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Schwerin: Für und Wider um den Haushalt 2021/22

Ein Blick auf die im Internet veröffentlichte Tagesordnung der heutigen Sitzung der Stadtvertretung Schwerin weist unter Punkt 8 noch den Haushalt der Landeshauptstadt Schwerin 2021/22 aus. An sich war heute

  • Veröffentlicht Oktober 26, 2020
In Schwerin laufen die Haushaltsverhandlungen. Der geplante Beschlusstermin ist gekippt.

Ein Blick auf die im Internet veröffentlichte Tagesordnung der heutigen Sitzung der Stadtvertretung Schwerin weist unter Punkt 8 noch den Haushalt der Landeshauptstadt Schwerin 2021/22 aus. An sich war heute der Beschluss dieses für die Arbeit der kommenden zwei Jahre wichtigen Papiers geplant. Dann aber kam es anders. Neben verschiedenen weiteren Ausschüssen lehnte auch der Finanzausschuss einen Beschluss zu diesem Zeitpunkt ab. Es gäbe noch Beratungsbedarf – so der Tenor aller Ausschüsse, die die Beschlussfassung verschoben.

 

SPD-Fraktion in Schwerin kritisierte Verschiebung des Haushaltsbeschlusses

Mandy Pfeifer, Vorsitzende der SPD-Fraktion Schwerin

Bereits Anfang vergangener Woche ging die SPD-Fraktion mit erkennbarer Kritik an dieser Situation an die Öffentlichkeit. Dabei stellte sie vor allem den von den Fraktionen CDU/FDP, Unabhängige Bürger (UB) und DIE LINKE getragenen Beschluss im Finanzausschuss eben nicht zu beschließen, in den Mittelpunkt ihrer Kritik. In ihrer Reaktion zeigte SPD-Fraktionsvorsitzende Mandy Pfeifer vor allem ihre Sorge, dass nun für neue oder fortzusetzende Projekte zu Beginn des Jahres das Geld fehlen könnte. Schließlich liegt zwischen dem Beschluss der Stadtvertretung Schwerin und der Auszahlung von Geldern noch der Genehmigungsprozess seitens des Innenministeriums. Nicht erwähnte die SPD in ihrer Kritik, dass auch weitere Ausschüsse den Haushalt nicht bis zum Ende, als einer Beschlussfassung, brachten.

Damit war und ist die Position der SPD bekannt. Ahnen könnte man auch, wie die Grünen über das Thema denken. Schließlich stimmte deren Mitglied im Finanzausschuss gegen die Aufschiebung des Antrags. Aber dies ist hier noch Spekulation – wie sich gleich zeigten wird. Denn manches ist dann doch weniger eindeutig, als es wirkt. Daher fragte unsere Redaktion bei den Fraktionen und Einzel-Stadtvertretern nach, wie sie zu diesem Thema stehen. So bildet sich erst einmal ein zur eigenen Beurteilung wichtiges Gesamtbild.

 

Fraktion DIE LINKE: „Oberbürgermeister als Finanzdezernent zu wenig kooperativ“

Gerd Böttger, Fraktionsvorsitzender DIE LINKE, Schwerin

Für die Fraktion DIE LINKE weist deren Fraktionsvorsitzender Gerd Böttger darauf hin, dass es schon mit dem Nachtragshaushalt Probleme gab bzw. gibt, die ggf. Auswirkungen auf den Doppelhaushalt haben könnten. „Die Rechtsaufsicht des Landes hat die Beschlüsse der Stadtvertretung zur Infrastrukturpauschale (Nachtragshaushalt 2020) teilweise grundlegend infrage gestellt. Das betrifft u.a. die Sanierung von Rad- und Gehwegen, den Möwenburgpark, ein Investitionszuschuss für den Schweriner Zoo und weitere beschlossene Maßnahmen. Jetzt wollen wir prüfen, ob diese Vorhaben im Doppelhaushalt 2021/22 geplant werden. Deshalb benötigen wir noch Zeit zur gründlichen Beratung. Gleichzeitig kritisieren wir, dass der Oberbürgermeister als Finanzdezernent zu wenig kooperativ ist, wenn es um Vorschläge der Fraktion für den Haushalt ist.“

 

