­i­gung geht, nicht nur pos­i­tive Begleit­er­schei­n­un­gen”. Ein nachvol­lziehbares Prob­lem, das allerd­ings die Frage nach dem Agieren oder nicht Agieren der Ros­tock­er Stadtver­wal­tung auf­macht.

 

Es zählt jeder Tag – an dem nicht wieder geschlossen werden muss!

Wie auch immer: Gewiss ist, dass MV vor weitre­ichen­den Öff­nun­gen ste­ht. Bleibt ger­ade vor dem Hin­ter­grund des doch noch recht mäßi­gen Wet­ters zu hof­fen, dass die Men­schen in Schw­erin, Ros­tock, Greif­swald, Neubran­den­burg, Parchim, Grabow und jedem anderen Ort im Land mit Ver­nun­ft und Vor­sicht die wichti­gen wieder zurück­er­hal­tenden Frei­heit­en nutzen. Denn der Satz „Jed­er Tag zählt” ist abso­lut richtig. Jed­er Tag näm­lich, an dem nicht wieder geschlossen wer­den muss. 

  • Henning Kobs

    Jour­nal­ist. Wohnt in Braun­schweig. Schreibt seit der Grün­dung im Jahr 2013 als freier Mitar­beit­er gele­gentlich für unsere dig­i­tale Tageszeitung. Er arbeit­et vor allem im Back-Office der Redak­tion.

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