Federau (AfD): Verwaltung ist noch Antworten schuldig

Petra Federau, Vorsitzende AfD-Fraktion, Schwerin

Auch aus der AfD-Fraktion kommt eine zufriedene Reaktion hinsichtlich der Verschiebung des Haushaltsbeschlusses. Fraktionsvorsitzende Petra Federau unterstreicht dabei, dass ihre Fraktion diese Entwicklung „sogar aktiv gefordert“ habe. Und auch sie unterstreicht in diesem Zusammenhang noch einmal, dass es eben nicht nur der von der SPD einzig erwähnte Finanzausschuss war, der entsprechend verfahren ist. Auch in weiteren Fachausschüssen hätten „immerhin vier Fraktionen“ entsprechende Beschlüsse beantragt.“ Intensiv habe sich die Fraktion mit dem Haushaltsplan „und dem erst wesentlich später nachgereichten Stellenplan“ auseinandergesetzt. Dabei seien zahlreiche Fragen aufgekommen, die teilweise noch auf Antwortend er Verwaltung warten. Allerdings sind diese Verwaltungsantworten erforderlich, um über eventuelle Änderungsanträge zu entscheiden. „Schließlich kann jeder Cent nur einmal ausgegeben werden. Da ist es unsere Pflicht, genau hinzusehen und aufzupassen, als schnell etwas zu beschließen“, so Petra Federau.

 

CDU/FDP: Kurzfristig eingereichte Unterlagen brauchen Bearbeitungszeit

Gert Rudolf, Vorsitzender CDU/FDP-Fraktion, Schwerin | Foto: Fotostudio Sylvana Warsakis

Die CDU/FDP-Fraktion gehörte zwar auch zu den Unterstützern der Verschiebung. Ihr Vorsitzender Gert Rudolf aber verweist darauf, dass man grundsätzlich an frühzeitigen Haushaltsbeschlüssen interessiert sei. „Nur müssen die Bedingungen dafür auch vorliegen.“ Die Fraktion haben den Oberbürgermeister, gleichzeitig Finanzdezernent, bereits im Vorfeld der besagten Finanzausschusssitzung darüber informiert, dass es in Sachen Haushalt noch einiges zu klären gibt. „Hier sind mit großer Mehrheit getroffenen Beschlüsse der Stadtvertretung zu nennen. Das betrifft vor allem den kostenfreien Nahverkehr für alle Schüler. Dieser wichtigen politischen Willensbekundung ist seitens des OB nicht mit einem Widerspruch zu begegnen, sondern es müsste von ihm eine Lösung hierfür erarbeitet werden. Das steht aber noch völlig aus“, so Rudolf.

Zudem sei kürzlich noch eine 2. Veränderungsliste der Verwaltung bei den Fraktionen eingegangen. Auch deren Bearbeitung benötige gerade seitens der ehrenamtlich aktiven Stadtvertreter ausreichend Zeit. Und auch Rudolf verweist, wie Gert Böttger, auf die Probleme mit dem Nachtragshausalt. Dabei nicht genehmigte Projekte müssten nun im Rahmen des Haushalts noch betrachtet werden.

UB: Klarheit seitens des OB zu Nachtragshaushalt und zusätzlichen Einnahmen

Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender Unabhängige Bürger (UB) Schwerin

Ein Argument, damit sich auch Silvio Horn, Fraktionsvorsitzender der Unabhängigen Bürger, direkt anschließt. „Wenn diese politischen Weichenstellungen bei der kommunalen Infrastruktur, wie zum
Beispiel hinsichtlich der Digitalisierung in Schulen, keinen Bestand haben, muss der Haushaltsentwurf der Stadt grundlegend angepasst werden“. Hier verlangt die Fraktion schnell Klarheit vom Oberbürgermeister. „Denn gemäß den Vorgaben des OB seien alle Fraktionen davon ausgegangen, dass zusätzliche Investitionsprojekte mit der Infrastrukturpauschale des Landes umgesetzt werden können“.

Auch der 2. Nachtragshaushalt des Landes ist für die UB Anlass, den Stadthaushalt noch weiter zu beraten. Der Beschluss des Landes führt nämlich zu weiteren Einnahmen des Stadt. „Deshalb muss vor dem Haushaltsbeschluss klar sein, welche zusätzlichen Einnahmen die Stadt von Seiten des Landes erhält“, so UB-Mitglied Ulrich Teubler. „Darum muss
sich der OB schnellstmöglich kümmern. Erst bei Kenntnis dieser Zahlen und Einarbeitung in den Plan macht ein Haushaltsbeschluss für Schwerin Sinn“, so Teubler. Und auch das Thema kostenloser Schülernahverkehr steht bei den UB noch auf der Liste. Hier hatte die Stadtvertretung den Oberbürgermeister mit der Erarbeitung von Finanzierungsverschlägen beauftragt. Kommen diese nicht, müsste der gesamte Haushalt noch einmal auf den Prüfstand.

 

Grüne hätten gern schnellen Beschluss, haben aber auch noch Fragen

Regina Dorfmann, Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen Schwerin | Foto: Fotostudio Warsakis

Anders als die Befürworter des Beschlusses steht die Fraktion Bündnis90/Die Grünen zu der Situation. „Wir hätten die Verschiebung nicht gebraucht“, so deren Fraktionsvorsitzende Regina Dorfmann. Allerdings scheint die neue Situation auch der Grünen-Fraktion nicht ganz unangenehm zu sein. „Trotzdem möchten wir nicht verhehlen, dass uns die Verschiebung Luft verschafft hat. Vor allem, da von uns erwartet wird, dass wir zu Änderungsanträgen Vorschläge der Gegenfinanzierung vorlegen. Das benötigt in der Tat ein tiefes Eintauchen in die Materie. Auch wurde der Stellenplan sehr spät vorgelegt, auch dazu haben wir noch Fragen. Die Verschiebung gibt uns also die Möglichkeit, gründlicher zu arbeiten“.

Dorfmann betont aber auch, dass die Handlungsfähigkeit der Stadt einen eigentlich jetzt beschlossenen Haushalt benötige. Und sie stellt auch eine Forderung an die Befürworter der Verschiebung: „Allerdings erwarten wir jetzt von den Fraktionen, die die Vertagung gefordert haben, dass es auch wirklich zu einem Beschluss im Dezember kommt. Eine weitere Verzögerung kommt für uns nicht in Frage“.

 

Zählgemeinschaft hält sich mit Positionierung zum Thema zurück

 

Heiko Steinmüller, Lothar Gajek und Martin Molter, Zählgemeinschaft, Schwerin | Foto: privat

Angefragt haben wir auch bei der erst kürzlich neu formierten Zählgemeinschaft der Stadtvertreter Martin Molter, Lothar Gajek und Heiko Steinmüller. Deren Antwort bezog sich allerdings weniger auf die Frage zum Thema. Sie soll aber hier dennoch der guten Ordnung halber Berücksichtigung finden. „Da wir mittlerweile in einigen Ausschüssen Protokoll führen, hier mal eine schöne Situation, wie z.B. im Finanzausschuss gearbeitet wird: Herr Teubler von den UBs meint, man solle sich nichts vor machen, ehrenamtliche Kommunalpolitiker haben sich erst im August damit (mit dem Haushalt) beschäftigt. Der OB erwidert, er war leider davon ausgegangen, dass wenn der Haushalt im Juni eingebracht wird, dieser auch dann gelesen wird.
Wir als Fraktionslose haben kein direktes Anrecht auf Ausschussplätzen und so bleibt uns nur das Zuschauen und Kopfschütteln“.

 

Schwerwiegende Gründe auf beiden Seiten

Letztlich zeigt sich also, dass über Fraktionsgrenzen hinweg einige konkrete Themen hinter dem Stimmverhalten der Kommunalpolitiker in einzelnen Ausschüssen stehen. Von großer Bedeutung scheint dabei die mit dem Nachtragshaushalt verbundene Problematik zu sein, dass darin befindliche Investitionen seitens des Innenministeriums nicht genehmigt wurden. Auch offenbar zu erwartende Mehreinnahmen, die noch nicht im Haushalt stehen, bestärken die Befürworter der Verschiebung in ihrem Weg. Und hier scheinen sich sogar noch weitere Mehreinnahmen abzuzeichnen. Denn seitens des Bundes steht die Entscheidung, dass dieser noch Teile der „Kosten der Unterkunft“, die bislang durch die Kommune getragen werden, übernimmt. Hier, so erfuhren wir aus der Stadtverwaltung Schwerin, wisse man noch nicht, um welche Summen es sich handeln wird. Aber noch im laufenden Jahr rechnet die Stadt mit ersten Entlastungen.

Eine schwierige Situation also für alle Beteiligten. Denn auch das Argument, dass ein erst spät(er) beschlossener Haushalt Unsicherheiten und Phasen der Nichtauszahlung vorgesehener Gelder mit sich bringt, wiegt natürlich. Dahinter verbergen sich unzählige Vereine, Verbände, Initiativen etc., die mit Beginn des neuen Jahres auf das Geld angewiesen sind.

 

 

Written By
Stephan Haring

Stephan Haring ist freier Mitarbeiter unserer digitalen Tageszeitung. Er hat ein Bachelor-Studium der Kommunikationswissenschaften an der Universität Erfurt mit den Nebenfächern Sozialwissenschaften & Politik absolviert. Im Nachhinein arbeitete er in leitenden Funktionen der Presse- & Öffentlichkeitsarbeit, im Leitungsbereich eines Unternehmens sowie als Rektor einer privat geführten Hochschule. Zudem entwickelte, organisierte und realisierte er mit der durch ihn entwickelten LOOK ein Fashionevent in Schwerin. Heute arbeitet er freiberuflich als Texter, Pressesprecher und Textkorrektor sowie als Berater in verschiedenen Projekten. In einem Schweriner Ortsbeirat ist er zudem ehrenamtlich als Vorsitzender kommunalpolitisch aktiv.

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